Friedland
Iraker soll 16-Jährige vor Zug gestoßen haben – Gericht wirft Ausländerbehörde Fehler vor
Stand: 08:35 UhrLesedauer: 3 Minuten
Ein 31-jähriger Iraker soll ein 16-jähriges Mädchen in Niedersachsen getötet haben. Die Behörden wollten den abgelehnten Asylbewerber im Sommer in Abschiebehaft nehmen, scheiterten jedoch. Das Amtsgericht Hannover spricht von einem mangelhaften Antrag auf Abschiebehaft.
Der gewaltsame Tod der 16-jährigen Ukrainerin Liana auf dem Bahnhof im niedersächsischen Friedland sorgt für Entsetzen. Die Behörden gehen davon aus, dass ein 31-jähriger Iraker die Jugendliche am 11. August gegen einen durchfahrenden Güterzug gestoßen hat.
Der Tatverdächtige Muhammad A. wurde in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen. In der Vergangenheit sei bei ihm eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden, heißt es.
Kritik gibt es nun an den Behörden. Denn der abgelehnte Asylbewerber hätte eigentlich nicht mehr im Land sein sollen.
Gericht: Antrag der Behörde mangelhaft
Der Mann war 2022 in Braunschweig erstmals von der Bundespolizei kontrolliert worden und habe dabei ein Asylbegehren geäußert, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Sein Antrag sei im Dezember 2022 abgelehnt worden, eine Abschiebung nach Litauen sei seit März 2025 möglich gewesen. Zwischenzeitlich habe der 31-Jährige eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt und sich danach erneut in Friedland als Asylsuchender gemeldet.
Im Juli 2025 stellte die Ausländerbehörde einen Antrag auf Abschiebehaft. Das Amtsgericht Hannover lehnte das jedoch ab. Der Antrag sei so mangelhaft gewesen, dass das Gericht diesen nicht einmal hätte prüfen dürfen, teilte das Amtsgericht der „Bild“-Zeitung mit.
„Das Gericht hat die Ausländerbehörde vor seiner Entscheidung auf die Mängel hingewiesen und der Behörde Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben. Die Mängel wurden nicht behoben“, zitiert die „Bild“ das Gericht. Eine Voraussetzung für die „Überstellungshaft“ wäre etwa eine erhebliche Fluchtgefahr gewesen. Diese habe aber die Ausländerbehörde in ihrem Antrag nicht detailliert begründet, heißt es beim Amtsgericht. „Fehlt es an diesen Darlegungen, muss der Antrag zurückgewiesen werden. Das war auch hier der Grund für die Ablehnung.“
Der Fall zeige einmal mehr die massiven Probleme des sogenannten Dublin-Verfahrens, sagte Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD). Das Dublin-Verfahren regelt die Verteilung von Asylbewerben in Europa. Demnach hätte der Verdächtige nicht mehr in Deutschland, sondern in Litauen sein sollen.
Nach dem Tod der Jugendlichen war die Polizei zunächst von einem Unglück ausgegangen. Noch am Mittwoch hatte die Polizei ausdrücklich vor Spekulationen in sozialen Netzwerken gewarnt. Erst das spätere Ergebnis eines DNA-Abgleichs führte zu dem nun erhobenen Verdacht gegen den 31-Jährigen.
Jugendliche rief Großvater kurz vor ihrem Tod an
Mehreren Medienberichten zufolge hatten die Eltern der Jugendlichen bereits früh Zweifel an der anfänglichen Unfallvermutung geäußert. Die 16-Jährige, die mit ihrer Familie aus dem ukrainischen Mariupol geflohen war, galt als äußert zuverlässig. Sie hatte nach ihrem Schulabschluss eine Ausbildung bei einem Zahnarzt begonnen und war für ihre jüngeren Geschwister eine Bezugsperson.
Die 16-Jährige hatte offenbar kurz vor ihrem Tod in ihrer Angst noch ihren Großvater angerufen. Dieser machte sich zwar sofort auf den Weg zu ihr. Doch es war zu spät. „Ihr Opa musste alles mitanhören“, zitiert die „Bild“-Zeitung den Bürgermeister Markus Janitzki aus Geisleden in Thüringen, wo die Familie nach ihrer Flucht im Juli 2022 zunächst untergekommen war. „Er hörte Schreie, dann nur noch Zugrauschen.“
ll mit dpa/AFP