Ein Klischee besagt, dass die fußballinteressierte Öffentlichkeit nur dann nach Wolfsburg schaut, wenn der Brasilianer Grafite per Hacke die Bayern düpiert, Felix Magath eine Meisterschale in die Höhe stemmt. Oder mal wieder ein prominenter Trainer wegen Erfolglosigkeit entlassen wird. Das ist zwar gemein, aber an jedem Klischee haften ja wenigstens Spurenelemente Wahrheit. Beim VfL Wolfsburg jedenfalls haben sie hierfür ein gewisses Problembewusstsein entwickelt, sie wissen: Niemand schaut hin, wenn ein Klub für erfolglosen Fußball und für gelebte Graumäusigkeit steht.
Mit Blick auf diese zuletzt wenig zufriedenstellende Gesamtlage könnte den Wolfsburgern nun allerdings ein kleiner Transfercoup gelungen sein: Am Mittwoch wurde die Verpflichtung des Dänen Christian Eriksen, 33, verkündet, eines Mittelfeldmanns mit Rang und Namen sowie einer weltbekannten Vorgeschichte. Und auch wenn der zuletzt ohne Verein gewesen war – nach Vertragsende bei ManUnited zum Ende der vergangenen Saison hatte er sich in Malmö fit gehalten – könnte Eriksen nicht nur feine Pässchen, sondern auch ein bisschen Farbe in den Mittellandkanal bringen.

Rückkehr von Manuel Neuer ins DFB-Team?
Rückkehr von Manuel Neuer ins DFB-Team?
:Also, wenn einer fragen würde …
Offiziell ist Manuel Neuer aus dem DFB-Team zurückgetreten, offiziell ist er aber auch beschwerdefrei und in sehr guter Form. Sein Berater sendet einen vielsagenden Satz in Richtung Bundestrainer, Uli Hoeneß bezieht sofort Stellung.
Auf der Wolfsburger Klubhomepage wurde der Zugang jedenfalls schon mal ganz unbescheiden als „Spielmacher mit internationalem Format“ angekündigt, aufgrund des Formatierungsstils sogar in Großbuchstaben. Und der VfL-Sportchef Peter Christiansen, ein eher grimmiger Typ ohne Öffentlichkeitsdrang, geriet für seine Verhältnisse geradezu ins Schwärmen. In Eriksen, so Christiansen im Kommuniqué, habe man einen Spieler bekommen, der „auf höchstem Niveau alles gesehen und erlebt“ habe. Zudem würden seine „enorme Erfahrung“, seine „spielerische Klasse“ und seine „Persönlichkeit“ insbesondere jungen Akteuren „wertvolle Impulse geben“.
Dass Christiansen ebenfalls Däne ist, muss man in diesem Zusammenhang nicht für Zufall halten; in Joakim Maehle, Jesper Lindström, Andreas Skov Olsen, Adam Daghim und Jonas Wind gehören aktuell fünf weitere Landsmänner dem Wolfsburger Profikader an. Interessanterweise soll sich Christiansen im Werben um Eriksen jüngst gegen einen anderen Dänen durchgesetzt haben: Kasper Hjulmand, der neue Coach von Bayer Leverkusen, hatte angeblich ebenfalls Kontakt aufgenommen, den Zuschlag erhielt allerdings der Werksklub aus der Autostadt.
„Ich bin überzeugt, dass wir in Wolfsburg gemeinsam etwas bewegen können“, wird Eriksen in der Vereinsmitteilung zitiert; auch „bekannte Gesichter“ aus dem dänischen Nationalteam hätten bei seiner Entscheidung eine Rolle gespielt. Wobei die bekannten Gesichter nun eines der bekanntesten Gesichter des Landes antreffen werden: Mit 144 Länderspielen (46 Tore) ist Eriksen Dänemarks Rekordnationalspieler. Zudem hat er 300 Spiele in der englischen Premier League absolviert, die meisten davon für Tottenham Hotspur, und mit Inter Mailand den italienischen Meistertitel gewonnen.
Nach seinem Herzstillstand konnte sich Eriksen erneut als hochklassiger Fußballer profilieren
Während seiner Zeit bei Inter ereigneten sich auch jene Szenen, die jeder vor Augen hat, wenn er nicht gerade an Eriksens Freistoßkünste denkt: Bei der EM im Sommer 2021 erlitt der Mittelfeldmann einen Herzstillstand, die Bilder seines regungslosen Körpers gingen um die Welt. „Ich war weit weg“, erzählte Eriksen mal über diese „Minuten, in denen ich quasi im Himmel war“. Ihm wurde daraufhin ein Defibrillator eingesetzt, in Italien war er damit nicht mehr spielberechtigt. In England dagegen schon. Dort konnte er sich in Brentford und Manchester erneut als der Spielmacher von internationalem Format profilieren, von dem auf der Wolfsburger Homepage zu lesen ist.
Welche Position Eriksen bei der Werkself bekleiden soll, wie es um seine Fitness steht, das sind alles Fragen, die erst mit fortschreitender Saison beantwortet werden können. Im zentralen Mittelfeld sind die Wolfsburger jedenfalls ordentlich besetzt, unter anderem mit dem Kapitän Maximilian Arnold, Zugang Vini Souza sowie dem nach Verletzung genesenen Kroaten Lovro Majer. Ein wenig Fußballfinesse und Promifaktor können am Mittellandkanal dennoch kaum schaden. Denn der VfL hat unter dem neuen Trainer Paul Simonis zwar einen sauberen Saisonstart hingelegt, mit vier Punkten aus zwei Spielen. So recht hat die fußballinteressierte Öffentlichkeit aber bisher nicht Richtung Wolfsburg geschaut.