
Stand: 21.10.2025 03:23 Uhr
Der Arbeitskreis Steuerschätzung tagt ab heute und berechnet, mit welchen Einnahmen der Bund im kommenden Jahr rechnen kann. Mehr Spielraum dürfte es nicht geben – trotz des erwarteten Wirtschaftswachstums.
Finanzminister Lars Klingbeil von der SPD hat seine Hoffnung schon kurz nach Amtsantritt im Mai kundgetan: „Wir müssen jetzt vor allem durch ein höheres Wirtschaftswachstum die Einnahmen stärken und so neue finanzielle Spielräume gewinnen.“ Die Rechnung ist simpel: Wenn die Wirtschaft wächst, sprudeln die Steuereinnahmen – der Staat kann seine Haushaltslöcher stopfen.
Zumindest auf dem Papier könnte Klingbeil seinem Ziel jetzt einen Schritt näher kommen: „Der Staat gibt gerade sehr viel Geld aus, im Zuge von Sondervermögen, im Zuge von höheren Verteidigungsausgaben“, erklärt Tobias Hentze, Volkswirt beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. „Und diese Ausgaben schlagen sich in höherem Wirtschaftswachstum nieder.“
Mehr Wachstum – aber auch mehr steuerliche Entlastungen
Erst Anfang des Monats hat die Bundesregierung ihre Prognose für das kommende Jahr nach oben korrigiert: Sie rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent. Allerdings hat der Bundestag auch steuerliche Entlastungen für Unternehmen beschlossen – im Rahmen des sogenannten Investitionsboosters.
All das müssen die Steuerschätzer mit einpreisen, wenn sie bis Donnerstag in Berlin die zu erwartenden Steuereinnahmen berechnen. Dem Arbeitskreis gehören unter anderem Mitarbeiter von Finanz- und Wirtschaftsministerium an, unabhängige Wirtschaftsexperten und Statistiker. Bisher erwarten sie für den Bund Einnahmen von rund 387 Milliarden Euro.
Mehrausgaben sind nicht drin
Volkswirt Hentze warnt vor zur viel Euphorie: „Auch wenn die Steuerschätzung zum Ergebnis kommen sollte, dass mit etwas mehr Einnahmen gerechnet werden kann, bedeutet das nicht, dass der Staat Geld zu viel hat, um dieses und jenes zu finanzieren, ganz im Gegenteil.“ Langfristig, so Hentze, bleibe der Haushalt unter Druck. Der Bund müsse sparen und könne nicht mehr ausgeben als bislang geplant.
Denn das erwartete Wirtschaftswachstum ist teuer erkauft und steht auf wackligen Beinen: Der Staat nimmt zusätzliche Schulden in Milliardenhöhe auf, die Zinslast steigt. Und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche von der CDU betont: Das alles führt nicht automatisch zu einem Wirtschaftsboom, sondern ist erstmal nur ein staatlicher Impuls.
„Der Impuls wird aber nur dann wirksam, wenn wir die Verfahren beschleunigen“, sagte Reiche. „Infrastruktur-Zubau und Erneuerung kann nur dann stattfinden, wenn Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden und das zu Verfügung stehende Geld tatsächlich investiert wird und abfließen kann.“
Riskante Wette
Die Bundesregierung geht also eine riskante Wette ein. Die Opposition hat Bedenken. Rechnet die Bundesregierung zu optimistisch? „Jedenfalls stecken da gewaltige Risiken drin“, sagt der haushaltspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Sebastian Schäfer. Er verweist auf den Internationalen Währungsfonds. Der sagt für Deutschland im kommenden Jahr nur ein Wachstum von 0,9 Prozent voraus. Schäfer sagt, Finanzminister Klingbeil rechne bei seiner Finanzplanung sehr optimistisch.
Klingbeil hat den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr vor einem Monat vorgestellt. Seitdem arbeiten Schäfer und die anderen Bundestagsabgeordneten im Haushaltsausschuss daran. Rein theoretisch kann die Steuerschätzung nochmal was verändern. „In den Boom-Zeiten in den 2010er Jahren hat jede Steuerschätzung neue Mittel gebracht, die wurden dann gerne von großen Koalitionen mit vollen Händen wieder ausgegeben“, erinnert sich Schäfer. „Diese Zeiten sind aber auf absehbare Zeit vorbei.“