Mit Drohnen stundenlang Flugverkehr lahmlegen – das ist billig, effektiv und hybride Kriegsführung. Sicherheitsexperte Sönke Marahrens erklärt, was die Abwehr solcher Attacken so schwierig macht und wie deutsche Flughäfen sich wappnen müssten.
ntv.de: Herr Marahrens, die Drohnen über dem Flughafen Kopenhagen sollen über Stunden in der Luft gewesen sein. Spricht das für einen größeren Typ als ein Hobby-Gerät aus dem Elektromarkt?
Sönke Marahrens: Nicht unbedingt. Handelsübliche Drohnen können tatsächlich nicht so lange in der Luft bleiben, aber denkbar ist auch, dass man mit mehr Drohnen arbeitet, als jeweils zu sehen ist. Alle halbe Stunde steigt etwa ein neuer Flugkörper auf. Oder die Drohne landet kurz, man bringt einen neuen Akku an und lässt sie wieder aufsteigen. In Deutschland dürfen Sie Drohnen bis 249 Gramm Gewicht kaufen und ohne weiteres in den Himmel steigen lassen. Eine Kamera-Drohne müssen Sie anmelden, und viele können ohne weiteres 2,5 Kilogramm Gewicht tragen. Wenn Sie statt einer Kamera einfach zwei Ersatz-Akkus an der Drohne anbringen, ist sie deutlich länger flugfähig. Da ist vieles machbar.
Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen sprach mit Blick auf den Drohnen-Vorfall recht schnell von einem Angriff. Gibt es für solch eine Einschätzung sichere Hinweise?
Unabhängig von den Ermittlungen kann man grundsätzlich sagen: Eine GPS-gesteuerte Drohne, die im Handel zu erwerben ist, lässt sich gar nicht in den Luftraum über einem Flughafen steuern. Solch ein Gerät überprüft, sobald es eingeschaltet ist, ob es das eingegebene Ziel ansteuern darf oder der Luftraum dort gesperrt ist. Diese Funktion hat eine kommerzielle Drohne integriert, und die muss bewusst überbrückt werden, um das Gerät zum Beispiel über ein Flugfeld (oder einen Truppenübungsplatz?) zu steuern. Ein Versehen ist also von vornherein auszuschließen.

Sönke Marahrens ist Senior Fellow am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel. In seiner Laubahn als Offizier der Bundeswehr diente er unter anderem als NATO-Luftverteidigungsoffizier der deutschen Luftwaffe
(Foto: Brand Photo Oy)
Lässt sich grob einschätzen, wie weit die steuernde Person vom Flugkörper entfernt gestanden haben kann?
Wenn die Drohne programmiert war – “Du fliegst über dem Flughafengelände jetzt zwei Stunden Zickzack” -, dann erledigte sie das anschließend autonom und der Pilot konnte verschwinden. Benötigte er hingegen eine Funkverbindung um zu steuern, dann müsste er im Umkreis von fünf bis acht Kilometern etwa gestanden haben. Abhängig von der Leistung des Handsenders.
Die Drohnen über Kopenhagen und Oslo haben stundenlang den Flugverkehr lahmgelegt und die Infrastruktur als verwundbar gezeigt. Wie könnte man sich besser schützen?
Wie gehen wir mit Bedrohungen dieser Art künftig um? Das ist die große Frage. Zur Abwehr bräuchte ein Flughafen drei Antennen, die Drohnenfrequenzen empfangen können, sie triangulieren und somit die Position herausfinden. Ähnlich wie früher Funkautos der Post herumgefahren sind auf der Jagd nach Schwarzfunkern. Die haben an drei, vier Stellen gemessen und konnten dann auf der Karte feststellen, wo der versteckte Sender steht. Ein Flughafen bräuchte jemanden, der das tun kann und auch tun darf.
Also weniger ein technisches Problem als eines von Befugnissen?
Auf Flughafengelände kann der Werkschutz operieren. Außerhalb dieses Geländes darf das nur die Polizei oder die verantwortliche Behörde für Telekommunikation. Die müssen dann allerdings auch die erforderlichen Fähigkeiten zur Verfügung haben. Wenn wir überlegen, was es den Kopenhagener Flughafen gekostet haben wird, dass über Stunden der Betrieb ausfiel, dann könnte diese Technik eine nützliche Investition sein. Gesetzlich vorgeschrieben ist sie in Deutschland aber nicht.
Laut Aussage der dänischen Polizei haben die Drohnen immer wieder Licht an- und ausgeschaltet. Was kann es damit auf sich haben?
