Interview Steffen Bilger „Wir wissen, was wir an Jens Spahn haben“
Interview | Berlin · Union und SPD wollen nun besser zusammenarbeiten. Für den neuen Parlamentsgeschäftsführer der Union, Steffen Bilger (CDU), ist das Debakel bei der Richterwahl aufgearbeitet, Steuererhöhungen sind vom Tisch – und Jens Spahn kann aufatmen.
Unionsparlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger (CDU). Er sieht die Koalition wieder auf gutem Weg.
Foto: Michael Kappeler/dpa/Michael Kappeler
Herr Bilger, Hand aufs Herz, wie lange hält der neue Koalitionsfrieden?
Bilger Wir hatten eine sehr erfolgreiche Tagung in Würzburg. Vor allem für die Atmosphäre in der Koalition war es gut, dass wir Gelegenheit hatten, uns besser kennenzulernen und mehr gegenseitiges Verständnis zu entwickeln. Es ist noch einmal allen deutlich geworden, welche Verantwortung wir gemeinsam tragen. Daher bin ich zuversichtlich, dass wir trotz manch unterschiedlicher Auffassung vertrauensvoll zusammenarbeiten können. Es stehen entscheidende Wochen bevor. Diese gehen wir jetzt gemeinsam motiviert an.
Bilger In den kommenden Monaten wird es unter anderem um die Umsetzung von Sozialreformen gehen, um das Rentenpaket und die Neugestaltung des Bürgergeldes. Auch muss der Bundestag die Haushalte für die Jahre 2025 und 2026 beschließen. Wir haben uns bei der Klausurtagung auf einen konkreten Arbeitsplan verständigt. Den werden wir jetzt konsequent abarbeiten.
Sie sprechen die Punkte an, die durchaus für neue Auseinandersetzungen sorgen könnten. Wie wollen Sie die verhindern?
Bilger Wir sind uns einig, dass wir uns eng am Koalitionsvertrag orientieren sollten. Natürlich haben die einzelnen Koalitionsparteien unterschiedliche Überzeugungen, aber wir haben in den Koalitionsverhandlungen gemeinsame Vereinbarungen getroffen zu Reformen beim Bürgergeld oder der Rente. Wenn das alle als unsere Arbeitsgrundlage beherzigen, können wir Streit vermeiden.
2026 gibt es wieder eine Nullrunde für Bürgergeldempfänger. Wie tief werden die Einschnitte beim Bürgergeld noch werden?
Bilger Es ist bereits ein richtiges Signal, dass die Bundesregierung plant, die Regelbedarfe nächstes Jahr nicht zu erhöhen. Das zeigt, dass die Bürgergeldkosten nicht immer weiter steigen müssen. Darüber hinaus sind grundlegende Änderungen überfällig. Deshalb reformieren wir das Bürgergeld und ersetzen es durch eine neue Grundsicherung. Es wird mehr Sanktionsmöglichkeiten bei denjenigen geben, die nicht arbeiten wollen, es aber könnten. Das ist auch eine Frage der Fairness gegenüber denen, die arbeiten gehen und Steuern zahlen. Zugleich wird es mehr Unterstützung geben bei der Arbeitsvermittlung. Und für neu ankommende ukrainische Flüchtlinge wird es kein Bürgergeld mehr geben. Mit all diesen Maßnahmen werden wir notwendige Einsparungen erzielen, so wie es auch im Koalitionsvertrag vereinbart ist.
Erhöhen die jüngsten Arbeitslosenzahlen von drei Millionen den Reformdruck?
Bilger Die neuen Arbeitslosenzahlen verdeutlichen, was in Deutschland in der Wirtschafts- und in der Arbeitsmarktpolitik zu tun ist. Es gibt ja gleichzeitig viele offene Stellen, die nicht besetzt werden können, weil auch Druck oder Anreize fehlen, einen Job anzunehmen. Das werden wir ändern.
Sind Steuererhöhungen für Reiche definitiv vom Tisch, oder kann sich die SPD noch Hoffnungen machen?
Bilger Da gibt es unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionsparteien. Aber wir haben diese Frage bereits ausdiskutiert. Der Koalitionsvertrag sieht keine Steuererhöhungen vor. Das ließe sich in Zeiten von Rekordschulden und Rekord-Steuereinnahmen keinem erklären. Stattdessen wollen wir konsolidieren, reformieren und einsparen. Unser gemeinsames Ziel ist es, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und kleine und mittlere Einkommen zu entlasten.
Wie groß ist die Sprengkraft der anstehenden Haushaltsberatungen?
