Nutzung russischen Vermögens Starmer macht Druck auf die EU
Stand: 24.10.2025 22:20 Uhr
Russisches Vermögen für die Ukraine? Großbritannien erhöht in der bisher stockenden Debatte den Druck auf die EU – und sieht einen „Schritt nach vorne“. Premier Starmer hofft auf eine schnelle Lösung.
Mehr Waffen mit großer Reichweite und die Nutzung russischer Vermögenswerte für die Verteidigung der Ukraine: Der britische Premierminister Keir Starmer will das von Russland angegriffene Land vor dem Winter in eine möglichst starke Position bringen. Beim Treffen der sogenannten Koalition der Willigen in London versuchte er, die nur schleppend vorankommenden Bemühungen zur Unterstützung Kiews in Schwung zu bringen.
Zuvor hatten sich die EU-Staaten bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel nicht auf eine Nutzung des eingefrorenen russischen Vermögens einigen können. Eine Entscheidung darüber aber soll kurz vor Weihnachten fallen, wie EU-Ratspräsident António Costa mitteilte. Aufgrund rechtlicher Bedenken des zentralen Akteurs Belgien – die Vermögenswerte sind dort eingefroren. Es bleibt daher ohnehin fraglich, ob das Vorhaben umgesetzt werden kann.
„Wir müssen uns einigen“
Starmer erhöhte in der Debatte heute den Druck auf die europäischen Staats- und Regierungschefs. „Wir müssen uns darauf einigen, die Sache mit den russischen Staatsvermögen zu Ende zu bringen und Milliarden freizusetzen, um die Verteidigung der Ukraine zu finanzieren“, sagte er. Großbritannien sei bereit, dies gemeinsam mit der EU so schnell wie möglich voranzutreiben.
Die EU-Staaten hätten diesbezüglich „einen sehr wichtigen Schritt nach vorne gemacht“, lobte Starmer zudem bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj, NATO-Generalsekretär Mark Rutte, Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und dem niederländischen Regierungschef Dick Schoof. Diese Fortschritte müssten nun „innerhalb eines kurzen Zeitrahmens Früchte tragen“, sagte er.
Starmer will Putin an Verhandlungstisch bringen
Bei der Sitzung habe man sich auf einen klaren Plan geeinigt, um die Ukraine durch einen erwarteten schweren Winter zu bringen, erläuterte Starmer. Dazu gehöre unter anderem, russisches Öl und Gas von den globalen Märkten zu verbannen, mehr Waffen mit großer Reichweite bereitzustellen und den Weg für die Nutzung russischer Vermögenswerte zur Verteidigung der Ukraine freizumachen.
Gemeinsam mit den USA müsse man „mehr denn je“ den Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin erhöhen, sagte der britische Premier nach dem Treffen im britischen Außenministerium. Nur so könne man Putin umstimmen und ihn zurück an den Verhandlungstisch bringen. Die USA hatten kürzlich erstmals unter der Regierung von US-Präsident Donald Trump neue Sanktionen gegen russische Ölfirmen verhängt. Zudem war ein angedachtes Treffen zwischen Trump und Putin in Budapest verworfen worden.
Die sogenannte Koalition der Willigen ist eine Gruppe von mehreren Staaten unter der Führung Frankreichs und Großbritanniens, die der Ukraine militärische Sicherheitsgarantien für die Zeit nach einem möglichen Waffenstillstand mit Russland geben wollen. Etwa 20 weitere Staats- und Regierungschefs waren virtuell dabei, Bundeskanzler Friedrich Merz ließ sich nach dem EU-Gipfel von Außenminister Johann Wadephul vertreten.
Ukraine mit enormen Finanzbedarf
Es waren vor allem Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die in Brüssel für die Pläne geworben hatten, in der EU festgesetztes Geld der russischen Zentralbank zu verwenden, um der Ukraine Darlehen in Höhe von bis zu 140 Milliarden Euro zu geben. Russland soll das Geld nur dann zurückbekommen, wenn es nach einem Ende des Angriffskriegs Reparationszahlungen leistet. Für den Fall, dass das eingefrorene russische Geld unerwartet wieder freigegeben werden müsste, sollen die EU-Staaten Garantien leisten.
Hintergrund ist vor allem der enorme Finanzbedarf der Ukraine. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt den Bedarf an Haushaltshilfen für das Funktionieren des Staates 2026 und 2027 auf 60 Milliarden US-Dollar (52 Milliarden Euro). Hinzukämen vermutlich mindestens 80 Milliarden Euro für Waffen und Munition für den Abwehrkampf gegen Russland – und dabei ist schon einkalkuliert, dass der Krieg möglicherweise nicht mehr volle zwei Jahre in der derzeitigen Form weitergeht.
Selenskyj fordert weitere Sanktionen
Der ukrainische Präsident drängte nach Verhängung der US-amerikanischen und britischen Sanktionen gegen die russischen Erdölriesen Rosneft und Lukoil auf eine Ausweitung der Strafmaßnahmen. „Wir müssen Druck auf alle russischen Ölunternehmen wie Surgutneftegaz und andere ausüben“, sagte Selenskyj. Strafmaßnahmen sollten zudem auch Russlands Erdölterminals und die Tanker der russischen Schattenflotte, die zur Umgehung internationaler Ölsanktionen genutzt wird, betreffen. Die Ukraine erhöhe ihrerseits bereits den Druck durch ihre Angriffe mit Drohnen und Raketen auf den russischen Energiesektor.
Gleichzeitig erneuerte Selenskyj die Bitte an die Verbündeten nach einer Lieferung weitreichender Waffen. „Weitreichende Fähigkeiten (der Ukraine) stärken die Diplomatie“, sagte er. Je mehr Verluste Russland auf seinem eigenen Staatsgebiet erleide, umso eher sei Kremlchef Wladimir Putin zu „sinnvoller Diplomatie“ bereit. Ähnliches forderte der Ukrainer bereits beim EU-Gipfel. „Diese weitreichenden Waffen gibt es nicht nur in den USA – auch einige europäische Länder verfügen über sie, darunter ‚Tomahawks‘.“
NATO-Generalsekretär Mark Rutte sagte bei der Pressekonferenz, die Angelegenheit der „Tomahawk“-Marschflugkörper werde weiterhin von US-Präsident Donald Trump geprüft. Die Entscheidung liege bei den USA. Die Tomahawks haben nach Angaben des Herstellers eine Reichweite von etwa 1.600 Kilometern. Damit könnte die Ukraine Ziele in weiten Teilen Russlands angreifen. Von den europäischen Ländern verfügt Großbritannien über „Tomahawks“.