Diese Drohnen sollten gesehen werden. Das Ziel ist Aufmerksamkeitsverschiebung. Störungen beim Fliegen beschränken uns in unserer Freiheit. Diese Attacken passen für mich perfekt in das Bild, das man schon von den Drohnen über Polen, den Jets über estnischem Hoheitsgebiet und den Cyberattacken auf die Logistikfirma am Wochenende bekommen haben. Je näher die Bedrohung an uns heranrückt, umso weniger schauen wir in die Ukraine. Und dann fragen wir uns: Müssen wir unsere eigenen Ressourcen anders priorisieren? Brauchen wir bestimmte Fähigkeiten, die wir eigentlich liefern wollten, jetzt doch erstmal zuhause? Das sind wichtige, zu berücksichtigende psychologische Nebeneffekte solcher Attacken, die gewollt sind.
Gibt es bei einer Drohnenattacke dieser Art, wo nicht mal die Geräte übriggeblieben sind, überhaupt eine reelle Chance, die Drahtzieher zu ermitteln?
Geheimdienste machen mit Blick auf gegnerische Anschläge inzwischen – grob unterteilt – vier Tätergruppen aus. Das können – erstens – Leute mit eigenem politischen Interesse sein. Jemand, der einen Flug von Kopenhagen nach Tel Aviv stört, weil er damit gegen den Gazakrieg protestieren will. Zweitens: Die sogenannten „Wegwerf-Agenten“. Die sind als erstes vor etwa drei Jahren im Baltikum aufgetaucht. Ein russischer Agentenführer hat dort zum Beispiel für ein paar Euro via Internet einen Studenten für einen Anschlag angeheuert. Vieles in dem Bereich läuft über das Darknet. Denjenigen, die eine Attacke letztlich ausführen, ist oft gar nicht klar, dass sie gerade für einen Geheimdienst arbeiten.
Typ 3?
Das wären dann Zellen. Zum Beispiel in Leipzig, wo ein Paket mit einem Brandsatz in einer DHL-Maschine explodieren sollte: Für diesen Anschlag war eine russische Agentenzelle um einen Agenten vom russischen Geheimdienst verantwortlich. Als letzte Gruppe gibt es die Schläfer. Diese Methode wirkt wie aus einem schlechten Kinofilm geklaut. Leute, ganze Familien, werden irgendwo platziert, führen nach außen ein normales Leben, dienen sich in der Firma hoch und warten jahrelang auf den Einsatzbefehl. Einen Schläfer verbrennt man natürlich nicht für eine Operation, wo eine Handvoll Drohnen über einem Flugplatz kreisen.
Eine simple Operation mit großer Wirkung, das Preis-Leistungs-Verhältnis ist sehr gut. Müssen wir damit rechnen, dass diese Methode um sich greift?
Auf solche Attacken wie die Drohnen oder die Einflüge russischer Flugzeuge kann man ganz unterschiedlich reagieren. Das lesen Sie gerade in den sozialen Medien, die einen fordern: „Wir müssen mal ein russisches Kampfflugzeug abschießen, damit das aufhört“, sagen die einen. „Wegen eines Kampfflugzeuges dürfen wir nicht den Dritten Weltkrieg riskieren“, sagen die anderen. Diese Debatte verunsichert die Leute und polarisiert sie, und dieser Effekt lässt sich mit weiteren Anschlägen weiter steigern. Mit dem Ziel, Vertrauen zu zerstören in den Staat und seine Institutionen. Wozu Steuern zahlen, wenn mich der Staat nicht schützen kann?
Sehen wir hier ein Versagen der Geheimdienste? Müssten diese in der Lage sein, solche Attacken zu verhindern?
Eine Drohne im elektromagnetischen Spektrum aufzuklären, also zu entdecken, das ist eigentlich machbar. Die Geräte fliegen immer auf ausgewählten Frequenzen, die man überwachen kann und dann sieht, was unterwegs ist.
Die Ukrainer arbeiten landesweit auch mit Sensoren.
Das ist ein effektives Ortungssystem, das den hohen Ton, den die Rotoren der Drohnen erzeugen, auffangen kann und triangulieren, wo er herkommt. Diese Sensoren hat ein Professor entwickelt entwickelt und dann dem Innenministerium vorgelegt. Sie sind enorm billig und hängen in der Ukraine quasi an jedem Kirch- und Funkturm. Dank dieser Technik sehen wir am nächsten Morgen die Flugrouten all dieser russischen Drohnen im Internet. Falls eine Drohne ferngesteuert ist, kann man sie manchmal auch übernehmen. Dafür müssen Sie ein Signal senden, dass stärker ist als jenes des Drohnenpiloten, und dieses also überdeckt und das Gerät zur Landung zwingen kann.
