Die Vereinbarung über das amerikanische Geschäft der Kurzvideoplattform Tiktok soll nach Angaben des Weißen Hauses voraussichtlich in den kommenden Tagen unterzeichnet werden. „Wir sind zu 100 Prozent überzeugt, dass die Vereinbarung jetzt steht, und diese Vereinbarung muss nur noch unterschrieben werden“, sagte Sprecherin Karoline Leavitt dem TV-Sender Fox News.
Die Vereinbarung sehe vor, dass für das US-Geschäft eine neue Gesellschaft mit einem siebenköpfigen Verwaltungsrat gegründet werde, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen amerikanischen Regierungsvertreter. Sechs der Mitglieder sollen Amerikaner sein, während das chinesische Mutterunternehmen Bytedance ein Mitglied benennen dürfe. Bytedance selbst solle weniger als 20 Prozent an dem neuen Gemeinschaftsunternehmen halten, das die US-Aktivitäten von Tiktok kontrolliert. Die Mehrheit solle bei US-Investoren liegen.
Regierungssprecherin Leavitt bestätigte das im Gespräch mit Fox News. Um „Daten und Privatsphäre“ werde sich das Technologieunternehmen Oracle kümmern. Die Einigung sieht demnach vor, dass alle Daten von US-Nutzern in der Cloud des Softwarekonzerns Oracle in den USA gespeichert werden. Reuters berichtet, der Algorithmus zur Empfehlung von Inhalten solle „gesichert, neu angepasst und in den USA außerhalb der Kontrolle von Bytedance betrieben“ werden. Dies ließe die Möglichkeit offen, dass der in China entwickelte Algorithmus nicht vollständig ersetzt, sondern auf ihm aufgebaut würde, wenngleich die Kontrolle in den USA liegen soll.
Wie chinesisch bleibt US-Tiktok?
Zwischen Oracle und Tiktok besteht schon jetzt eine Zusammenarbeit, bei der Oracle die Datenströme amerikanischer Tiktok-Nutzer überwachen soll, damit keine Daten nach China abfließen. Laut Medienberichten soll Oracle, hinter dem der Trump-nahe Milliardär Larry Ellison steht, auch unter den zukünftigen Besitzern des US-Geschäfts von Tiktok sein. Als weitere nannte die Zeitung „Wall Street Journal“ jüngst die Finanzinvestoren Silver Lake und Andreessen Horowitz.
Das aktuelle Tiktok-Mutterunternehmen Bytedance hat seine Zentrale in Peking – die Zukunft der App in den Vereinigten Staaten hängt deshalb seit Monaten in der Schwebe. Hintergrund ist ein 2024 vom amerikanischen Kongress verabschiedetes Gesetz. Dieses drohte mit einem Verbot der beliebten App mit 170 Millionen Nutzern in den USA bis Januar 2025, sollte Bytedance die US-Vermögenswerte nicht verkaufen.
Präsident Donald Trump hatte die Durchsetzung des Gesetzes jedoch per Dekret mehrfach aufgeschoben, um eine Einigung zu ermöglichen. Um den Weg für ein endgültiges Abkommen bis Ende April 2026 freizumachen, will Trump die Frist nun um weitere 120 Tage verlängern, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf eine Quelle aus der Regierung. Trump hatte am Freitag nach einem Telefonat mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping von Fortschritten gesprochen.
Kontrolle über Algorithmus und Daten entscheidend
Der Algorithmus von Tiktok, der entscheidet, welche Videos den Nutzern als Nächstes angezeigt werden, war in den vergangenen Jahren zentraler Streitpunkt in der Debatte um die App. In den USA wurde neben Datenschutz-Bedenken oft die Sorge geäußert, die chinesische Regierung könnte über diese Software die öffentliche Meinung manipulieren. Tiktok und Bytedance weisen das zurück – aber in dem US-Gesetz wurde ausdrücklich festgeschrieben, dass weder die chinesische Regierung noch der bisherige Mutterkonzern Kontrolle über den Algorithmus haben dürfen. US-Behörden hatten in der Vergangenheit gewarnt, China könne den Algorithmus nutzen, um zu manipulieren, was Amerikaner in sozialen Medien sehen. Tiktok äußerte sich zunächst nicht zu den Details.
Aus dem US-Kongress kamen jedoch schon skeptische Töne zur Vereinbarung. „Es kommt auf die Details an“, sagte der demokratische Abgeordnete Frank Pallone. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass China weiterhin Zugang zu den Daten von Amerikanern habe oder dass Trump Tiktok „in ein Sprachrohr für MAGA (Make America Great Again)“ verwandle. Es ist unklar, ob das Abkommen in seiner jetzigen Form die gesetzliche Anforderung einer vollständigen Veräußerung erfüllt. Trump hatte Tiktok zugeschrieben, ihm bei seiner Wiederwahl im vergangenen Jahr geholfen zu haben. Er hat 15 Millionen Abonnenten auf seinem persönlichen Konto. Das Weiße Haus eröffnete zudem im vergangenen Monat ein offizielles Tiktok-Konto.
Der Verkauf des US-Geschäfts dürfte für den Betrieb von Tiktok in Europa keine Auswirkungen haben. Ob es aber zu einer Trennung von amerikanischen und europäischen Nutzern sowie deren Inhalten kommt, ist noch unklar.