Analyse aus Österreich Klimaschutz kostet – wenig Klimaschutz kostet mehr
Stand: 14.11.2025 13:19 Uhr
Jeder Euro, der in der Europäischen Union in den Klimaschutz investiert wird, spart vier bis zehn Euro an Folgekosten. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse aus Österreich.
Klimaschutz kostet zu viel, sagen die einen. Klimaschutz und Klimaanpassung zahlen sich definitiv aus, sagt hingegen Sigrid Stagl. Die Ökonomin von der Wirtschaftsuniversität in Wien kommt zu dem Ergebnis: Klimapolitische Untätigkeit sei ein wachsendes Risiko – für die Wirtschaft, die Finanzpolitik, die Gesellschaft.
Mit „Untätigkeit“ meint Stagl, dass die Klimapolitik so „wie bisher“ weitergeht. „Aber das reicht nicht“, sagt sie.
Jeder Klimaschutz-Euro, den die EU-Staaten ausgeben, würde ein Vielfaches an Folgekosten für die Volkswirtschaften verhindern. Dazu zählen für Stagl, die 2024 als „Österreichs Wissenschaftlerin des Jahres“ ausgezeichnet wurde, zum Beispiel: „Hitzeschäden, Ernteverluste, Wohlbefindensverluste und auch Bruttoinlandverluste.“
Die Ökonomin hat ihre Analyse zu den Kosten von Klimaschutz und Nicht-Klimaschutz im Auftrag der Grünen im Europaparlament erstellt. Dafür hat sie mehr als 70 Quellen ausgewertet. Darunter Studien, die in Fachzeitschriften erschienen sind und peer-reviewed wurden – also von Fachkreisen überprüft.
Zu wenig Klimaschutz: BIP sinkt, Inflation steigt
Werden Klimaschutz und Klimaanpassung in der EU nicht ambitionierter, dann passiert laut Stagls Analyse unter anderem das:
- Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU sinkt – bis 2050 um minus sieben Prozent
- Die Inflation steigt – bis 2050 jedes Jahr um ein bis zwei Prozentpunkte, allein durch Ernteverluste und Hitzeschäden
- Die Gesundheitskosten liegen jedes Jahr bei 400 Milliarden Euro. Stichwort: Hitzetote und klimabedingte Krankheiten
- Jobs sind gefährdet – bis zu fünf Millionen in den nächsten 15 Jahren
Die globale Erwärmung führt laut Stagl zu einem Verlust von Produktivität: „Da sind zuerst einmal die Berufsgruppen betroffen, die in der freien Natur arbeiten wie Erntehelfer oder Menschen in der Bauwirtschaft.“ Früher oder später werde es nicht mehr möglich sein, die Stundenanzahl zu arbeiten, die wir derzeit gewohnt sind, sagt Stagl. „Wir werden die Anzahl der Stunden zurückfahren und akzeptieren müssen, dass die Produktivität sinkt.“ Das werde man auch sehen bei Menschen, die in nicht-klimatisierten Räumen arbeiteten.
Forderungen: Wirtschaft vor Klimaschutz?
Laut der Wiener Wissenschaftlerin liegen die ökonomischen Argumente für einen starken Klimaschutz klar auf dem Tisch.
Doch in Deutschland hört man immer öfter das Argument, Klimaschutz schade der Wirtschaft. Man hört es von Politikern der Union oder von Vertretern energieintensiver Industrien. Sie fordern – einfach gesagt – Wirtschaft vor Klimaschutz.
Das lehnt die Klima-Allianz Deutschland ab. Das ist ein Bündnis, in dem sich mehr als 150 Organisationen zusammengeschlossen haben, wie zum Beispiel die Evangelische Kirche, der Deutsche Mieterbund und der WWF. Klimaschutz gegen Wirtschaft, das sei ein „Gegensatz, der nicht existiert“, sagt Lisa Jörke, Referentin für internationale Klimapolitik bei der Klima-Allianz.
Klima-Allianz: Klimaschutz und wirtschaftliche Stärke hängen zusammen
Jörke sagt, saubere Technologien gehörten zu den Wachstumsbrachen weltweit. „Deutschland ist jetzt schon grüner als manche vielleicht wissen. Acht Prozent unserer Exporte kommen schon aus Green Tech, wie zum Beispiel Batteriespeicher.“ Dieser Markt werde deutlich wachsen.
Lisa Jörke betont: „Wenn wir jetzt in klimafreundliche Technologien investieren, dann stärkt das die Wirtschaft, senkt langfristig die Energiekosten und schafft neue Arbeitsplätze. Klimaschutz und wirtschaftliche Stärke hängen also längst zusammen.“
Das zeige sich derzeit schon in China. Jörke weist daraufhin, dass es weltweit einen Boom gebe beim Ausbau von Solar- und Windenergie und erneuerbaren Technologien. Beim Klimaschutz aber gehe es weltweit nicht schnell genug. Auch nicht in Deutschland und Europa. Bis zum Ende des Jahrhunderts sagt ein aktueller UN-Bericht eine Erwärmung von 2,8 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter voraus – dabei haben sich die Staaten darauf geeinigt, die Erwärmung auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen.










