Stand: 11.11.2025 04:36 Uhr
In Deutschland wird seit Wochen über ein Comeback der Wehrpflicht debattiert. Kroatien hat bereits Fakten geschaffen. Ab Januar kommt die Wehrpflicht in dem NATO-Mitgliedsland zurück.
Von David Freches, ARD-Studio Wien
Die Sicherheitslage habe sich verändert – das ist, auf einen Satz heruntergebrochen, das Argument, mit dem Kroatiens Verteidigungsminister Ivan Anusic von der nationalkonservativen Regierungspartei HDZ die Rückkehr zur Wehrpflicht begründet.
„Die geopolitischen Herausforderungen sind groß, und sie dauern schon lange an. Der Standpunkt der EU und der NATO sowie der kroatischen Regierung ist, dass die Modernisierung und die Vorbereitung der kroatischen Armee auf eventuelle Bedrohungen sofort beginnen muss“, so Anusic.
Sicherheit, Thema Nummer eins
Die HDZ unterstützt die Ukraine – und der russische Krieg gegen sie ist auch der Hintergrund für das Comeback der Wehrpflicht in Kroatien; auch wenn Anusic das nicht namentlich erwähnt.
Ab Januar geht es los. Männer bis 29 Jahre sind dann verpflichtet, eine zweimonatige Grundausbildung zu absolvieren, abhängig von einer ärztlichen Tauglichkeitsprüfung.
Im Jahr 2008 habe man die Wehrpflicht abgeschafft und seitdem hätten 300.000 junge Männer gar keine militärische Ausbildung gehabt, erklärt der Minister. „Zurzeit kann man bei eventueller Bedrohung des Landes mit ihnen in keiner Weise rechnen. Die Sicherheit ist inzwischen in Europa und in der Welt generell zum Thema Nr. 1 geworden.“ So auch für Kroatien. Und die Bedrohung können in der derzeitigen Weltlage von allen Seiten kommen.
Für Frauen freiwillig
Verweigern ist Kroatien möglich, etwa aus Glaubens- und Gewissensgründen. Wer sich darauf beruft, muss stattdessen Zivildienst machen. Frauen steht der Wehrdienst freiwillig offen. Priester, Mönche und Männer, mit doppelter Staatsbürgerschaft, die in einem anderen Land einer Wehrpflicht nachkommen, sind generell ausgenommen.
Beschlossen wurde der Schritt Ende Oktober im Parlament in Zagreb, mit großer Mehrheit. Auch die Sozialdemokraten, die größte Oppositionspartei, waren dafür. Der Abgeordnete Arsen Bauk sagt, man habe auf Basis der Zahl der Soldaten und strategischer Dokumente eine Analyse vorgenommen mit dem Ergebnis, „dass eine militärische Grundausbildung notwendig ist“. Deshalb unterstütze seine Partei die Wiedereinführung.
Vorwurf des Populismus
Trotz des großen Konsenses gibt es auch Kritik an der neuerlichen Wehrpflicht. Sie kommt unter anderem von Sandra Bencic vom links-grünen Parteienbündis. Bencic setzt sich dafür ein, den freiwilligen Wehrdienst attraktiver zu machen, um auf dieser Basis eine professionelle Armee aufzubauen.
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht hält sie für einen „simplen populistischen Zug“, mit dem die Regierung nur den Eindruck erwecken wolle, dass sie etwas tue – tatsächlich habe der Beschluss „nichts mit der Stärkung der nationalen Sicherheit oder der Verteidigung der Republik Kroatien zu tun“. Allerdings konnte diese Kritik die Rückkehr zu Wehrpflicht nicht verhindern.
Während der militärischen Ausbildung bekommen die Rekruten 1.100 Euro netto im Monat. Sie sollen später auch bei der Anstellung im staatlichen Dienst bevorzugt werden.
Wer sich vor der Wehrpflicht drückt, muss mit Geldstrafen rechnen. Medienberichten zufolge hofft Kroatiens Armee, jährlich 4.000 Rekruten ausbilden zu können.








