Angebot der Bundesregierung Viele Afghanen wollen weiter Sicherheit statt Geld
Stand: 12.11.2025 18:38 Uhr
Bis zu 1,5 Millionen Euro stellt die Bundesregierung bereit, damit Afghanen mit Aufnahmezusage nicht nach Deutschland kommen. Am Montag läuft die Frist ab. Aber viele wollen das Angebot offenbar ablehnen.
Es ist Geld, das eigentlich für etwas anderes vorgesehen ist: die humanitäre Aufnahme von Afghaninnen und Afghanen in Deutschland. Sechseinhalb Millionen Euro stehen bereits im Bundeshaushalt für dieses Jahr.
Doch bis zu anderthalb Millionen sollen nun praktisch für einen gegenteiligen Zweck verwendet werden – für die Rückkehr nach Afghanistan. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor, die dem ARD-Studio Neu-Delhi vorliegt.
Die wiederum kritisieren das. Der Grünen-Abgeordnete Leon Eckert sagt: „Ich glaube, da macht sich der Herr Bundesminister Dobrindt das Leben deutlich zu leicht. Und gleichzeitig verstößt er auch gegen den Willen des Parlaments, Gelder zu haben, um Menschen zu retten.“ Ein unmoralisches Angebot sei das, sagt er.
Mail im Auftrag des Innenministeriums
Dieses Angebot gilt jemandem wie Ahmad, einem ehemaligen Staatsanwalt, der – wie er sagt – in seiner früheren Funktion Mitglieder der Taliban, des Haqqani-Terrornetzwerks, des „Islamischen Staats“ und von Al Kaida ins Gefängnis gebracht hatte. Seit der Machtübernahme durch die Radikalislamisten im August 2021 ist er in Gefahr. Auch deshalb will er nicht seinen richtigen Namen veröffentlicht wissen.
Er ist mit seiner Familie nach Pakistan ausgereist, weil die vorige Bundesregierung ihm versprochen hatte, ihn aufzunehmen. Dort wartet er nun schon viele Monate. Vor gut einer Woche hat er eine E-Mail im Auftrag des Bundesinnenministeriums bekommen – wie 700 von gut 1.900 Afghanninen und Afghanen, die in der gleichen Situation sind.
„Unter keinen Umständen zurück nach Afghanistan“
Ein paar tausend Euro pro Person und drei Monate Unterstützung bekämen er, seine Frau und seine Kinder, wenn sie auf die Aufnahme in Deutschland verzichten und stattdessen nach Afghanistan zurückkehren. Er habe noch nicht auf die E-Mail von letzter Woche geantwortet, sagt Ahmad. „Wir warten weiterhin und hoffen, dass die Bundesregierung ihre Entscheidung überdenkt oder das Überprüfungsverfahren wieder aufnimmt.“
Die Sicherheitsüberprüfungen wären für ihn ein großer Schritt Richtung Deutschland. Doch er hat bisher keinen Termin. Geld gegen Rückkehr – dieses Angebot aus Berlin werde er jedenfalls nicht annehmen, da ist er sich sicher. Er könne unter keinen Umständen nach Afghanistan zurückkehren. „Sollte ich hier in Pakistan nicht bleiben können aufgrund fehlender Visa und Schikanen durch die pakistanische Polizei, werde ich versuchen, in ein anderes Land zu fliehen.“
Belastung für Familien
Eva Beyer von der Initiative Kabul Luftbrücke ist mit fast allen der betroffenen Familien in Kontakt. „Der überwiegende Teil der Nachrichten, die uns erreichen, sagen, dass sie das Angebot nicht annehmen können, einfach weil die Gefährdung zu groß ist“, sagt sie. Vereinzelt seien Leute hin- und hergerissen, weil sie zu große Angst hätten und befürchteten, in Pakistan im Stich gelassen zu werden.
Das Angebot aus Berlin belaste die Familien schwer – und es führe auch zu Konflikten zwischen den Ehepartnern, erklärt Beyer. Frauen seien unverhältnismäßig mehr davon betroffen, „weil sie wissen, dass sie, wenn sie zurückgehen nach Afghanistan, keine Chance auf ein unabhängiges Leben mehr haben“.
Bis Montagabend müssen sich die Familien entscheiden, ob sie das Geld annehmen und zurückkehren – oder eben nicht. Wer annimmt, verzichtet dauerhaft darauf, nach Deutschland zu kommen. Doch wer nicht annimmt, so fürchten viele, hat genauso wenig Chancen auf eine Weiterreise.










