Das musste ja kommen: ein neues Neil-Young-Lied gegen den amerikanischen Präsidenten, den amtierenden natürlich. Donald Trump ist weiß Gott nicht der erste und wird – Young ist noch keine 80 und rühriger denn je – wohl auch nicht der letzte sein, dem das widerfährt; es sei denn, er genehmigt sich doch noch eine dritte Amtszeit, dann würde vielleicht sogar dieser ausdauernd zähe Rockmusiker die Lust verlieren.
Nixon einen mitgegeben
Mit „Big Crime“, das bei einem Soundcheck in Chicago aufgenommen wurde und auch danach klingt, kann er jedenfalls vollends den Titel als Nordamerikas dienstältester gewohnheitsmäßiger Protestsänger für sich beanspruchen. Schon 1970 hatte er, nachdem – welche Parallele zu Trumps innenpolitischen Machenschaften! – an jenem bösen 4. Mai Nationalgardisten an der Kent State University vier Studenten erschossen und neun verletzt hatten, allesamt unbewaffnet, wenige Tage später, aufgerüttelt von einer Fotodokumentation im „Life Magazine“, den Song „Ohio“ geschrieben und mit Crosby, Stills & Nash wuchtig aufgenommen. Hier und dann einige Jahre später in dem Lied „Campaigner“ („Aktivist“) gab er Richard Nixon einen mit.
1988 traf es, zum Ende seiner Amtszeit, Ronald Reagan in Gestalt des sofort ikonisch gewordenen „Rockin’ in the Free World“, mit dem wiederum Donald Trump 2015 seinen ersten Wahlkampf beschallt hatte – gegenüber dem nicht schwer herauszuhörenden Sarkasmus genauso begriffsstutzig wie damals Reagan bei Springsteens „Born in the U.S.A.“. Also zweimal übereifriger, quasi analphabetischer Patriotismus. Eine Klage gegen Trump ließ Young bald wieder fallen, der strich das Lied mit der Begründung, es habe ihm sowieso nie gefallen.
2006 hatte Young gegen George W. Bush krakeelt „Let’s Impeach the President“. Ein Amtsenthebungsverfahren war damals schon nicht leicht, heute, bei dem Präsidenten, erst recht nicht. Da mag die aktuelle Lage noch so alarmierend sein: „Don’t need no fascist rules / Don’t want no fascist schools / Don’t want soldiers walking on the streets /. . . Got to get the fascists out / Got to clean the White House out . . . no more money to the fascists, the billionaire fascists“. Trump braucht sich also nicht allein angesprochen zu fühlen, die IT-Oligarchie kriegt ihr Fett auch weg. Verglichen mit ihm wirkt Bush heute ja geradezu seriös.
Nicht am Nimbus kratzen
Man kratzt nicht an Youngs Nimbus, wenn man zugibt, dass einem diese Art von Profession ein wenig auf die Nerven geht, seit er die poetische Schönheit und Komplexität seiner frühen Statements (wie überhaupt seiner lyrics) zugunsten einer doch recht holzschnittartigen Unverblümtheit vernachlässigt. Doch er ist einer der ganz wenigen, die auf Opportunismus pfeifen, wobei seine Geschäfte allerdings auch so leicht keinen Schaden nehmen wie die von Taylor Swift, die lieber stillhält.
Trump könnte jetzt sagen: Was mischt sich dieser Neil Young überhaupt andauernd in unsere Politik ein? Das ist doch ein Kanadier! Nicht nur. Seit 2020 hat er auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Es wäre auch egal, weil Trump mit Kanada ebenfalls noch längst nicht fertig ist.