Damit kommen wir von der Ortung zur Abwehr.
Übernahme der Steuerung ist also eine Möglichkeit. Eine weitere: Durch einen elektromagnetischen Puls können Sie den Chip in der Drohne überladen, wie bei einem Stromschlag. Der schädigt das Gerät so stark, dass es herunterfällt. Bei 2,5 Kilo Gewicht muss man aber sicher sein, dass die Drohne niemanden treffen kann. Dieses Risiko lässt sich aber kaum ausschließen, allenfalls minimieren. Es gab sogar mal die Idee, Adler als Abfangjäger gegen Drohnen auszurichten. Bei größeren Drohnen sind die Vögel jedoch von den Rotoren wie mit einem Quirl verletzt worden, das hat nicht funktioniert. Aus dem Ukrainekrieg lernen wir, dass die Innovationszyklen bei Drohnen derzeit oft unter vier Wochen liegen. Wenn die eine Seite etwas Neues erfunden hat, braucht der Gegner nur kurze Zeit, um darauf zu reagieren. Auf dem Gebiet mangelt es uns auch an Erfahrung.
Rechnen Sie damit, dass in absehbarer Zeit festgestellt wird, ob die Drohnen über den Flughäfen in Kopenhagen und Oslo russisch gesteuert waren?
Wenn Russland möchte, dass wir das wissen, dann ja. Dann wird man uns das in irgendeiner Form zeigen. Ansonsten dreht sich hier für mein Empfinden ein Kreis und alles kommt wieder: Gerade passiert viel in der Luft, zuvor waren es Unterseekabel, zwischendurch auch Zugstrecken …
… verschmutztes Trinkwasser auf Schiffen der Marine …
Eine Methode, die schon einmal probiert wurde und gut funktioniert hat, kommt irgendwann wieder, nochmals verfeinert. Insofern müssen wir uns wohl darauf einstellen, dass Anschläge solcher Art öfters passieren werden und dafür eine entsprechende Resilienz entwickeln. Wir leben im besten Europa aller Zeiten, da sollten wir uns bemühen, dies auch bewahren.
Mit Sönke Marahrens sprach Frauke Niemeyer
Mit Drohnen stundenlang Flugverkehr lahmlegen – das ist billig, effektiv und hybride Kriegsführung. Sicherheitsexperte Sönke Marahrens erklärt, was die Abwehr solcher Attacken so schwierig macht und wie deutsche Flughäfen sich wappnen müssten.
ntv.de: Herr Marahrens, die Drohnen über dem Flughafen Kopenhagen sollen über Stunden in der Luft gewesen sein. Spricht das für einen größeren Typ als ein Hobby-Gerät aus dem Elektromarkt?
Sönke Marahrens: Nicht unbedingt. Handelsübliche Drohnen können tatsächlich nicht so lange in der Luft bleiben, aber denkbar ist auch, dass man mit mehr Drohnen arbeitet, als jeweils zu sehen ist. Alle halbe Stunde steigt etwa ein neuer Flugkörper auf. Oder die Drohne landet kurz, man bringt einen neuen Akku an und lässt sie wieder aufsteigen. In Deutschland dürfen Sie Drohnen bis 249 Gramm Gewicht kaufen und ohne weiteres in den Himmel steigen lassen. Eine Kamera-Drohne müssen Sie anmelden, und viele können ohne weiteres 2,5 Kilogramm Gewicht tragen. Wenn Sie statt einer Kamera einfach zwei Ersatz-Akkus an der Drohne anbringen, ist sie deutlich länger flugfähig. Da ist vieles machbar.
Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen sprach mit Blick auf den Drohnen-Vorfall recht schnell von einem Angriff. Gibt es für solch eine Einschätzung sichere Hinweise?
Unabhängig von den Ermittlungen kann man grundsätzlich sagen: Eine GPS-gesteuerte Drohne, die im Handel zu erwerben ist, lässt sich gar nicht in den Luftraum über einem Flughafen steuern. Solch ein Gerät überprüft, sobald es eingeschaltet ist, ob es das eingegebene Ziel ansteuern darf oder der Luftraum dort gesperrt ist. Diese Funktion hat eine kommerzielle Drohne integriert, und die muss bewusst überbrückt werden, um das Gerät zum Beispiel über ein Flugfeld (oder einen Truppenübungsplatz?) zu steuern. Ein Versehen ist also von vornherein auszuschließen.

