Wadephul in China Der deutsche Balanceakt in der Volksrepublik
Stand: 10.12.2025 08:51 Uhr
Zwei Tage dauerte der China-Besuch des Außenministers. Es wurde viel geredet, auch Kritik gab es. Doch die Frage bleibt: Wie viel bewirken Wadephuls Worte beim schwierigen Handelspartner?
„Das war perfekt.“ Johann Wadephul ist begeistert. Er hat soeben seine erste Probefahrt mit einem autonom fahrenden Kleinbus des chinesischen Startup WeRide hinter sich. Als plötzlich ein Hund auf die Straße läuft und das Fahrzeug eigenständig ausweicht, ist der Außenminister beeindruckt. Einen autonom fahrenden Dienstwagen will er trotzdem nicht. Er brauche das Gespräch mit dem Fahrer.
Am zweiten Tag seiner China-Reise fliegt Wadephul nach Guangzhou, drei Flugstunden südlich von Peking, das wichtigste chinesische Wirtschaftszentrum. Dort hat sich seit 2002 auch der deutsche Konzern Herrenknecht angesiedelt. Er baut gigantische Tunnelbohrmaschinen und beliefert von China aus Kunden in ganz Asien.
Als der 83-jährige Firmengründer Martin Herrenknecht den Minister empfängt, strahlt er Zuversicht aus. Trotz der wachsenden Konkurrenz im Land selbst und den Problemen mit von China auferlegten Exportbeschränkungen stellt er sein Engagement in der Volksrepublik nicht in Frage.
Autonomes Fahren – „ein System mit Zukunft“, findet Außenminister Wadephul.
Monopolstellung bei Rohstoffen
Der Außenminister erlebt zwei Firmen, die beide auf ihre Art symbolisieren, wie sich das Verhältnis zwischen Deutschland und China verändert hat. Chinesische Firmen stehen inzwischen stärker für Innovationsfreude. Zugleich setzt die Volksrepublik immer häufiger ihre wirtschaftliche Macht für politische Zwecke ein, verhängt Exportkontrollen, etwa auf Halbleiter und seltene Erden, um anderen Ländern Druck zu machen, vor allem den USA.
Die Folgen bekommen auch deutsche Unternehmen zu spüren. Gerade bei den seltenen Erden, die dringend für High-Tech-Produkte gebraucht werden. China hat bei der Förderung und Verarbeitung der wichtigen Rohstoffe quasi ein Monopol und schränkt seit einigen Monaten die Ausfuhr drastisch ein. Eines der bestimmenden Themen bei den politischen Gesprächen am ersten Tag von Wadephuls Reise.
Der Außenminister mahnt immer wieder fairen Wettbewerb an, klare, kalkulierbare Regeln für den Export der Rohstoffe, die die Unternehmen so dringend von China brauchen. Doch kann Wadephul mehr als appellieren?
Die Erwartungen werden lieber schon im Vorfeld heruntergeschraubt. Mit konkreten Zusagen rechne niemand. Weder bei den Wirtschaftsfragen noch beim Thema Ukraine-Krieg, bei dem China nicht nur Deutschland vor den Kopf stößt, indem es Russland unterstützt.
Suche nach der richtigen Balance
Die Reise sollte auch dazu dienen, den Antrittsbesuch von Bundeskanzler Friedrich Merz vorzubereiten – voraussichtlich in den ersten Monaten des neuen Jahres. Es überrascht also nicht, dass Wadephul am Ende des ersten Tages, nach vielen politischen Gesprächen in Peking, betont, wie wichtig der persönliche Austausch sei und dass man sich versprochen habe, in Kontakt zu bleiben. Offen und intensiv seien die Gespräche gewesen, gut und konstruktiv, der Ton sachlich, klar.
Ohne es je zu sagen, schwingt immer auch ein bisschen mit, dass Wadephul anders auftreten will als seine Vorgängerin Annalena Baerbock von den Grünen. Bei ihrem ersten Besuch in China kam es zu einem Eklat auf offener Bühne. Der damalige Außenminister wies Belehrungen aus Deutschland zurück.
