Korruptionsskandal in der Ukraine Was wusste Selenskyj?
Stand: 13.11.2025 20:24 Uhr
Ein Korruptionsskandal erschüttert die Ukraine. Der Hauptverdächtige ist ein enger Vertrauter des ukrainischen Präsidenten. Was heißt das nun für Selenskyj?
Beim jüngsten Korruptionsskandal in der Ukraine gelten Personen aus dem direkten Umfeld des ukrainischen Präsidenten als Hauptverdächtige. Allen voran der Unternehmer und langjährige Geschäftspartner Wolodymyr Selenskyjs Tymur Minditsch.
Der Fall wirft die Frage auf, ob auch der ukrainische Präsident von den Vorgängen wusste. Belege gibt es dafür bisher nicht. Am Montagmorgen durchsuchten Ermittler des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU) nahezu elf Stunden lang Minditschs Wohnung in der Kiewer Innenstadt. Hier hatte Selenskyj noch 2021 mit etwa 30 weiteren Leuten seinen Geburtstag gefeiert.
Schaden für Selenskyjs Ansehen?
In der Ukraine herrscht weitestgehend Einigkeit darüber, dass der Skandal Selenskyjs Ansehen schwer schaden könnte. „Wenn der Präsident nicht wusste, dass es in seinem engem Umfeld Korruption gibt, ist das ein Problem, weil er sich in einer Informationsblase befindet. Wenn er aber davon wusste, ist es noch schlimmer“, sagt der Politikwissenschaftler Oleh Saakjan der ARD.
Selenskyj selbst kommt auf den abgehörten Gesprächen, die das Nationale Antikorruptionsbüro veröffentlicht hat, nach jetzigem Stand nur einmal passiv vor. In einem Gespräch zwischen dem mittlerweile zurückgetretenen Minister Herman Haluschtschenko und dem Unternehmer Minditsch ruft der Präsident offenbar nach einer SMS von Minditsch bei Haluschtschenko an.
Worum es in dem Gespräch genau geht, ist nicht bekannt. Die Passage in den Aufnahmen wird von Beobachtern in der Ukraine nun unterschiedlich interpretiert. Kritiker des Präsidenten, wie der bekannte Antikorruptionsaktivist Witalij Schabunin meinen, Selenskyj müsse von den Vorgängen gewusst haben.
Zunehmende Zentralisierung von Macht
Ähnliches vermutet auch Daria Kalenjuk, Schabunins Kollegin beim Zentrum für Korruptionsbekämpfung. Grund dafür sei die starke Zentralisierung der Macht unter Kriegsrecht: „Mal angenommen, Selenskyj wurde tatsächlich hinterhältig verraten von seinen eigenen Leuten, hätte er dann zugelassen, dass sie das Land verlassen?“
In einem Interview mit dem ARD-Studio Kiew beschrieb die Antikorruptionsaktivistin schon im Oktober einen Präsidenten, mit einem nur kleinen Kreis von Vertrauten. „Selenskyj selbst hat einmal gesagt, er habe fünf Manager. Wenn er sie austausche, breche der Staat zusammen.“
In der Realität aber gebe es vor allem einen Mann, der den Zugang zum Präsidenten stark einschränke, sagt Kalenjuk und meint damit Andrij Jermak, den Leiter des ukrainischen Präsidialamtes. „Diejenigen, die es sich erlaubt haben, direkten Zugang zum Präsidenten zu fordern, seine Entscheidungen anzuzweifeln, ihm schlechte Nachrichten überbracht haben, die nicht mit Jermak abgesprochen waren, wurden alle ausgeschaltet.“
Politische Verantwortung liegt bei Selenskyj
Ein weiteres Problem sei die Schwäche des ukrainischen Parlaments. Viele Abgeordnete der Präsidentenpartei Diener des Volkes hätten bis vor wenigen Jahren keine Berührungspunkte mit der Politik gehabt. „Sie sind zufällig Abgeordnete geworden und stimmen jetzt so, wie Selenskyj es ihnen sagt.“
Ähnlich argumentiert auch Andrij Borowyk, Geschäftsführer von Transparency International Ukraine, im ukrainischen Radio. „Wir wissen, dass die Frage, wer Minister wird, in der Praxis ganz sicher nicht im Parlament entschieden wird, sondern im Präsidialamt.“
Obwohl es keine belegbaren Fakten gebe, sei es schwer vorstellbar, dass eine Person ohne direkten Kontakt zum Machtzirkel um Selenskyj so lange das Energieministerium habe leiten können, um dann ins Justizministerium zu wechseln. „Ob Selenskyj selbst daran beteiligt war, kann im Moment wohl niemand sicher sagen. Aber die politische Verantwortung liegt letztlich bei ihm“, meint Borowyk.









