Suche nach Leichen der Geiseln „Hamas ist noch immer Ansprechpartner in Gaza“
Stand: 27.10.2025 18:32 Uhr
Im Gazastreifen läuft die Suche nach den Leichen der verbliebenen Geiseln. Räumungsfahrzeuge und Bagger graben sich durch die Trümmer. Gleichzeitig tritt die Hamas wieder zunehmend offen auf – sehr zum Ärger Israels.
Etwa ein Dutzend Bulldozer und Bagger sind in der Nacht aus Ägypten im südlichen Gazastreifen eingetroffen. An ihnen befestigt sind ägyptische Fahnen. Sie flattern im Wind, während Menschen ihnen zuwinken.
Viele hier hoffen darauf, dass bald der Wiederaufbau beginnt und sie ihr Leben neu aufbauen können. So auch die 62-jährige Hiam Muqdad: „Wir wollen, dass die Trümmer weggeräumt werden“, sagt sie einer Nachrichtenagentur. Die Kinder seien traumatisiert und würden noch einnässen. „Die Kinder haben vergessen, wie man spielt. Früher sind sie in den Park gegangen. Heute spielen sie in den Trümmern.“
Mehr Handlungsspielraum bei Suche nach Leichen
Doch die Räumungsfahrzeuge, die jetzt hereinkommen, dienen zunächst einem anderen Zweck. Seit dem Wochenende erlaubt Israel der Terrororganisation Hamas mehr Handlungsspielraum bei der Suche nach den verbleibenden 13 toten Geiseln. Gesucht wird in Rafah und Khan Yunis im Süden des Küstenstreifens. Auch hinter der sogenannten „gelben Linie“, hinter die sich die israelische Armee zurückgezogen hat.
Mit dabei ist ein Suchteam aus Ägypten. Mohamed Mansour ist Sprecher der ägyptischen Behörden in Gaza. „Die Behörden in Ägypten haben zugestimmt, dass schweres Baugerät nach Gaza hineindarf. Es befindet sich am Stützpunkt des ägyptischen Komitees im Küstenstreifen.“
Jahrelanges Warten auf eine Beerdigung
Zwischen zertrümmerten Häuserschluchten gräbt sich eine Baggerschaufel in den hellen Sand. Schaulustige umrunden die Ausgrabungsstelle. Hier vermuten Hamas und der israelische Geheimdienst die Überreste toter Geiseln.
Hemi Goldin ist der Bruder von Hadar Goldin, eines toten israelisches Soldaten, nach dem gesucht wird. Hadar Goldin wurde bereits 2014 von der Hamas getötet und entführt. Sein Bruder sprach auf einer Protestkundgebung in Jerusalem: „Solange nicht alle Geiseln zurück, sondern noch in Gaza sind, ist das der Krieg, bei dem die Hamas wiederaufsteht.“ Erst wenn jede einzelne Geisel wieder da sei, „bekommen wir die Chance, wiederaufzustehen“, betonte Goldin.
Seit 11 Jahren warten die Goldins auf die Beerdigung. Erst mit der Protestbewegung, die sich nach dem 7. Oktober in Israel entwickelte, haben sie wieder Hoffnung geschöpft, Abschied nehmen zu können.
Hamas zeigt Präsenz im Gazastreifen
Inzwischen zeigt die Hamas im Gazastreifen wieder Präsenz – zum Ärger der Angehörigen der Geiseln. Bewaffnete Terroristen mit grünen Kopfbinden begleiten ein Team des Roten Kreuzes, das ebenfalls in die Suche eingebunden ist. Medienberichten zufolge seien Suchtrupps auch in dem Gebiet unterwegs, in dem sich noch israelische Truppen aufhalten. Die hielten Abstand, heißt es vom Militär. Die Waffenruhe halte.
Während unter Federführung der Amerikaner Israel die Waffenruhe hinter der Grenze beobachtet, meldete sich Hamas-Verhandlungsführer Khalil al-Hayya zu Wort: „Es gibt so einen Raum in Kairo, wo die Vermittler sitzen und ein Team der israelischen Besatzer. Wir sind in einem Zimmer gegenüber und verfolgen die Situation genau.“ Sie hätten den Vermittlern vor Monaten gesagt, „dass wir Probleme haben, die Körper zu finden, weil die Besatzer Gaza so sehr zerstört haben“, so al-Hayya.
Israel vermutet Hinhaltetaktik
Nur sieben bis neun tote Geiseln könne die Terrororganisation wiederfinden, hieß es zu Beginn der Woche. Israel hält diese Argumentation für eine Hinhaltetaktik und den Versuch, wieder in Gaza Fuß zu fassen, indem in der Zwischenzeit Konkurrenten verhaftet und ermordet werden. Und durch die Präsenz der Hamas in den Straßen und jetzt bei der medienwirksamen Begleitung von Suchtrupps.
Der israelische Journalist Ohad Hemo kommt zu diesem Schluss: „Zwei Jahre nach dem Massaker des 7. Oktober erhält die Hamas wieder Legitimität. Sie ist nicht bereit, die Verwaltung in Gaza abzugeben und auch nicht ihre Waffen. Die Hamas ist noch immer der Ansprechpartner im Gazastreifen.“ Zwar gebe es Versuche, sie zu umgehen, indem man von einer Übergangsregierung rede, aber selbst darin werde die Hamas eingebunden.
Die israelische Regierung bestreitet das. Israels Premier Netanjahu wird nicht müde, zu betonen, dass weder die palästinensische Autonomiebehörde noch die Terroristen aus Gaza künftig mitregieren sollen.









