
Stand: 21.10.2025 03:22 Uhr
Kanzler Merz ist bekannt für provokante Zitate – so wie aktuell mit seinen Äußerungen zum „Stadtbild“ und der Migrationspolitik. Doch das passe nicht zu seiner Rolle, heißt es nun aus den eigenen Reihen. Die SPD wirft Merz Spaltung vor.
Die Kritik an Kanzler Friedrich Merz und seiner „Stadtbild“-Äußerung zu Migranten reißt nicht ab. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf warf Merz vor, das Land zu spalten.
Es gebe in Deutschland Probleme – und die dürfe man benennen. „Aber das alles immer wieder auf eine Frage zurückzuführen, auf die Frage der Migration, und da so viel miteinander zu vermengen und zu pauschalisieren – das spaltet und das zerstört Vertrauen“, sagte Klüssendorf bei ntv. „Ich muss sagen, dass meine Erwartung an die Spitze eines Staates schon deutlich höher ist“, sagte er mit Blick auf Merz.
Kritik an Merz gibt es auch aus den eigenen Reihen: Der Chef des CDU-Sozialflügels, Dennis Radtke, forderte einen anderen Stil von Merz. Dieser sei nicht mehr der „launige Kommentator am Spielfeldrand, der einen raushaut“, sagte Radtke den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Merz komme als Kanzler „eine besondere Verantwortung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die Debattenkultur und einer positiven Zukunftserzählung zu.“ Hier müsse der Kanzler vorangehen.
Es gebe zwar an vielen Stellen ein verstörendes Stadtbild – aber zu suggerieren, dies würde sich durch Abschiebungen ändern, sei zu kurz gesprungen, erwecke unerfüllbare Erwartungen und werde der Komplexität des Problems nicht gerecht, sagte Radtke. „Probleme wie Drogensucht, Obdachlosigkeit oder Mackertum bei Jugendlichen lassen sich nicht abschieben, sondern müssen angepackt werden.“
Die beste Strategie gegen die AfD sei Politik, die Probleme löse, Versprechen einhalte und in der Kommunikation ebenso klar wie empathisch sei.
Merz will Äußerungen nicht zurücknehmen
Losgetreten hatte Merz die Debatte mit einer Äußerung vor einer Woche, als er Versäumnisse in der Migrationspolitik ansprach, deren Folgen man noch immer im Stadtbild sehe. Dagegen würden Rückführungen helfen, hatte Merz gesagt und damit viel Kritik der Opposition und von Teilen der SPD ausgelöst. Ihm wurde vorgeworfen, Migranten unter Generalverdacht zu stellen und Angst zu schüren.
Am Montag bekräftigte Merz seine Äußerungen: „Ich habe gar nichts zurückzunehmen“, sagte er. „Im Gegenteil, ich unterstreiche es noch einmal: Wir müssen daran etwas ändern, und der Bundesinnenminister ist dabei, daran etwas zu ändern, und wir werden diese Politik fortsetzen.“ Merz betonte aber auch die grundsätzliche Offenheit Deutschlands für Zuwanderung. „Offenheit heißt auch, dass wir offen sind für viele Menschen aus aller Welt, die in Deutschland leben wollen und arbeiten wollen.“ Auf Seiten der Zugezogenen sei dabei aber auch die Bereitschaft nötig, „sich in unsere Gesellschaft zu integrieren“.
Ausdrückliche Zustimmung für seine „Stadtbild“-Äußerungen bekam Merz von CSU-Chef Markus Söder. „Natürlich hat Merz recht“, sagte Söder. Ungeachtet der Entspannung an den deutschen Grenzen gebe es „in unseren Innenstädten nach wie vor Herausforderungen – an Hauptbahnhöfen, in Schwimmbädern, an manchen Marktplätzen“. Auch deswegen sei eine Migrationspolitik richtig, die das Ziel habe, dass Menschen ohne Duldung, ohne Aufhenthaltsberechtigung in ihr Heimatland zurückkehren müssten.
Politikwissenschaftler: „Das geht selten gut aus“
AfD-Chefin Alice Weidel warf Merz einen „Kreuzzug gegen die Opposition“ vor. Ein wachsender Teil der Union trage „die Aushöhlung der Grundwerte ihrer Partei nicht länger mit“. Aber Merz halte „starr an seiner ‚Brandmauer‘ und der politischen Fesselung an die SPD fest“, sagte Weidel.
In den tagesthemen warnte der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher von der Goethe-Uni in Frankfurt die Union davor, sich von der AfD treiben zu lassen. Merz müsse aufpassen, dass er sich kein Narrativ aufnötigen lässt, das von Rechts kommt. „Nämlich, dass die CDU mit anderen Parteien nur linke Politik durchsetzen kann.“ Die aktuelle Koalition mit der SPD zeige, dass dies nicht stimme.
Biebricher warnte die Union davor, öffentlich darauf zu beharren, mit der AfD nicht zusammenarbeiten zu wollen und gleichzeitig an Positionen der Partei heranzurücken. „Das geht selten gut aus.“ Die AfD sei kein Partner, sondern der Hauptgegner der Union, sagte Biebricher.