Debatte über Sexkaufverbot Freier bestrafen, Prostituierte schützen – klappt das?
Stand: 16.11.2025 05:00 Uhr
Gesundheitsministerin Warken hat sich für ein Sexkaufverbot ausgesprochen, Aktivistinnen kämpfen schon lange für das sogenannte Nordische Modell. Können Prostituierte dadurch geschützt werden, dass man ihre Freier bestraft?
Prostitution ist ein gefährlicher Beruf. Das zeigt sich schon an den Sicherheitsvorkehrungen, die offenbar notwendig sind in einem Bordell: Kameras auf den Gängen; Alarmknöpfe in den Zimmern; ein Sicherheitsdienst, der notfalls eingreifen kann. Denn auch hier, in einem Nobel-Etablissement im Freiburger „Ökoviertel“ Vauban, gebe es Freier, die die Frauen „respektlos“ behandeln, wie Denisa sagt; die sich also aggressiv verhalten.
Denisa heißt eigentlich anders. Sie arbeitet als Prostituierte in dem Bordell. „Hier fühle ich mich sicher“, sagt sie mit Blick auf die dortigen Sicherheitsmaßnahmen: „Wenn man selbstständig arbeitet, in einem Hotel oder so, da kann natürlich alles passieren.“
„Angst, dass mich jemand schlägt“
Denisa kommt aus Rumänien. Sie hat schon in verschiedenen Ländern in Europa als Prostituierte gearbeitet, spricht neben Rumänisch und gebrochenem Deutsch auch Englisch, Spanisch, Italienisch und Französisch. Inzwischen arbeite sie nur noch in Deutschland, sagt sie. In anderen Ländern habe sie schlechte Erfahrungen gemacht.
Zum Beispiel in Frankreich: Dort habe sie ständig Angst haben müssen, „dass mich jemand schlägt, mir mein Geld wegnimmt“. Denisa macht das seit 2016 in Frankreich geltende Sexkaufverbot dafür verantwortlich: Weil Prostitution dadurch praktisch illegal sei, würden manche Kunden keine Grenzen mehr respektieren: „Die machen Stress.“ Bei neuen Kunden habe sie immer Angst gehabt: „Ich war nie sicher, wer vor der Tür steht.“
Verbot soll Freier bestrafen und Prostituierte schützen
Dabei richtet sich das französische Sexkaufverbot eigentlich gegen die Freier: Diejenigen, die sexuelle Dienstleistungen kaufen, machen sich strafbar. Diejenigen, die die Dienstleistungen anbieten, sollen hingegen geschützt werden. Das französische Gesetz orientiert sich an dem sogenannten „Nordischen Modell“, das zuerst in Schweden eingeführt wurde und inzwischen in ähnlicher Form auch in Norwegen, Island, Irland, Nordirland und eben Frankreich gilt.
Auch in Deutschland machen sich Aktivistinnen und Aktivisten für die Einführung des Nordischen Modells stark. Sie bekamen jüngst Rückendeckung aus der Politik, als zunächst Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) den Status quo mit drastischen Worten kritisierte: Deutschland sei „der Puff Europas“. Kurz darauf sprach sich Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (ebenfalls CDU) für die Einführung des Nordischen Modells auch in Deutschland aus.
Bundesverband kämpft für Nordisches Modell
Simone Kleinert engagiert sich im Bundesverband Nordisches Modell, zu dem sich verschiedene Vereine und Beratungsstellen zusammengeschlossen haben. Sie ist der Ansicht, dass die Einführung des Nordischen Modells die Nachfrage nach Prostitution eindämmen würde: „Wenn die Freier wegbleiben, gibt es auch kein Geld mehr für die Zuhälter.“ Die müssten sich dann andere Beschäftigungsfelder suchen, statt von Prostitution zu profitieren. Ein Zuhälter ist nach Ansicht von Kleinert auch jemand, der ein Bordell oder sonstige Räume für Prostitution zur Verfügung stellt.
Wie sie es mit dem Nordischen Modell halten, ist für Aktivistinnen und Sozialarbeiterinnen im Bereich Prostitution zu einer Gretchenfrage geworden. In der Beratungsstelle „P.I.N.K.“ halten sie nichts von einem Sexkaufverbot: „Es würde die Situation für Personen, die in der Sexarbeit tätig sind, verschlechtern“, sagt Edda Grieshaber. Sie berät bei „P.I.N.K.“, getragen vom Diakonischen Werk, Sexarbeiterinnen in Freiburg, klärt sie über ihre Rechte auf und hilft ihnen beim Ausstieg aus dem Beruf – wenn sie das wollen.
