Abstimmung im Bundestag
Grünen-Chef fordert Linke zur Wahl der Richterkandidaten auf
Stand: 08:30 UhrLesedauer: 4 Minuten
An diesem Donnerstag entscheidet der Bundestag über die offenen Stellen am Verfassungsgericht. Die Grünen versprechen Rückendeckung – und fordern dies auch von der Linkenfraktion.
Die Grünen wollen bei der Wahl neuer Verfassungsrichter im Bundestag am Donnerstag geschlossen für alle drei Kandidaten fürs Bundesverfassungsgericht stimmen – und haben auch die Linksfraktion zu diesem Schritt aufgerufen. „Das ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen der Linken und uns“, sagte der grüne Co-Parteichef Felix Banaszak dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ („RND“). „Wir sind in inhaltlichen Fragen zwar glasklar in der Opposition gegenüber dieser Regierung – aber wir wissen, wann Demokraten Verantwortung zu übernehmen haben. Und das ist jetzt so ein Moment.“
Die neue SPD-Kandidatin Sigrid Emmenegger sei „eine gute und über alle Zweifel erhabene Kandidatin“, sagte Banaszak. Aufgabe der Koalition sei es nun, „das unwürdige Schauspiel der letzten Monate zu beenden und demokratische Mehrheiten für alle drei Kandidatinnen sicherzustellen – auch bei den demokratischen Oppositionsfraktionen“.
Die Grünen wollen nach den Worten ihres Parteivorsitzenden nicht riskieren, dass durch ein erneutes Scheitern das Bundesverfassungsgericht Schaden nimmt. Viele Menschen seien besorgt, „wohin die Gesellschaft driftet. Insbesondere mit einer CDU/CSU, die ihren Kurs da leider noch sucht“, sagte er. Dies habe „das Debakel um die Verfassungsrichterkandidatin Brosius-Gersdorf“ gezeigt. Die Union habe sich bei der SPD-Kandidatin „von einem rechtspopulistischen Hetzportal treiben lassen und die Beschädigung demokratischer Institutionen riskiert“, kritisierte der Grünen-Chef.
Der Bundestag entscheidet am Donnerstag im zweiten Anlauf über drei neu zu besetzende Richterstellen am Bundesverfassungsgericht. Die schwarz-rote Koalition verfügt nicht über eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag; selbst wenn die oppositionellen Grünen mit der Koalition für die Kandidaten stimmten, würden rechnerisch noch sieben Stimmen fehlen. Diese müssten von Linksfraktion oder AfD kommen.
Der erste Anlauf der Richterwahl war im Juli kurz vor der parlamentarischen Sommerpause gescheitert, weil die Union ihre zuvor zugesicherte Zustimmung für die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zurückgezogen hatte. Diese zog in der Folge ihre Kandidatur zurück, die SPD nominierte stattdessen die Juristin Emmenegger. Der Vorgang sorgte für erhebliche Verstimmungen in der Koalition.
Zur Abstimmung für die drei Stellen stehen neben Emmenegger die von der SPD vorgeschlagene Rechtswissenschaftlerin Ann-Katrin Kaufhold und der Union nominierte Arbeitsrichter Günter Spinner. Anders als bei Gesetzen, über die namentlich abgestimmt wird, ist hier eine geheime Wahl vorgesehen – dies erhöht den Unsicherheitsfaktor, weil Fraktionsführungen keinen disziplinierenden Druck auf Abgeordnete ausüben können. Unions-Fraktionschef Jens Spahn (CDU) stellte diesmal aber eine Zustimmung seiner Fraktion für die SPD-Kandidatinnen in Aussicht.
Mit einem Ergebnis ist gegen 18.30 Uhr zu rechnen
Die Wahlurnen sind 120 Minuten geöffnet, mit einem Ergebnis könnte gegen 18.30 Uhr zu rechnen sein. Anders als im Juli ist diesmal nur ein Wahlgang vorgesehen. Das heißt, dass die Abgeordneten bei der Wahl alle drei Namen der Kandidaten auf einem einzigen Stimmzettel haben werden. Sie können jeweils mit „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ für die einzelnen Kandidaten stimmen – die also voneinander abweichende Ergebnisse haben dürften.
Zum Richter ist gewählt, wer eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen auf sich vereint – und gleichzeitig mindestens die Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages. Sollten alle 630 Abgeordneten anwesend sein, dann kommen CDU/CSU, SPD und Grüne zusammen auf 413 Abgeordnete. Nötig wären 420 Ja-Stimmen.
In Koalitionskreisen zirkuliert eine Modellrechnung, falls weniger Abgeordnete zur Abstimmung kommen: Damit beide Quoren erreicht werden, müssten danach mindestens 474 Parlamentarier ihre Stimme abgeben (ohne Enthaltungen). Davon müssen mindestens Zweidrittel zustimmen, damit beide Mehrheitserfordernisse erfüllt sind. (316 sind Zweidrittel von 474 und mehr als die Hälfte von 630).
Am wackeligsten von den drei Kandidaten gilt Günter Spinner. Die Union setzt darauf, dass ihr Kandidat die Rückendeckung aller Karlsruher Richter hat und deswegen gewählt wird. Die Linke ist aber sauer, weil die Union nicht mit ihr über den Kandidaten reden wollte. Grund dafür ist ein Parteitagsbeschluss der CDU, der eine inhaltliche Zusammenarbeit mit der Linken untersagt hat.
Die Linke steht nach Aussage von Fraktionschefin Heidi Reichinnek geschlossen hinter den beiden SPD-Kandidatinnen, beim Unionskandidaten überlässt die Fraktion ihren Abgeordneten die Entscheidung. „Es werden verschiedene Abgeordnete verschieden abstimmen“, sagte Reichinnek in den ARD-„Tagesthemen“.
Die AfD ist in die Absprachen nicht eingebunden. Die Fraktion erklärte, weder mit Spinner noch Emmenegger ein Problem zu haben, aber die Kandidatin Kaufhold abzulehnen.
AFP/Reuters/dpa/gub