Bilger CDU, CSU und SPD sind in der gemeinsamen Verantwortung, weiter Sparpotenziale in den Etats der einzelnen Bundesministerien zu identifizieren. Unser Anspruch ist klar: Wo das Geld der Steuerzahler nicht sinnvoll eingesetzt wird, müssen Einsparungen erzielt werden.
Bilger Ich sage ausdrücklich: Es geht nicht nur um Sozialreformen, um für Einsparungen zu sorgen. In jedem einzelnen Etat gibt es Ausgaben, die nicht nötig sind. Konkret vereinbart sind Stellenstreichungen in allen Bereichen außer Verteidigung und Innere Sicherheit. Förderprogramme müssen auf den Prüfstand. Zugleich gilt: Wollen wir die Haushaltsprobleme lösen, muss die Wirtschaft wieder in Schwung kommen. Die Senkung der Strompreise ist bereits beschlossen, die Abschreibungsmöglichkeiten der Unternehmen für Investitionen werden deutlich verbessert. Das trägt dazu bei, dass die Wirtschaft wieder wachsen kann und der Staat mehr Einnahmen generieren kann.
Ein großes Streitthema war die gescheiterte Richterwahl. Sichern Sie der SPD zu, dass sich das nicht wiederholen wird?
Bilger Wir haben intern und mit der SPD aufgearbeitet, was da nicht gut gelaufen ist. Zum weiteren Verfahren sind wir in Gesprächen mit der SPD. Wir wollen als Koalition die drei offenen Stellen, die es derzeit beim Verfassungsgericht gibt, zeitnah gut besetzen.
Ihr Fraktionschef Jens Spahn ist stark in die Kritik geraten, weil er nicht für die nötige Mehrheit in der Union sorgen konnte. Wie viele Fehler kann er sich noch erlauben?
Bilger Sicherlich ist bei der Richterwahl einiges nicht gut gelaufen, aber dafür ist nicht allein unser Fraktionsvorsitzender verantwortlich. Jens Spahn hat in diesen Zeiten keine leichte Aufgabe, auch wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse, die wir als Koalition haben. Ich nehme in unserer Fraktion jedenfalls einen großen Rückhalt für Jens Spahn wahr. Wir wissen, was wir an ihm haben und schauen jetzt nach vorne.
Interview Steffen Bilger „Wir wissen, was wir an Jens Spahn haben“
Interview | Berlin · Union und SPD wollen nun besser zusammenarbeiten. Für den neuen Parlamentsgeschäftsführer der Union, Steffen Bilger (CDU), ist das Debakel bei der Richterwahl aufgearbeitet, Steuererhöhungen sind vom Tisch – und Jens Spahn kann aufatmen.
Unionsparlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger (CDU). Er sieht die Koalition wieder auf gutem Weg.
Foto: Michael Kappeler/dpa/Michael Kappeler
Herr Bilger, Hand aufs Herz, wie lange hält der neue Koalitionsfrieden?
Bilger Wir hatten eine sehr erfolgreiche Tagung in Würzburg. Vor allem für die Atmosphäre in der Koalition war es gut, dass wir Gelegenheit hatten, uns besser kennenzulernen und mehr gegenseitiges Verständnis zu entwickeln. Es ist noch einmal allen deutlich geworden, welche Verantwortung wir gemeinsam tragen. Daher bin ich zuversichtlich, dass wir trotz manch unterschiedlicher Auffassung vertrauensvoll zusammenarbeiten können. Es stehen entscheidende Wochen bevor. Diese gehen wir jetzt gemeinsam motiviert an.
Bilger In den kommenden Monaten wird es unter anderem um die Umsetzung von Sozialreformen gehen, um das Rentenpaket und die Neugestaltung des Bürgergeldes. Auch muss der Bundestag die Haushalte für die Jahre 2025 und 2026 beschließen. Wir haben uns bei der Klausurtagung auf einen konkreten Arbeitsplan verständigt. Den werden wir jetzt konsequent abarbeiten.
Sie sprechen die Punkte an, die durchaus für neue Auseinandersetzungen sorgen könnten. Wie wollen Sie die verhindern?
Bilger Wir sind uns einig, dass wir uns eng am Koalitionsvertrag orientieren sollten. Natürlich haben die einzelnen Koalitionsparteien unterschiedliche Überzeugungen, aber wir haben in den Koalitionsverhandlungen gemeinsame Vereinbarungen getroffen zu Reformen beim Bürgergeld oder der Rente. Wenn das alle als unsere Arbeitsgrundlage beherzigen, können wir Streit vermeiden.
