Stand: 09.12.2025 19:00 Uhr
Der Bürgerkrieg im Sudan sorgt für erhöhten Migrationsdruck unter anderem nach Nordafrika. Nach Recherchen von Report Mainz und Spiegel wachsen die Sorgen unter den EU-Regierungen. War die Kürzung auch von deutschen Hilfen ein Fehler?
Von Heiner Hoffmann, Daniel Hoh und David Meiländer, SWR
Erst am Wochenende haben griechische Medien wieder über eine neue Tragödie vor Kreta berichtet: Ein kleines Boot mit mehr als 30 Flüchtlingen an Bord, von Libyen kommend, sei in Seenot geraten. Die Küstenwache habe nur zwei Menschen lebend retten können, 17 seien tot, die übrigen Passagiere würden noch vermisst. Seit Beginn des Bürgerkriegs im Sudan 2023 erreichen immer mehr Menschen aus dem Krisengebiet auch Europas Außengrenze im Süden.
Nach Angaben des griechischen Ministeriums für Schifffahrt und Inselpolitik sind bislang in diesem Jahr 17.181 Flüchtlinge auf Kreta angekommen – im Vergleich zum Vorjahr mehr als dreimal so viel, damals kamen weniger als 5.000.
Setzt man die Zahlen ins Verhältnis zum Jahr 2015, als mehr als eine Million Flüchtlinge Europa erreichten, ist das aktuelle Niveau zwar niedrig. Doch die Geschwindigkeit der Zunahme scheint die Regierungen in der EU zu beunruhigen. Das geht aus internen Lageberichten und Gesprächsprotokollen hervor, die dem ARD-Politikmagazin Report Mainz und dem Spiegel vorliegen.
Budgets für internationale Hilfe zusammengestrichen
In den Papieren ist von einem „erhöhten Migrationsdruck nach Griechenland“ die Rede, die Route von Ostlibyen nach Kreta werde „deutlich mehr in Anspruch genommen“, die Situation im Sudan habe sich zudem verschlechtert. Ungarische und lettische Vertreter warnten Ende November gar vor einer „unvorstellbaren großen kommenden Migrationswelle“.
Doch ausgerechnet in dieser Situation haben viele Staaten ihre Budgets für die internationale humanitäre Hilfe zusammengestrichen, darunter wichtige Geldgeber wie die USA, Großbritannien und Deutschland. Im September hatte der Bundestag den Haushalt 2025 beschlossen, inklusive einer deutlichen Kürzung der humanitären Hilfe, von 2,23 Milliarden Euro auf 1,05 Milliarden Euro. Der Haushalt 2026 hat diese Kürzung beibehalten.
Koalitionäre bedauern Kürzungen von Hilfsgeldern
Eine Entscheidung, die selbst Koalitionspolitiker bedauern, zum Beispiel Adis Ahmetović, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „Wir sehen, dass viele den afrikanischen Kontinent verlassen, um Zuflucht zu suchen, Essen und Trinken, Schutz vor Krieg auf dem europäischen Kontinent. Und wir wissen auch, woran das mit liegt: Weil wir im Bereich der humanitären Hilfe und der Stabilisierung nicht genug Gelder zur Verfügung stellen“, sagt der Bundestagsabgeordnete.
Das Auswärtige Amt warnt inzwischen davor, die gleichen Fehler wie 2015 zu begehen, nachdem zwei Jahre zuvor die humanitäre Hilfe weltweit gekürzt worden war, auch wenn die Voraussetzungen damals andere waren.
Die CDU-Staatsministerin Serap Güler schreibt auf Anfrage von Report Mainz: „Wir haben in Syrien gesehen, was die Kürzungen 2013 bewirkt haben. Das darf uns nicht wieder passieren – unsere Außenpolitik muss weitsichtig sein.“
Schlechtere Versorgung für Flüchtlinge im Tschad
Die Leidtragenden sind all jene, die vor dem Bürgerkrieg im Sudan fliehen. Im Lager Aboutenge im Nachbarland Tschad zum Beispiel sind die Folgen der Budgetkürzungen schon zu spüren: Es gibt nicht genug Wasser für alle rund 230.000 Flüchtlinge in der Region, auch die Essensrationen sind weniger geworden.
Laut UN-Flüchtlingshilfswerk können 60 Prozent der Menschen nicht adäquat untergebracht werden. Wegen der prekären Versorgungslage haben laut UNHCR tausende Flüchtlinge den Tschad wieder verlassen, wandern weiter Richtung Norden, nach Libyen. Und einige wagen dann auch die gefährliche Überfahrt in kleinen Booten nach Kreta, selbst jetzt im Dezember, wenn die See stürmisch und gefährlich ist.








