
Stand: 15.10.2025 21:25 Uhr
Schon in den ersten Tagen des Waffenstillstands verstößt die Hamas gegen Teile der Vereinbarung. Israel unterstellt der Terrororganisation Kalkül – und mancher in der Regierung setzt auf einen neuen Ausbruch des Kriegs.
An großen Worten hat es am Montag in Jerusalem und Scharm el Scheich nicht gemangelt. Vom Ende des Krieges war die Rede, von einer völlig neuen Harmonie zwischen Israel und seinen Nachbarn. Noch ist die Tinte unter der Friedensvereinbarung nicht richtig getrocknet, da zeigen sich mehr als nur erste Risse.
Die Hamas hat schon am ersten Tag die Vereinbarung gebrochen und nur einen Teil der toten Geiseln nach Israel überstellt. Die Frage ist: Treibt die Terrororganisation perfide Spielchen oder kennt sie wirklich nicht alle Grabstätten?
In Israel ist man überzeugt, dass die Hamas pokert. Und das, bevor der eigentliche Knackpunkt in der Friedenvereinbarung überhaupt angegangen worden ist: Die Frage der Entwaffnung der Hamas.
Klare Forderungen aus Israel
Im US-Fernsehen bei CBS ist Israels Premier Benjamin Netanjahu mehr als deutlich: „Es geht nicht nur darum, die Geiseln freizulassen, sondern auch darum, dass wir danach beides erreichen: eine Entmilitarisierung und eine Entwaffnung.“ Zuerst müsse die Hamas ihre Waffen abgeben und dann sichergestellt werden, dass es in Gaza keine Waffenfabriken mehr gebe, so Netanjahu. „Auch keinen Waffenschmuggel nach Gaza. Das ist Entmilitarisierung.“
Doch die Hamas denkt nicht daran. Und der Politikwissenschaftler Mustafa Ibrahim aus Gaza macht im ARD-Interview deutlich, dass sich das so schnell nicht ändern dürfte. „Netanjahu und Trump haben das Ende des Krieges, Stabilität und Frieden sowie den Wiederaufbau des Gazastreifens zugesichert, ohne dass sich die Hamas an die Bedingungen hält. Auch was eine Technokraten-Regierung oder die Entsendung internationaler Streitkräfte betrifft.“ Ibrahim glaubt, nichts davon werde passieren, „wenn die Hamas darauf besteht, an der Macht zu bleiben“.
Experte sieht Hamas im Aufwind
Und danach sieht es aus. Die Terrororganisation lässt ihre Muskeln spielen. Sie zeigt sich offen in verschiedenen Gebieten des Küstenstreifens und exekutiert Mitglieder anderer Clans, die angeblich mit Israel kooperierten. Der Militärexperte Kobi Michael vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien sieht die Hamas mächtig im Aufwind. „Man muss sich nur ansehen, mit welcher Geschwindigkeit es der Hamas gelungen ist, sich zu erholen.“
Innerhalb weniger Stunden nach der Neupositionierung der israelischen Armee und ihrem Abzug aus den Gebieten, die sie vorher noch kontrollierte, sei es der Hamas gelungen, über 7.000 neue bewaffnete Männer für sich zu rekrutieren, die Kontrolle über die Straßen zu übernehmen und mit all denen abzurechnen, die es gewagt hatten, ihre Stimme zu erheben, so Michael.
Netanjahu spricht nicht von Frieden
Viele Länder, darunter auch Deutschland, hoffen, dass arabisch-muslimische Vermittlerstaaten wie Katar oder die Türkei nun ihren Einfluss geltend machen, um die Hamas zur Entwaffnung zu überreden. Kobi Michael glaubt das nicht. Für ihn ist ein anderes Szenario wahrscheinlicher.
„Die beiden Länder werden ihre neue Position nutzen, um die Interessen der Hamas zu fördern. Wir werden uns wohl viel früher als erwartet wieder in einer militärischen Auseinandersetzung mit der Hamas wiederfinden.“ Ein Szenario, das viele in Israel für wahrscheinlich halten. Während Trump mehrmals in seinen Reden vom Kriegsende sprach, hat Premier Netanjahu dieses Wort noch nicht in den Mund genommen.
Israelische Hardliner wollen neuen Krieg
Die Hardliner in seiner Regierung hoffen sogar darauf, dass der Krieg gegen die Hamas weitergeht. Der ultranationalistische Abgeordnete Zvi Sukkot räumt ein, dies sei der Grund, weshalb seine Partei Zionistisches Judentum trotz der ihm widerstrebenden Friedensvereinbarung die Regierung nicht verlassen habe.
„Wären wir aus der Regierung ausgetreten, dann hätten die Oppositionspolitiker Lapid und Gantz Netanjahu ein Sicherheitsnetz angeboten“, so Sukkot. Dann würde niemand mehr Druck ausüben, um diesen Krieg wiederaufzunehmen. „Und genau das ist es, was wir in diesen Tagen machen. Ich bin mir sicher, uns gelingt es, den Krieg gegen die Hamas wiederaufzunehmen.“