Sönke Marahrens ist Senior Fellow am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel. In seiner Laubahn als Offizier der Bundeswehr diente er unter anderem als NATO-Luftverteidigungsoffizier der deutschen Luftwaffe
(Foto: Brand Photo Oy)
Lässt sich grob einschätzen, wie weit die steuernde Person vom Flugkörper entfernt gestanden haben kann?
Wenn die Drohne programmiert war – “Du fliegst über dem Flughafengelände jetzt zwei Stunden Zickzack” -, dann erledigte sie das anschließend autonom und der Pilot konnte verschwinden. Benötigte er hingegen eine Funkverbindung um zu steuern, dann müsste er im Umkreis von fünf bis acht Kilometern etwa gestanden haben. Abhängig von der Leistung des Handsenders.
Die Drohnen über Kopenhagen und Oslo haben stundenlang den Flugverkehr lahmgelegt und die Infrastruktur als verwundbar gezeigt. Wie könnte man sich besser schützen?
Wie gehen wir mit Bedrohungen dieser Art künftig um? Das ist die große Frage. Zur Abwehr bräuchte ein Flughafen drei Antennen, die Drohnenfrequenzen empfangen können, sie triangulieren und somit die Position herausfinden. Ähnlich wie früher Funkautos der Post herumgefahren sind auf der Jagd nach Schwarzfunkern. Die haben an drei, vier Stellen gemessen und konnten dann auf der Karte feststellen, wo der versteckte Sender steht. Ein Flughafen bräuchte jemanden, der das tun kann und auch tun darf.
Also weniger ein technisches Problem als eines von Befugnissen?
Auf Flughafengelände kann der Werkschutz operieren. Außerhalb dieses Geländes darf das nur die Polizei oder die verantwortliche Behörde für Telekommunikation. Die müssen dann allerdings auch die erforderlichen Fähigkeiten zur Verfügung haben. Wenn wir überlegen, was es den Kopenhagener Flughafen gekostet haben wird, dass über Stunden der Betrieb ausfiel, dann könnte diese Technik eine nützliche Investition sein. Gesetzlich vorgeschrieben ist sie in Deutschland aber nicht.
Laut Aussage der dänischen Polizei haben die Drohnen immer wieder Licht an- und ausgeschaltet. Was kann es damit auf sich haben?
Diese Drohnen sollten gesehen werden. Das Ziel ist Aufmerksamkeitsverschiebung. Störungen beim Fliegen beschränken uns in unserer Freiheit. Diese Attacken passen für mich perfekt in das Bild, das man schon von den Drohnen über Polen, den Jets über estnischem Hoheitsgebiet und den Cyberattacken auf die Logistikfirma am Wochenende bekommen haben. Je näher die Bedrohung an uns heranrückt, umso weniger schauen wir in die Ukraine. Und dann fragen wir uns: Müssen wir unsere eigenen Ressourcen anders priorisieren? Brauchen wir bestimmte Fähigkeiten, die wir eigentlich liefern wollten, jetzt doch erstmal zuhause? Das sind wichtige, zu berücksichtigende psychologische Nebeneffekte solcher Attacken, die gewollt sind.
Gibt es bei einer Drohnenattacke dieser Art, wo nicht mal die Geräte übriggeblieben sind, überhaupt eine reelle Chance, die Drahtzieher zu ermitteln?
Geheimdienste machen mit Blick auf gegnerische Anschläge inzwischen – grob unterteilt – vier Tätergruppen aus. Das können – erstens – Leute mit eigenem politischen Interesse sein. Jemand, der einen Flug von Kopenhagen nach Tel Aviv stört, weil er damit gegen den Gazakrieg protestieren will. Zweitens: Die sogenannten „Wegwerf-Agenten“. Die sind als erstes vor etwa drei Jahren im Baltikum aufgetaucht. Ein russischer Agentenführer hat dort zum Beispiel für ein paar Euro via Internet einen Studenten für einen Anschlag angeheuert. Vieles in dem Bereich läuft über das Darknet. Denjenigen, die eine Attacke letztlich ausführen, ist oft gar nicht klar, dass sie gerade für einen Geheimdienst arbeiten.
Typ 3?
Das wären dann Zellen. Zum Beispiel in Leipzig, wo ein Paket mit einem Brandsatz in einer DHL-Maschine explodieren sollte: Für diesen Anschlag war eine russische Agentenzelle um einen Agenten vom russischen Geheimdienst verantwortlich. Als letzte Gruppe gibt es die Schläfer. Diese Methode wirkt wie aus einem schlechten Kinofilm geklaut. Leute, ganze Familien, werden irgendwo platziert, führen nach außen ein normales Leben, dienen sich in der Firma hoch und warten jahrelang auf den Einsatzbefehl. Einen Schläfer verbrennt man natürlich nicht für eine Operation, wo eine Handvoll Drohnen über einem Flugplatz kreisen.