2026 gibt es wieder eine Nullrunde für Bürgergeldempfänger. Wie tief werden die Einschnitte beim Bürgergeld noch werden?
Bilger Es ist bereits ein richtiges Signal, dass die Bundesregierung plant, die Regelbedarfe nächstes Jahr nicht zu erhöhen. Das zeigt, dass die Bürgergeldkosten nicht immer weiter steigen müssen. Darüber hinaus sind grundlegende Änderungen überfällig. Deshalb reformieren wir das Bürgergeld und ersetzen es durch eine neue Grundsicherung. Es wird mehr Sanktionsmöglichkeiten bei denjenigen geben, die nicht arbeiten wollen, es aber könnten. Das ist auch eine Frage der Fairness gegenüber denen, die arbeiten gehen und Steuern zahlen. Zugleich wird es mehr Unterstützung geben bei der Arbeitsvermittlung. Und für neu ankommende ukrainische Flüchtlinge wird es kein Bürgergeld mehr geben. Mit all diesen Maßnahmen werden wir notwendige Einsparungen erzielen, so wie es auch im Koalitionsvertrag vereinbart ist.
Erhöhen die jüngsten Arbeitslosenzahlen von drei Millionen den Reformdruck?
Bilger Die neuen Arbeitslosenzahlen verdeutlichen, was in Deutschland in der Wirtschafts- und in der Arbeitsmarktpolitik zu tun ist. Es gibt ja gleichzeitig viele offene Stellen, die nicht besetzt werden können, weil auch Druck oder Anreize fehlen, einen Job anzunehmen. Das werden wir ändern.
Sind Steuererhöhungen für Reiche definitiv vom Tisch, oder kann sich die SPD noch Hoffnungen machen?
Bilger Da gibt es unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionsparteien. Aber wir haben diese Frage bereits ausdiskutiert. Der Koalitionsvertrag sieht keine Steuererhöhungen vor. Das ließe sich in Zeiten von Rekordschulden und Rekord-Steuereinnahmen keinem erklären. Stattdessen wollen wir konsolidieren, reformieren und einsparen. Unser gemeinsames Ziel ist es, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und kleine und mittlere Einkommen zu entlasten.
Wie groß ist die Sprengkraft der anstehenden Haushaltsberatungen?
Bilger CDU, CSU und SPD sind in der gemeinsamen Verantwortung, weiter Sparpotenziale in den Etats der einzelnen Bundesministerien zu identifizieren. Unser Anspruch ist klar: Wo das Geld der Steuerzahler nicht sinnvoll eingesetzt wird, müssen Einsparungen erzielt werden.
Bilger Ich sage ausdrücklich: Es geht nicht nur um Sozialreformen, um für Einsparungen zu sorgen. In jedem einzelnen Etat gibt es Ausgaben, die nicht nötig sind. Konkret vereinbart sind Stellenstreichungen in allen Bereichen außer Verteidigung und Innere Sicherheit. Förderprogramme müssen auf den Prüfstand. Zugleich gilt: Wollen wir die Haushaltsprobleme lösen, muss die Wirtschaft wieder in Schwung kommen. Die Senkung der Strompreise ist bereits beschlossen, die Abschreibungsmöglichkeiten der Unternehmen für Investitionen werden deutlich verbessert. Das trägt dazu bei, dass die Wirtschaft wieder wachsen kann und der Staat mehr Einnahmen generieren kann.
Ein großes Streitthema war die gescheiterte Richterwahl. Sichern Sie der SPD zu, dass sich das nicht wiederholen wird?
Bilger Wir haben intern und mit der SPD aufgearbeitet, was da nicht gut gelaufen ist. Zum weiteren Verfahren sind wir in Gesprächen mit der SPD. Wir wollen als Koalition die drei offenen Stellen, die es derzeit beim Verfassungsgericht gibt, zeitnah gut besetzen.
Ihr Fraktionschef Jens Spahn ist stark in die Kritik geraten, weil er nicht für die nötige Mehrheit in der Union sorgen konnte. Wie viele Fehler kann er sich noch erlauben?
Bilger Sicherlich ist bei der Richterwahl einiges nicht gut gelaufen, aber dafür ist nicht allein unser Fraktionsvorsitzender verantwortlich. Jens Spahn hat in diesen Zeiten keine leichte Aufgabe, auch wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse, die wir als Koalition haben. Ich nehme in unserer Fraktion jedenfalls einen großen Rückhalt für Jens Spahn wahr. Wir wissen, was wir an ihm haben und schauen jetzt nach vorne.