Erforschung des Weddellmeers „Polarstern“ startet Expedition zur Antarktis
Stand: 15.12.2025 06:26 Uhr
Welche Folgen hat der Klimawandel auf das Ökosystem in der Antarktis? Das will ein internationales Forschungsteam unter deutscher Leitung herausfinden. Die Ergebnisse sollen helfen, ein Meeresschutzgebiet zu etablieren.
Das Weddellmeer, gelegen an der Nordküste der Antarktis, ist ein Hotspot der Artenvielfalt. Mit einer Fläche von 2,8 Millionen Quadratkilometern und einer Tiefe von bis zu 5.000 Metern beherbergt es einzigartige Lebensgemeinschaften. Doch der Klimawandel bedroht diesen Lebensraum.
„Wir haben eine Abnahme des Meereises, die sehen wir ganz deutlich“, erklärt Heike Link von der Universität Rostock, die die Forschungsfahrt leitet. Dieser Rückgang des Eises könnte dramatische Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem haben.
Hotspot der Artenvielfalt ist in Gefahr
Das deutsche Forschungsschiff „Polarstern“ startet heute in Namibia seine Fahrt dorthin, die bis Anfang Februar gehen wird. An Bord: 45 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus acht Nationen. „Wir wollen eine umfassende Bestandsaufnahme durchführen“, sagt Link. Mit Sonden, Fangnetzen, Eis-, Wasser- und Sediment-Proben wollen sie die Artenvielfalt der gesamten Wassersäule erfassen – vom Meeresboden und seinen Bewohnern bis zum Eis auf der Wasseroberfläche.
Das Eis auf dem Meerwasser ist besonders wichtig für den Lebensraum. In ihm leben Mikroalgen, die Nahrung vieler Meereslebewesen sind, so Meeresökologin Link: „Die sind besonderes Futter für das Zooplankton, den Krill. Wir finden Schwamm-Gemeinschaften, die diese Mikroalgen filtern, und auf den Schwamm-Gemeinschaften sitzen Schlangensterne.“ Weil die Eisbedeckung aber aufgrund des Klimawandels abnimmt, ist zu erwarten, dass sich das auf diese gesamte Nahrungskette auswirkt.
Davon könnten sogar die Lebewesen auf und im Meeresboden betroffen sein, die von den Nährstoffen leben, die durch die Wassersäule herabsinken. Diese Bodenbewohner sind ihrerseits ebenfalls Nahrung für Organismen höherer Ordnung. Und sie haben auch für das Klima eine wichtige Funktion, da sie letztlich Kohlenstoff aufnehmen und langfristig binden.
Aufbau eines „Observatoriums“ des Weddellmeers
Die jetzt gesammelten Daten sollen auch helfen ein langfristiges Erfassungssystem aufzubauen. Künftig, so die Idee, soll mithilfe von Satelliten und automatischen Messgeräten permanent die Artenvielfalt vor Ort überwacht werden. Beispielsweise mit Sonargeräten, deren Schallwellen-Reflektionen Auskunft geben über die Unterwasser-Lebewesen. Je nach Muster der Reflektion eines Körpers unter Wasser kann auf dessen Art geschlossen werden. Mit den jetzt gewonnenen Daten sollen daher Schallmuster gefunden werden, die die jeweilige Art repräsentieren.
Bedrohung durch Klimawandel und Fischerei
Die Daten der Expedition sollen auch dazu beitragen, das Weddellmeer als Schutzgebiet auszuweisen. Schon lang wird das versucht. Internationale Verhandlungen hierzu scheiterten bisher jedoch. Denn es gibt kommerzielle Interessen: Russland beispielsweise vermutet riesige Öl-Vorkommen unter dem Weddellmeer. Und es gibt dort reichhaltige Krill-Vorkommen: kleine Krebstiere, die als Nahrung für Fische und Wale dienen – aus ihnen kann aber auch Fischöl für Zuchtlachse und Viehhaltung gewonnen werden.
Mit neuen Daten zur Biodiversität und dessen Bedeutung, etwa als wichtigen Regenerationsraum für Fischpopulationen, könnten künftige Verhandlungen zugunsten eines Meeres-Schutzgebiets für das Weddellmeer ausgehen.
Vor wenigen Wochen erst sind wieder Verhandlungen hierzu gescheitert, so wie auch schon in den Jahren zuvor. Laut der Organisation ASOC, deren Direktorin Claire Christian auch bei der jetzigen „Polarstern“-Expedition teilnimmt, haben Russland und China ihr Veto gegen die Ausweisung von Meeresschutzgebieten eingelegt. Das Veto blieb unbegründet, aber vermutet wird, dass beide ihre Krill-Fischerei in den Südpolarmeeren ausweiten wollen.
Harter Job an Bord
Die Fahrt an Bord der „Polarstern“ werde keine Kreuzfahrt, so Heike Link: „Das ist harte Arbeit in der Kälte auf Deck.“ Laufend müssten die verschiedenen Probennahme-Geräte bedient und gewartet, die gewonnenen Proben begutachtet und eingelagert werden. Manchmal dann auch rund um die Uhr. „Kaffee“, so Link, „ist für mich dann ein ganz wichtiges Utensil.“
Ein Schiff wie die „Polarstern“ ist letztlich eine regelrechte Proben-Fabrik, die unter Zeitdruck wissenschaftliche Daten gewinnt. Dennoch gebe es immer wieder auch mal kurze, „wunderschöne Momente“, sagt Link, an denen man den Blick auf das frisch gefrorene Eis, das das schwarze Meerwasser bedeckt, richten kann: „Wenn dann, aufgrund von Luftfeuchtigkeit, dort Eiskristalle wachsen, dann sieht das aus wie kleine Eisblümchen auf dem Wasser. Das ist schön – und ein weiterer Antrieb für die Erforschung dieser Natur.“