Eine simple Operation mit großer Wirkung, das Preis-Leistungs-Verhältnis ist sehr gut. Müssen wir damit rechnen, dass diese Methode um sich greift?
Auf solche Attacken wie die Drohnen oder die Einflüge russischer Flugzeuge kann man ganz unterschiedlich reagieren. Das lesen Sie gerade in den sozialen Medien, die einen fordern: „Wir müssen mal ein russisches Kampfflugzeug abschießen, damit das aufhört“, sagen die einen. „Wegen eines Kampfflugzeuges dürfen wir nicht den Dritten Weltkrieg riskieren“, sagen die anderen. Diese Debatte verunsichert die Leute und polarisiert sie, und dieser Effekt lässt sich mit weiteren Anschlägen weiter steigern. Mit dem Ziel, Vertrauen zu zerstören in den Staat und seine Institutionen. Wozu Steuern zahlen, wenn mich der Staat nicht schützen kann?
Sehen wir hier ein Versagen der Geheimdienste? Müssten diese in der Lage sein, solche Attacken zu verhindern?
Eine Drohne im elektromagnetischen Spektrum aufzuklären, also zu entdecken, das ist eigentlich machbar. Die Geräte fliegen immer auf ausgewählten Frequenzen, die man überwachen kann und dann sieht, was unterwegs ist.
Die Ukrainer arbeiten landesweit auch mit Sensoren.
Das ist ein effektives Ortungssystem, das den hohen Ton, den die Rotoren der Drohnen erzeugen, auffangen kann und triangulieren, wo er herkommt. Diese Sensoren hat ein Professor entwickelt entwickelt und dann dem Innenministerium vorgelegt. Sie sind enorm billig und hängen in der Ukraine quasi an jedem Kirch- und Funkturm. Dank dieser Technik sehen wir am nächsten Morgen die Flugrouten all dieser russischen Drohnen im Internet. Falls eine Drohne ferngesteuert ist, kann man sie manchmal auch übernehmen. Dafür müssen Sie ein Signal senden, dass stärker ist als jenes des Drohnenpiloten, und dieses also überdeckt und das Gerät zur Landung zwingen kann.
Damit kommen wir von der Ortung zur Abwehr.
Übernahme der Steuerung ist also eine Möglichkeit. Eine weitere: Durch einen elektromagnetischen Puls können Sie den Chip in der Drohne überladen, wie bei einem Stromschlag. Der schädigt das Gerät so stark, dass es herunterfällt. Bei 2,5 Kilo Gewicht muss man aber sicher sein, dass die Drohne niemanden treffen kann. Dieses Risiko lässt sich aber kaum ausschließen, allenfalls minimieren. Es gab sogar mal die Idee, Adler als Abfangjäger gegen Drohnen auszurichten. Bei größeren Drohnen sind die Vögel jedoch von den Rotoren wie mit einem Quirl verletzt worden, das hat nicht funktioniert. Aus dem Ukrainekrieg lernen wir, dass die Innovationszyklen bei Drohnen derzeit oft unter vier Wochen liegen. Wenn die eine Seite etwas Neues erfunden hat, braucht der Gegner nur kurze Zeit, um darauf zu reagieren. Auf dem Gebiet mangelt es uns auch an Erfahrung.
Rechnen Sie damit, dass in absehbarer Zeit festgestellt wird, ob die Drohnen über den Flughäfen in Kopenhagen und Oslo russisch gesteuert waren?
Wenn Russland möchte, dass wir das wissen, dann ja. Dann wird man uns das in irgendeiner Form zeigen. Ansonsten dreht sich hier für mein Empfinden ein Kreis und alles kommt wieder: Gerade passiert viel in der Luft, zuvor waren es Unterseekabel, zwischendurch auch Zugstrecken …
… verschmutztes Trinkwasser auf Schiffen der Marine …
Eine Methode, die schon einmal probiert wurde und gut funktioniert hat, kommt irgendwann wieder, nochmals verfeinert. Insofern müssen wir uns wohl darauf einstellen, dass Anschläge solcher Art öfters passieren werden und dafür eine entsprechende Resilienz entwickeln. Wir leben im besten Europa aller Zeiten, da sollten wir uns bemühen, dies auch bewahren.
Mit Sönke Marahrens sprach Frauke Niemeyer