Stand: 08.11.2025 06:03 Uhr
An gerade mal 9.500 fehlenden Stimmen scheiterte im Februar der Einzug des BSW in den Deutschen Bundestag. Seitdem fordert die Partei ein bundesweite Neuauszählung. Diese könnte die Machtverteilung im Bundestag ins Wanken bringen.
Nur ein paar Tausend Stimmen trennten das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) von einem Einzug in den Deutschen Bundestag – und die Republik von wochen- oder gar monatelangem politischen Stillstand.
Bei der Bundestagswahl im Februar diesen Jahres scheiterte das BSW, das künftig Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft heißen soll, mit 4,981 Prozent nur hauchdünn an der Fünf-Prozent-Hürde. Für Parteigründerin und Namensgeberin Sahra Wagenknecht war von Anfang an klar, dass das nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann.
Es fehlen 9.500 Stimmen
Anfangs richteten sich ihre Vorwürfe vor allem gegen Medien und Meinungsforschungsinstitute, die sie unfair im Wahlkampf behandelt hätten. Doch spätestens seitdem in einigen Wahlkreisen das Ergebnis für das BSW nachträglich nach oben korrigiert werden musste, ist für Wagenknecht und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter klar: Es braucht eine bundesweite Neuauszählung der Bundestagswahl. So hofft das BSW, die fehlenden 9.500 Stimmen doch noch zu finden.
Im Podcast „Berlin Code“ weist der Verfassungsrechtler Michael Brenner von der Universität Jena darauf hin, dass dafür noch viel passieren müsste. So sei ein Fehler nur dann relevant, wenn er auf die Zusammensetzung des Bundestages tatsächlich Auswirkungen habe. Angesichts dessen, dass bei einzelnen Stichproben schon zusätzliche Stimmen für das BSW gefunden werden konnten, hält Brenner es aber grundsätzlich nicht für ausgeschlossen, dass eine genauere Überprüfung dazu führen könnte, dass die Partei den Sprung in den Bundestag nachträglich noch schafft.
Bundestag entscheidet über Neuauszählung
Die Entscheidung darüber, ob es zu einer Neuauszählung kommt, trifft zunächst der Bundestag selbst. Dort sind beim Wahlprüfungsausschuss insgesamt 1.031 Einsprüche gegen das Ergebnis der Bundestagswahl eingegangen. In dem Gremium sitzen neun Abgeordnete – wobei Union und SPD mit zusammen fünf Abgeordneten die Mehrheit stellen.
126 Einsprüche sind unter anderem wegen Formfehlern bereits verworfen worden, weil zum Beispiel die Unterschrift fehlte oder der Einspruch per E-Mail versendet wurde. Über die große Mehrheit aber ist bislang nicht entschieden worden.
Wagenknecht selbst dauert das alles viel zu lang. Über ihren Telegram-Kanal hat sie sich diese Woche an ihre Fans gewandt. „Sieht so eine ‚angemessene Frist‘ aus“, ist dort zu lesen und: „Handeln Sie endlich, Frau Klöckner!“ Der Bundestagspräsidentin hatte die BSW-Chefin erst kürzlich einen Brief geschickt. Darin werfen Wagenknecht und ihre Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali dem Parlament vor, gezielt auf Zeit zu spielen, und drohen damit, erneut vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu ziehen. Eine Klage auf Neuauszählung der Bundestagswahl hatte das Gericht bereits im Juni vorerst zurückgewiesen.
Warten auf den Wahlprüfungsausschuss
Dabei ist die bisherige Dauer der Prüfung durchaus im Rahmen. So hat der Wahlprüfungsausschuss nach der vorletzten Bundestagswahl gut 13 Monate gebraucht, um zu entscheiden, dass die Wahl in Berlin teilweise wiederholt werden muss. Und dafür waren die Gründe weitaus offensichtlicher.
Im Fall des BSW ist die Sache jedoch weitaus schwieriger nachzuvollziehen. So muss geklärt werden, an welcher Stelle es möglicherweise zu Fehlern gekommen sein könnte und ob sich dabei um einen systematischen Fehler handelt. Wobei wohl nur Letzteres eine komplette Neuauszählung rechtfertigen würde.
Allerdings ist die Kritik des BSW auch nicht komplett von der Hand zu weisen. So ist der Wahlprüfungsausschuss zu seiner ersten Sitzung erst drei Monate nach der Wahl zusammengekommen und hat auch erst dreimal getagt. Zudem ist vollkommen offen, bis wann das Gremium eine Entscheidung fällen wird. Zuletzt war zu hören: eventuell bis Ende des Jahres.
Schwarz-rote Mehrheit im Bundestag wäre weg
Fakt ist: Die Entscheidung hat Gewicht. Sollte es zu einer Neuauszählung kommen und sollten dabei die dem BSW fehlenden Stimmen entdeckt werden, hätten Union und SPD keine Mehrheit mehr im Bundestag. Zwar könnten Sie auch als Minderheitsregierung weitermachen, doch wäre das Aushandeln von Gesetzesvorhaben ungleich schwieriger.
Das wahrscheinlichste Szenario wäre wohl Koalitionsverhandlungen für ein Viererbündnis aus CDU, CSU, SPD und Grünen. Das könnte einige Zeit in Anspruch nehmen und hätte innerhalb der Regierung eine Verschiebung der Machtverhältnisse zur Folge.