Wadephul will solche Szenen vermeiden, aber auch nicht unterwürfig wirken. Die richtige Balance zu finden, ist eine Herausforderung. Ihm gehe es darum, die eigene Position deutlich zu machen und zugleich die andere Seite besser zu verstehen, sagt der CDU-Politiker.
Erster Anlauf für China-Besuch geplatzt
Es hat schon fast etwas Beschwörendes, als Wadephul mit solchen Formulierungen am Abend des ersten Tages eine Zwischenbilanz zieht. Er will daran glauben, dass ihm zugehört wurde. Und mehr noch, dass er verstanden wurde, und mit ihm die Anliegen Deutschlands und Europas. Seine Gesprächspartner waren hochrangig, vom chinesischen Handelsminister über den Außenminister bis hin zum stellvertretenden Staatschef.
Als der deutsche Außenminister zum ersten Mal geplant hatte, nach China zu reisen, war die chinesische Regierung verärgert über offene Worte Wadephuls zur Drohkulisse der Volksrepublik vor Taiwan. Der CDU-Politiker hatte mehrfach vor einer Eskalation in der Straße vor Taiwan gewarnt.
Als er das Mitte Oktober bei einer Rede im japanisch-deutschen Zentrum Berlin erneut tat, war das einmal zu viel für die chinesische Seite. Plötzlich hing das besprochene Besuchsprogramm in der Luft. Ohne ausreichend vereinbarte Termine hätte der Außenminister nach Peking fliegen müssen. Das Auswärtige Amt zog die Reißleine und verschob den Besuch kurzerhand, nur zwei Tage vor Abreise.
Wadephul hält an Kritik fest
Diese Vorgeschichte scheint den Besuch jedoch nicht über die Maßen belastet zu haben. Wadephul wiederholt sowohl bei den Treffen mit chinesischen Politikern als auch vor deutschen und chinesischen Journalisten in Peking die kritischen Punkte, vor allem zu Taiwan.
Auch in Sachen Krieg gegen die Ukraine wird der Minister deutlich: Er spricht offen an, dass Russlands Machthaber Wladimir Putin den Krieg gegen die Ukraine nur weiterführen könne, weil er auch auf die politische und wirtschaftliche Unterstützung Chinas bauen könne.
China habe „maßgeblichen Einfluss auf Russland“, sagt Wadephul. „Wir wünschen uns, ja erwarten, dass China diesen Einfluss auch nutzt“, um eine gerechte Friedenslösung für die Ukraine voranzubringen.
Die chinesische Führung argumentiert regelmäßig, ihr Einfluss auf Putin werde überschätzt. Unwahrscheinlich, dass sie sich von der Bundesregierung umstimmen lässt.
Nur wenige konkrete Ergebnisse
Beim Thema Exportkontrollen sagt ihm die chinesische Seite zumindest ein paar Erleichterungen für deutsche Firmen zu. Statt aufwändiger Einzellizenzen für den Export der Rohstoffe sollen Firmen künftig allgemeine Lizenzen beantragen können.
Wadephul spricht von einer „guten Zusage“. China habe versichert, dass es keinerlei Bestrebungen gebe, deutsche Unternehmen zu belasten. Der Außenminister verbucht das als Erfolg seiner Gespräche – auch wenn Details unklar und viele Fragen weiter offen sind.
So gibt es am Ende des zweitägigen Besuchs wenig Konkretes, aber eine atmosphärische Verbesserung der Beziehungen. Ihren Austausch wollen beide Regierungen intensivieren, sich wieder regelmäßiger treffen. Das ist die politische Ebene. Wirtschaftlich gesehen liefert China Wadephul einen Grund für mahnende Worte: „Wenn wir nicht den Anschluss verlieren wollen, müssen wir in Deutschland und Europa deutlich besser werden.“










