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Vorschläge im Überblick Diese Reformen für die Rente werden diskutiert
Stand: 09.12.2025 18:49 Uhr
Trotz erster Reform ist die Rente noch nicht krisenfest aufgestellt. Nun wird diskutiert, ob der Renteneintritt statt ans Alter an die Beitragsjahre gekoppelt werden soll. Was sind die Argumente? Welche Vorschläge gibt es noch?
Nach dem Rentenstreit ist vor der Rentenreform: Kaum hat der Bundestag mit sogenannter Kanzlermehrheit das zuvor heftig umstrittene Rentengesetz verabschiedet, geht die Debatte weiter. Hintergrund ist das Vorhaben der Bundesregierung, eine Kommission einzusetzen, die eine grundlegende Reform des deutschen Rentensystems erarbeitet. Ein Überblick über die Diskussionen, die Problemlage und die Vorschläge.
Was ist das Problem mit dem deutschen Rentensystem?
Die Rente in Deutschland ist umlagefinanziert. Das bedeutet vereinfacht: Die Jüngeren zahlen für die Älteren. Das Problem besteht darin, dass die Gesellschaft wegen sinkender Geburtenraten und gleichzeitig steigender Lebenserwartung im Schnitt immer älter wird – immer weniger Junge zahlen für immer mehr Ältere.
Dem Rentensystem geht deshalb das Geld aus. Dieses Problem war seit Jahrzehnten absehbar. Bereits mehrere Regierungen haben sich an einer Rentenreform versucht. Gedreht wurde meist nur an einzelnen Stellschrauben – etwa bei der Rentenhöhe oder beim Renteneintrittsalter.
Ein entscheidender „großer Wurf“, bei dem die gesamte Finanzierung der Altersvorsorge reformiert wurde, gibt es bislang nicht. Nun soll eine Rentenkommission Vorschläge erarbeiten. Ob sie das Grundprinzip der Umlagefinanzierung zur Disposition stellt, ist offen.
Worüber wird derzeit diskutiert?
Aktuell rückt vor allem die Entkopplung des Renteneintritts von einem festgelegten Alter in den Fokus. Derzeit gehen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland mit etwa 65 Jahren in Rente, wenn sie vor 1964 geboren wurden. Alle anderen müssen in der Regel arbeiten, bis sie 67 Jahre alt sind.
Eine Option hat der Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum nun ins Gespräch gebracht. Er ist SPD-Mitglied und berät auch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil in wirtschaftspolitischen Fragen. Südekum hat vorgeschlagen, den Zeitpunkt des Renteneintritts an die Anzahl von Jahren zu koppeln, die jemand in die Rentenkasse eingezahlt hat.
„Rente für alle mit 70 ist falsch“, sagte Südekum kürzlich der Bild am Sonntag. „Besser ist es, den Renteneintritt nicht an eine starre Alterszahl zu koppeln, sondern an eine Mindestanzahl von Beitragsjahren.“ Konkret stellt er 45 Beitragsjahre zur Diskussion.
Was würde das bringen?
Südekum argumentiert, dass es gerechter sei, auf die tatsächliche Lebensarbeitszeit zu schauen anstatt auf das Eintrittsalter. Denn: „Akademiker zahlen deutlich später in die Rentenkasse ein als jemand, der mit 16 oder 18 Jahren eine Lehre beginnt und dann durcharbeitet.“
Fraglich ist, ob die Rechnung aufginge und dadurch wirklich mehr Geld in die Rentenkasse fließen würde. Zwar würden alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die gleiche Anzahl an Jahren einzahlen – doch Akademiker wären meist deutlich älter, wenn sie ihre 45 Beitragsjahre erreicht hätten. Gleichzeitig aber würde es Menschen beispielsweise in handwerklichen Berufen, die bereits seit dem 16. Lebensjahr Rentenbeiträge einzahlen, ermöglichen, deutlich früher in Rente zu gehen.
Ob dies nicht – rein finanziell betrachtet – am Ende zu einem Nullsummenspiel werden könnte, müsste genau durchgerechnet werden.
Wer unterstützt Südekums Vorschlag?
Aus dem Regierungslager kommt viel Zustimmung. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas von der SPD sagte im ARD-Bericht aus Berlin: „Ich finde die Idee grundsätzlich ganz gut.“ Auch Bundeskanzler Friedrich Merz sagte in der ARD-Sendung „Die Arena“: „Das ist durchaus erwägenswert.“
Niklas Kappe, Mitglied der Jungen Gruppe der Unionsfraktion, die im Streit über das Rentengesetz eine zentrale Rolle gespielt hatte, sagte der Welt: „Wir werden nicht darum herumkommen, zwischen verschiedenen Berufsgruppen zu differenzieren.“ Es sei richtig, stärker auf die Jahre zu schauen, die jemand eingezahlt habe.