Edda Grieshaber berät Sexarbeiterinnen in Freiburg.
Wohnung oder Straße statt Bordell
Grieshaber glaubt nicht, dass das Nordische Modell dabei helfen würden, kriminelle Strukturen rund um die Prostitution wirksam einzudämmen. Im Gegenteil: „Die Dienstleistung müsste dann im Verborgenen stattfinden“, sagt sie: „Weil natürlich die Sexarbeitenden nicht möchten, dass ihre Kundschaft mit Folgen rechnen muss.“ Das führe zu erhöhten Risiken, denn in Privatwohnungen, im Auto oder in einer dunklen Straßenecke gebe es keinen Alarmknopf, keinen Sicherheitsdienst und oft nicht einmal Kolleginnen, die im Notfall zur Hilfe eilen könnten. „Die Sexarbeit verschwindet nicht“, sagt Grieshaber: „Sie verlagert sich nur an Orte, die gefährlicher sind.“
Das sehe man auch im benachbarten Frankreich. Freiburg trennen nur wenige Kilometer von der französischen Grenze. Kehl, wo „P.I.N.K.“ ebenfalls eine Beratungsstelle hat, ist sogar direkt an die französische Großstadt Straßburg angebunden, eine Brücke über den Rhein verbindet die beiden Städte. Grieshaber und ihre Kehler Kollegin Aline Goetz sprechen auch in Straßburg mit Sexarbeiterinnen, haben im Blick, wie sich die Situation dort nach der Einführung des Nordischen Modells entwickelt hat: „Es gibt dort genauso Sexarbeit, es gibt genauso den Straßenstrich, und es gibt genauso viel Kundschaft wie davor auch“, sagen sie: „Aber es ist jetzt noch gefährlicher für die Sexarbeitenden.“
Verbesserung oder Verschlechterung?
Simone Kleinert vom Bundesverband Nordisches Modell gesteht ein, dass das Nordische Modell die Situation in Frankreich „zumindest vielerorts“ bislang nicht verbessert habe. Für sie ist es aber neben der „konsequenten Durchsetzung“ durch Polizei und Behörden auch eine Frage der Zeit: „Es braucht etwa eine Generation, bis sich auch die Einstellung ändert.“ Natürlich könne man Prostitution nicht komplett abschaffen, doch Kleinert ist überzeugt, dass ein Sexkaufverbot langfristig Wirkung zeigen würde. Dass Deutschland diesen Schritt bislang noch nicht gegangen sei, hält sie für „Staatsversagen“, denn Schätzungen zufolge würden 80 bis 90 Prozent der Betroffenen zur Prostitution gezwungen.
Diese oft zitierten Schätzungen kennt auch Edda Grieshaber von der Beratungsstelle „P.I.N.K.“, aber: „Ich kenne für diese Zahlen keine wissenschaftliche Quelle.“ Auch Grieshaber weiß um kriminelle Strukturen im Bereich der Prostitution, doch sie ist der Überzeugung, dass vor allem „wirtschaftliche Zwänge“ eine Rolle spielen. Was „freiwillig“ geschehe und was welchen Zwängen geschuldet ist, sei von außen oft schwer zu beurteilen, die Übergänge oft fließend.
Auch wirtschaftliche Nöte sind Zwänge
Grundsätzlich beobachte sie, dass viele Sexarbeiterinnen in der Prostitution die einzige Möglichkeit sähen, in relativ kurzer Zeit für sich und ihre Familien ein Einkommen zu generieren, von dem sie leben können: „Es ist ein Armutsproblem.“ Solange es so sei, dass in der Europäischen Union die Lebensverhältnisse so unterschiedlich seien, würden Menschen aus Ländern wie Rumänien in reichere Länder wie Deutschland kommen, um diesem Beruf nachzugehen.
So wie Denisa, die vor acht Jahren das erste Mal nach Deutschland kam, um in der Prostitution zu arbeiten. Heute ist sie 32 Jahre alt, konnte sich in ihrem Heimatland Rumänien durch das in der Sexarbeit verdiente Geld inzwischen eine eigene Wohnung leisten. Trotzdem will sie noch ein paar Jahre weiterarbeiten: „Ich muss Geld sparen“, sagt sie, „um später ein normales Leben zu haben.“










