Stand: 20.12.2025 10:01 Uhr
Die 21-jährige Amina kämpft täglich mit Geldsorgen, statt sich voll auf ihre Ausbildung zur Erzieherin konzentrieren zu können. Wie immer mehr junge Menschen ist sie auf staatliche Unterstützung angewiesen.
Von Felizitas Eglof und Laura Cloppenburg, SWR
Mit der von der Bundesregierung beschlossenen neuen Grundsicherung fallen Karenzzeiten weg und härtere Sanktionen werden möglich. Damit soll der Druck auf Leistungsbezieher steigen. Statt auf Weiterbildung liegt der Fokus nun auf schnelle Vermittlung in Arbeit. Für junge Menschen wie die 21-jährige Amina aus Baden-Württemberg ist das ein problematisches Signal. Um ihre Ausbildung abschließen zu können, ist sie vom Staat abhängig.
Amina ist 21 Jahre alt, in einer festen Beziehung, macht eine Ausbildung zur Erzieherin – und trotzdem hat sie jeden Tag Geldsorgen. „Alle aus der Klasse holen sich Mittagessen, und dann steht man da und überlegt: Okay, gebe ich jetzt meine letzten fünf Euro auch für etwas zum Essen aus oder behalte ich sie lieber im Geldbeutel und gucke, wie ich die nächsten Wochen damit klarkommen kann“, sagt sie.
Immer mehr junge Menschen auf Unterstützung angewiesen
Wer Amina trifft, lernt eine freundliche, höfliche Frau kennen – mit einem etwas schüchternen, aber strahlenden Lächeln. Was man nicht sieht: Sie braucht finanzielle Unterstützung vom Arbeitsamt. So wie immer mehr junge Menschen in Deutschland. Trotzdem ist das für die 21-Jährige aus Waiblingen im Rems-Murr-Kreis mit viel Scham verbunden. Deshalb wird in diesem Text auch nur ihr Vorname genannt.
Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ist die Zahl der erwerbsfähigen Jugendlichen, die Bürgergeld beziehen, seit 2019 um rund neun Prozent gestiegen – in Baden-Württemberg sogar um fast ein Viertel. So waren im August 2025 insgesamt 66.700 Menschen unter 25 Jahren auf finanzielle Unterstützung angewiesen, 2019 waren es noch 53.772. Im Vergleich mit anderen Altersgruppen sei die Zahl junger Leistungsempfänger überdurchschnittlich gestiegen, so die IAB-Forschenden.
Eine harte Belastung, findet Amina: „Vor allem jetzt in meinen jungen Jahren möchte ich viel erleben, vielleicht auch reisen und dann ist es immer schwer, da auch abzusagen, kürzerzutreten, auch wenn man den Vergleich zu anderen Freunden sieht.“
„Wie soll ich den Monat überstehen? Wie komme ich über die Runden?“
Amina zog aus persönlichen Gründen mit 16 Jahren von zu Hause aus, ab da bekam sie als Unterstützung Bürgergeld, damals noch Hartz IV, nun Grundsicherung genannt. Nach ihrem Realschulabschluss wollte sie auf einem beruflichen Gymnasium ihr Abitur machen, doch dann wurde sie krank. Es folgten mehrere stationäre Aufenthalte in einer Klinik. An einen normalen Schulbesuch war nicht zu denken. Trotzdem jobbte Amina zwischen den Krankenhausaufenthalten immer wieder in verschiedenen Bereichen, von der Gastro bis zur Pflege.
Mittlerweile liegt der letzte Krankenhausaufenthalt fast ein Jahr zurück und Amina fühlt sich wieder fit. Im September hat sie daher ihre Ausbildung zur Erzieherin begonnen. Das erste Jahr der Ausbildung findet in der Schule statt. Geld verdienen wird Amina erst im zweiten Ausbildungsjahr – noch immer ist sie daher auf staatliche Unterstützung angewiesen. Das Geld reicht kaum zum Leben. „Ich frage mich oft: Wie soll ich den Monat überstehen? Wie komme ich über die Runden?“, sagt sie.
Arbeitslosengeld während Ausbildung oder Schule
Fast 60 Prozent der jungen Menschen, die Grundsicherung beziehen, machen eine Ausbildung, gehen noch zur Schule oder kümmern sich um ein eigenes Kind, wie die IAB-Studie zeigt. Sie benötigen also finanzielle Hilfe, stecken aber eigentlich mitten in der Aus- oder Weiterbildung oder müssen anderen Pflichten nachkommen. Diese Gruppe ist meistens am längsten auf Unterstützung angewiesen. Aber sie schafft dann auch am ehesten wieder den Ausstieg aus der Grundsicherung.
Eine mögliche Erklärung der Studienautoren: Das Durchlaufen von Bildungsinstitutionen führt langfristig zu mehr beruflicher Stabilität. Die Studienautoren empfehlen daher: Bei jungen Arbeitslosen sollte die berufliche Ausbildung Vorrang haben vor der schnellen Vermittlung in einen beliebigen Job.
Trotz Geldsorgen: Amina möchte anderen Mut machen
Auch wenn Amina finanzielle Sorgen hat, ist sie dankbar, nun eine Ausbildung machen zu können. Sie möchte auch anderen Mut machen, die unter Armut leiden: „Ich würde anderen Jugendlichen auf ihrem Weg mitgeben, dass sie sich auf gar keinen Fall dafür schämen sollten.“
Auch wenn sie das manchmal noch tue, gibt es laut Amina eben Lebensphasen, in denen man auf Hilfe angewiesen sei und diese auch annehmen dürfe. „Das heißt ja auch nicht, dass es das Leben lang so weitergehen wird.“ Vielleicht sei sie eines Tages „ein gutes Beispiel dafür, dass man vom Bürgergeld auch wieder wegkommen kann“, sagt die 21-Jährige, „und dass man sein Leben trotz der ganzen Hürden und Hindernisse doch irgendwie hinbekommt.“