Wie lauten die Argumente dagegen?
Allerdings gibt es auch Widerstand gegen Südekums Vorstoß: aus Opposition, Wissenschaft und Wirtschaft. Die Linkspartei befürchtet, dass einzelne Berufsgruppen – etwa Akademiker und Handwerker – gegeneinander ausgespielt werden.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge warnte in den Sendern RTL und ntv vor einer Benachteiligung von Frauen. Weil sie noch immer mehr Care-Arbeit übernehmen als Männer, sammeln sie oft weniger Beitragsjahre an. Dadurch müssen sie in ihrem Beruf dann länger arbeiten, sagte Dröge.
Ähnlich äußert sich der Ökonom Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). „Menschen und vor allem Frauen, die viele Jahre ehrenamtlich tätig waren oder sich um die Familie gekümmert haben“, würden schlechter gestellt, sagte der Ökonom der Rheinischen Post.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber (BDA) warnt vor einer Rückkehr zur Rente mit 63 durch die Hintertür. „Der von Bas unterstützte Vorschlag eines einzelnen Beraters ist eine Neuauflage der Rente mit 63 unter einer neuen Überschrift“, so BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter.
Droht wirklich eine Rückkehr zur „Rente mit 63“?
Richtig ist: Menschen, die bereits mit 18 oder 16 Jahren ins Berufsleben eingetreten sind, wären berechtigt, mit 63 oder gar mit 61 in Rente zu gehen – eben nach 45 Beitragsjahren. Schon heute gibt es vor allem in Berufen mit starker körperlicher Belastung die Möglichkeit, früher und dafür mit finanziellen Abschlägen in Rente zu gehen.
Fest steht aber auch, dass es immer mehr Akademikerinnen und Akademiker in Deutschland gibt. Und aktuell zahlt jemand, der erst mit 25 in den Arbeitsmarkt eintritt, lediglich 42 Jahre in die Rentenkasse ein. Hielte dieser Trend an und würde die Rente nicht reformiert, entstünde – zusätzlich zum bereits geschilderten demografischen Problem – also eine weitere Unwucht dadurch, dass immer mehr Arbeitnehmer kürzer in die Rentenkasse einzahlen würden.
Welche Möglichkeiten gibt es sonst noch?
Immer wieder im Gespräch ist eine pauschale Erhöhung des Renteneintrittsalters. Unter anderem Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche von der CDU und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sprechen sich dafür aus und argumentieren mit der steigenden Lebenserwartung der Deutschen. In diesem Kontext gibt es auch die Idee, das Renteneintrittsalter flexibel an die Lebenserwartung zu koppeln.
Jenseits der Frage, wer wie lange ins umlagefinanzierte Rentensystem einzahlt, könnte das System als solches auf den Prüfstand gestellt werden. Denkbar wären mehrere Finanzierungssäulen, wie es viele andere Staaten bereits handhaben. So generieren etwa die Niederlande und Dänemark Gelder für ihre Rentenkassen am Finanzmarkt – Stichwort: Aktienrente. Einen solchen Vorstoß hatte in der vergangenen Legislaturperiode der damalige Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP gestartet.
Geht es um den „großen Wurf“ bei der Reform der Rente, wird auch immer wieder die Auflösung des sogenannten dualen Systems genannt: das Zusammenführen von Pension und Rente. Dann würden auch Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen. Hierfür zeigte sich auch Arbeitsministerin Bas offen.
Experten betonen aber, dass dies keinesfalls von heute auf morgen möglich wäre und horrende Mehrkosten auf den Staat zukämen. Zwar hätte die Rentenkasse zunächst mehr Einnahmen, wenn mit einem Schlag auch alle Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlten. Doch gleichzeitig entstünden Finanzlöcher an anderer Stelle, etwa bei den öffentlichen Arbeitgebern der Beamtinnen und Beamten, die plötzlich den Arbeitgeberanteil der Rentenversicherung übernehmen müssten. Sprich: Bund, Länder und Kommunen müssten gewaltig draufzahlen.
„Wenn von heute auf morgen Beamtinnen und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen würden, würden dadurch Kosten von 20 Milliarden Euro pro Jahr entstehen“, warnt etwa Ruth Maria Schüler vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln im ZDF.
Auch der Wirtschaftsweise Martin Werding betont: „Wenn wir zwei Alterssicherungssysteme zusammenführen, die beide nicht ordentlich vorfinanziert sind, dann kommt da nirgendwo zusätzliches Geld ins Spiel.“








