Stand: 12.11.2025 09:35 Uhr
Die Polizei in Hessen geht seit dem frühen Morgen gegen ein Protestcamp von Umweltaktivisten vor. Sie hatten ein Waldstück besetzt, um die Bäume vor Rodung zu schützen. Dort sollen Kies und Sand abgebaut werden.
Wie die Polizei am Mittwoch mitteilte, sind seit dem frühen Morgen Beamte im Wald bei Langen (Offenbach), um das dortige Protestcamp abzubauen. Umweltaktivisten der Gruppe Wald Statt Asphalt hatten es im Sommer 2024 aufgebaut, um Bäume im Südosten des Langener Waldsees vor Rodung zu schützen. Zuletzt hielten sich in dem Camp etwa 50 Aktivisten auf.
Man gehe davon aus, dass die Räumung friedlich ablaufe, sagte ein Polizeisprecher dem hr. Die Beamten würden „Personen aufspüren und vom Gelände führen“. Es sind etwa zehn Umweltschützer vor Ort, wie hr-Reporter berichten.
Der Einsatz habe um 4.30 Uhr begonnen, sagte der Polizeisprecher. Die Protestierenden sollten demnach in Kürze aus den Bäumen geholt werden. Einige der Aktivisten hätten Bereitschaft signalisiert, von selbst von den Bäumen zu steigen, so die Polizei.
hr-Reporter beobachteten auf der anderen Seite zwei Protestierende, die kurz vor dem Beginn der geplanten Räumung hoch oben in einen Baum kletterten – einer von ihnen bis in die Baumkrone.
Umweltaktivist in einer Baumkrone im Protestcamp im Langener Wald
Die Sicherheit aller Beteiligten stehe im Mittelpunkt der Maßnahmen, teilte die Polizei mit. „Protest ist legitim, dieser muss jedoch stets friedlich und rechtskonform bleiben – das ist die klare Erwartung der Polizei, die bei ihrem Einsatz ein besonderes Augenmerk auf Transparenz und Kommunikation legt.“ Wer gegen behördliche Anordnungen verstoße, müsse mit entsprechenden Maßnahmen rechnen.
Seit 2022 darf gerodet werden
Eine Besetzerin, die sich Ahorn nennt, hatte am Dienstag dem hr gesagt: „Menschen bereiten sich individuell auf eine Räumung vor.“ Es sei die Entscheidung von jeder und jedem Einzelnen, wie weit sie oder er dabei gehe.
Matthias Rohrbach vom Aktionsbündnis Langener Bannwald versicherte: „Wir werden als Aktionsbündnis nicht zu Gewalt aufrufen. Wenn der Bannwald untergeht, dann mit wehenden Fahnen – aber friedlich!“
Dass es letztlich zur Räumung kommt, dürfte den Aktivisten klar gewesen sein. Die Firma Sehring hat seit 2013 die Erlaubnis, das betroffene Stück Wald zu roden, um weiter Kies und Sand abzubauen, obwohl es sich um eigentlich besonders geschützten Bannwald handelt. Das Regierungspräsidium Darmstadt hob diesen Status für das Waldstück auf. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte 2022 die Rechtmäßigkeit dieses Schritts.
Wann die Rodung beginnen soll, ist noch nicht bekannt.
Stadt: Camp ist nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar
Die Stadt Langen sieht durch das Protestcamp ihre Rechte als Eigentümerin verletzt. Das Camp seit nicht „mit demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen“ zu vereinbaren, hieß es kürzlich. Erst Ende Oktober hatte die Stadt Spaziergänger vor dem Bereich gewarnt. „Der Magistrat rät Spaziergängern und Erholungssuchenden, den Bereich rund um das illegale Camp von Waldbesetzern zu meiden“, teilte die Stadt mit. Die Ordnungspolizei habe das Gebiet rund um das Camp weiträumig abgesperrt.
Auch der Wald selbst sei durch die Bewohner des Camps erheblich beschädigt worden. In zahlreiche Bäume wurden demnach Nägel und Holzschrauben getrieben, außerdem seien Amphibienschutzzäune zerstört worden. Der entstandene Schaden wird auf mehr als 200.000 Euro geschätzt.
Polizisten im Langener Bannwald
Aktivist: „Die Lebensqualität wird sich verschlechtern“
„Nur weil ein Wald gerodet wird, heißt das nicht, dass ein anderer auch gerodet wird“, sagte die Aktivistin Ahorn am Dienstag. Sie und die anderen Baumbesetzer hätten in den vergangenen Monaten viel Solidarität seitens der Bevölkerung erlebt. „Jeder Wald, jeder Baum ist wichtig. Es ist keine Option, die Hoffnung aufzugeben.“
Aus Sicht der Umweltschützer dürfen in einer Zeit, in der die menschengemachte Klimakrise zu mehr Extremwetter führt, keine Wälder abgeholzt werden, die der Erderhitzung entgegenwirken. Es gehe auch um die Lebensqualität der Leute in und um Langen, sagte Rohrbach: „Das ist ein Wald mit alten Bäumen, der dient der Naherholung und der Wassergewinnung. Die Lebensqualität wird sich weiter verschlechtern.“
Wirtschaftsinteressen höher bewertet als Umweltschutz
Die Firma Sehring baut in der Gegend seit Jahrzehnten Kies und Sand ab – dadurch entstand letztlich der Langener Waldsee, einer der größten Baggerseen der Region. Seit 2013 hat Sehring die Erlaubnis, etwa 64 Hektar im Südosten des Sees zu roden, um weitere Rohstoffe aus dem Boden holen zu können. Ungefähr die Hälfte davon ist bereits gerodet.
Der Geschäftsführer der Firma, Stefan Sehring, reagierte im Sommer 2024 erbost auf das Protestcamp. Die Aktivisten träten Recht und Gesetz mit Füßen und verhielten sich antidemokratisch. Als Unternehmen der Rohstoffbranche müsse man auch in Deutschland noch tätig sein dürfen.
Das Regierungspräsidium Darmstadt hatte seine Genehmigung zur Abholzung besonders schutzbedürftigen Waldes mit einem Verweis auf wirtschaftliche Interessen begründet: In der Abwägung mit dem Umweltschutz überwiege „das öffentliche Interesse an einer sicheren und ortsnahen Rohstoffversorgung des Rhein-Main-Gebiets“.
Am Montag hatte die Stadt Langen eine Schlappe vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt erlitten. Sie wollte eine angemeldete Dauermahnwache zur Solidarität mit den Menschen im Protestcamp an einen anderen Ort verlegen – 870 Meter vom eigentlichen Camp entfernt, wie das Gericht schrieb. Dies hätte einen „erheblichen Eingriff“ dargestellt und wurde deshalb untersagt.










