Vorhaben zum Bürokratieabbau Großer Wurf oder kleiner Schritt?
Stand: 05.11.2025 18:41 Uhr
Das Kabinett beschließt zwei Pakete, mit denen die Entbürokratisierung voranschreiten soll. Digitalminister Wildberger zeigt sich hochzufrieden, andere sind weniger erfreut
Fast 1.200 Energieaufkleber hat Schornsteinfeger Alain Rappsilber in den vergangenen Jahren verklebt. Eine Vorgabe der EU, die vor einigen Jahren auch in Deutschland übernommen wurde. Die Aufkleber oder Labels zeigen an, wie effizient eine Gasheizung ist – von A plus bis E – das System kennt man zum Beispiel von Kühlschränken.
Mit viel Aufwand sei das nicht verbunden, erklärt der Kreuzberger Schornsteinfeger, es gehe ja sehr schnell, das Label aufzukleben. Und für die Kundinnen und Kunden sei es sinnvoll, schnell zu erkennen, ob die Heizung noch zeitgemäß sei. „Wir müssen alle Energie sparen in Zukunft“, so Rappsilber, „und das hilft dabei“.
Warum es nun eine Entbürokratisierungsmaßnahme sein soll, den Aufkleber jetzt abzuschaffen, leuchtet ihm nicht ein. Doch das ist nur ein kleiner Teil des Vorhabens, das der Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) unter dem Titel „Entlastungskabinett“ vorgestellt hat.
Zwei Entbürokratisierungspakete
Einerseits hat das Kabinett acht Gesetzesentwürfe auf den Weg gebracht. Sie sollen eine Entlastung in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro bringen. Dazu gehört auch das Heizungslabel, das abgeschafft werden soll.
Minister Wildberger erklärte, diese Maßnahme solle die Bürger entlasten. Denn oft – das sage er aus eigener Erfahrung – werde das Label in einem separaten Termin aufgeklebt. Soll heißen: Da wird dann nochmal ein weiterer Termin abgerechnet, den die Bürgerinnen und Bürger bezahlen müssen.
Gestrichen werden soll auch die regelmäßige Pflicht zur Weiterbildung von Wohnimmobilienverwaltern und Maklern. Und es soll künftig möglich sein, dass Grundstückskaufverträge komplett digital vollzogen und zwischen Notaren, Gerichten und Behörden dann elektronisch ausgetauscht werden können. In Deutschland werden nach Angaben des Justizministeriums pro Jahr über eine Million Immobilienkaufverträge beurkundet.
50 Eckpunkte
Andererseits hat das Kabinett 50 Eckpunkte beschlossen. Sie sind die Grundlage für Entlastungsgesetze, die in den kommenden Monaten auf den Weg gebracht werden sollen.
Für Minister Wildberger ist dieser Teil noch wichtiger als die acht Gesetzesvorhaben, er spricht davon, dass diese Eckpunkte „zu substanziellen Entlastungen für die Bürger und die Wirtschaft“ führen sollen. Das ist gewissermaßen das Herzstück der gesamten Entbürokratisierungsbemühungen, eines der zentralen Projekte der schwarz-roten Regierung, es soll eine Entlastung von mehreren Milliarden Euro bringen.
Fachkräfteagentur, Änderungen im Baurecht, etc.
Auf den Weg gebracht werden soll zum Beispiel eine „Work-and-Stay-Agentur“, eine zentrale Anlaufstelle für Formalitäten für ausländische Fachkräfte. So soll die gesamte Antragstellung zentral über ein digitales Portal erfolgen.
Umgesetzt werden soll auch eine Reform des Gebäudetyp-E-Gesetzes. Klingt sperrig, gemeint ist eine Änderung des Bauvertragsrechts, damit schneller und günstiger gebaut werden kann “ auch indem von „nicht zwingenden Ausstattungsstandards“ leichter abgewichen werden kann. Oder wie es im etwas kuriosen Werbe-Wording des Ministeriums heißt: „Weniger Muss, mehr Haus.“
Beim Arbeitsschutz soll es ein Sofortprogramm für eine Vereinfachung geben, es stammt aus dem Arbeitsministerium. Die Verpflichtung für Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten entfällt die Pflicht, einen Sicherheitsbeauftragten zu bestellen. Größere Unternehmen mit bis 250 Beschäftigten sollen sich künftig auf einen Beauftragten beschränken können. Schätzungsweise 123.000 Beauftragte könnten so entfallen. Und sogenannte Druckluftbeauftragte sollen ganz abgeschafft werden. All das: „ein Paket, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat“, so Minister Wildberger.
Nicht der große Wurf?
Ralph Brinkhaus, Unionsabgeordneter im Parlament und Mitglied im Digitalausschuss, dämpfte allerdings die Erwartungen. Im ARD-Morgenmagazin sagte Brinkhaus, die Pakete seien nicht der große Wurf, sondern es gehe um den nächsten Schritt, der gemacht werden müsse. Es gebe aber keine Bundesregierung, die so intensiv am Bürokratieabbau arbeite, wie die aktuelle.
Wirtschaftsverbände forderten eine rasche Umsetzung des Bürokratieabbaus und weitere Schritte. Der begonnene Prozess müsse entschlossen fortgesetzt werden. DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov will einen Befreiungsschlag. Der Bundesverband der Deutschen Industrie war nicht zufrieden. Er hatte eine eigene Liste mit 250 Vorschlägen für den Bürokratieabbau vorgelegt.
Vorschläge des Schornsteinfegers
Auch der Kreuzberger Schornsteinfeger Alain Rappsilber berichtet über Entbürokratisierungsmaßnahmen, die ihm und seiner Branche helfen würden. Er müsse zum Beispiel für knapp 460 Hausaufgänge Gefährdungsbeurteilungen schreiben und einschätzen, ob das Licht ausreichend sei oder die Handläufe sicher.
Aber er traue seinen Mitarbeitern durchaus zu, das selbst einzuschätzen, ohne dass er den Weg vorab ablaufen müsste. Die Abschaffung der Gefährdungsbeurteilungen – das sei für ihn ein wichtiger Schritt beim Bürokratieabbau.










