
Stand: 14.10.2025 17:28 Uhr
Die umstrittene Rentenreform hatte in Frankreich zu monatelangen Massenprotesten geführt. Nun stoppt Premier Lecornu die Reform vorerst – und geht damit einen Schritt auf die Opposition zu. Ein Weg aus der politischen Krise?
Frankreichs Regierungschef Sébastien Lecornu setzt die umstrittene Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron aus. Wie er in seiner Regierungserklärung ankündigte, werde die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre bis Januar 2028 auf Eis gelegt. „Diese Aussetzung soll das notwendige Vertrauen schaffen, um neue Lösungen zu entwickeln“, sagte Lecornu vor den Abgeordneten der Nationalversammlung in Paris.
Lecornu rief zu einer erneuten Debatte über eine Reform des Rentensystems auf. Das System müsse dabei langfristig im Gleichgewicht bleiben und dürfe das ohnehin schon hohe staatliche Defizit Frankreichs nicht erhöhen. „Die Kosten des Rentensystems belaufen sich auf 400 Millionen Euro im Jahr 2026 und 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2027. Diese Aussetzung wird letztlich 3,5 Millionen Franzosen zugutekommen.“ Sie müsse finanziell ausgeglichen werden, auch durch Einsparmaßnahmen.
Übersteht Lecornu ein Misstrauensvotum?
Mit der Ankündigung steigen die Chancen des Premiers, ein Misstrauensvotum zu überstehen, über das am Donnerstag im Parlament abgestimmt werden soll. Frankreichs Linkspartei und die nationale Rechte hatten bereits vor der Regierungserklärung zwei Misstrauensanträge gestellt und angekündigt, die Regierung auf jeden Fall stürzen zu wollen. Das rechte Rassemblement National (RN) hatte zudem gesagt, auch für den Antrag der Linkspartei zu stimmen.
Die Sozialisten hatten eine Duldung der neuen Regierung unterdessen davon abhängig gemacht, ob Lecornu ein Aussetzen der umstrittenen Rentenreform unterstützt. Dies ließen die Sozialisten 40 Minuten vor Beginn von Lecornus Rede in einer Erklärung wissen.
Macrons Reform führte zu Massenprotesten
Die im Frühjahr 2023 ohne Abstimmung durchs Parlament beschlossene Rentenreform hatte in Frankreich zu monatelangen Massenprotesten geführt. Begründet wurde das Schlüsselvorhaben von Macrons zweiter Amtszeit mit einem Loch in der Rentenkasse. Mit der Reform steigt das frühestmögliche Renteneintrittsalter in Etappen von 62 auf 64 Jahre. Inzwischen ist das Renteneintrittsalter bereits auf 62 Jahre und neun Monate angestiegen. Wer nicht lange genug eingezahlt hatte, musste aber schon bisher länger arbeiten, um Anspruch auf eine volle Rente zu haben.
Lecornu hatte in der vergangenen Woche seinen Rücktritt eingereicht, wurde von Macron jedoch erneut zum Regierungschef berufen. Seine neue Regierung ist bereits die vierte seit der Parlamentswahl im vergangenen Jahr. Die Wahl hatte keine klaren Mehrheiten in der Nationalversammlung ergeben. Rassemblement National fordert vorgezogene Parlamentswahlen, die linke Partei La France Insoumise will den Rücktritt Macrons, der inzwischen auch in seinen eigenen Reihen kritisiert wird.