
Umstrittener „Stadtbild“-Satz Merz will Äußerung nicht zurücknehmen – „im Gegenteil“
Stand: 20.10.2025 15:55 Uhr
CDU-Chef Merz hat die klare Abgrenzung von der AfD bekräftigt. Allerdings steht Merz selber derzeit wegen einer Wortwahl in der Kritik, die an Äußerungen aus der AfD erinnert. Zurücknehmen will er sie nicht.
Bundeskanzler Friedrich Merz hat nach der zweitägigen Präsidiumsklausur seiner Partei eine klare Abgrenzung der CDU zur AfD bekräftigt. Merz bezeichnete die AfD als „Hauptgegner“ der CDU in den bevorstehenden Landtagswahlen und schloss jegliche Zusammenarbeit mit der Partei unter seiner Führung strikt aus. Ähnlich hatte er sich bereits im Vorfeld der Klausurtagung geäußert.
Merz betonte, dass die AfD nicht nur die Politik der vergangenen zehn Jahre infrage stelle, sondern auch die grundlegenden Entscheidungen der Bundesrepublik Deutschland seit 1949. „Es trennen uns nicht nur Details, es trennen uns grundsätzliche politische Überzeugungen“, sagte der CDU-Chef.
„Anderes Deutschlandbild“ gegen „Miesmacherrhetorik“
Der „Miesmacherrhetorik“ der AfD wolle er ein „anderes Deutschlandbild“ entgegensetzen, sagte Merz. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte, Hauptgeschäftsmodell der AfD seien Probleme. Deshalb habe sie „Hunger nach neuen Problemen“ und sei gar nicht darauf eingestellt, nach Lösungen zu suchen. Dem wolle man ein Bild entgegensetzen, das positiv und optimistisch sei.
AfD-Chefin Alice Weidel kritisierte nach Merz‘ jüngsten Aussagen erneut die Absage der CDU an eine Zusammenarbeit mit ihrer Partei. Dass die „Brandmauer“ bleiben solle, zeige: „Merz und seine Funktionäre mauern die Union weiter ein“, schrieb Weidel im Onlinedienst X.
Merz wegen „Stadtbild“-Aussage in der Kritik
Merz steht derzeit wegen einer Äußerung in der Kritik, die viele als pauschale Abwertung von Migranten verstanden hatten – etwas, was bislang vor allem AfD-Politikern zugeschrieben wurde.
Grüne und Linke forderten eine Entschuldigung von Merz, aber auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner – wie Merz ein CDU-Politiker – distanzierte sich von der Wortwahl.
„Haben immer im Stadtbild noch dieses Problem“
Merz war bei einem Termin in Potsdam am Dienstag vergangener Woche von einem Reporter auf das Erstarken der AfD angesprochen worden. Daraufhin sagte der Kanzler, dass seine Regierung dabei sei, „Versäumnisse“ in der Migrationspolitik zu korrigieren und dabei auch Fortschritte mache, was die binnen eines Jahres gesunkene Zahl an neuen Asylanträgen zeige. Und dann folgte eben dieser Satz:
Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.
Merz: Habe viel Zustimmung bekommen
Merz nahm nach der CDU-Klausurtagung erstmals persönlich Stellung zu der Kritik an der Äußerung und sieht keinen Grund für eine Entschuldigung. „Ich habe gar nichts zurückzunehmen. Im Gegenteil, ich unterstreiche es noch einmal. Wir müssen daran etwas ändern und der Bundesinnenminister ist dabei, etwas daran zu ändern.“
Merz betonte, er habe viel Zustimmung für seine Äußerung bekommen. „Fragen Sie Ihre Kinder, fragen Sie Ihre Töchter, fragen Sie im Freundes- und Bekanntenkreis herum: Alle bestätigen, dass das ein Problem ist – spätestens mit Einbruch der Dunkelheit.“ Es gehe um die „Sicherheit im öffentlichen Raum“, betonte der CDU-Vorsitzende. Nur wenn diese gewährleistet sei, würden die Menschen „auch Vertrauen zurück zu den politischen Parteien“ finden.
Wegner: „Das zu pauschal zu sagen, halte ich für falsch“
Die Kritik an Merz entzündete sich allerdings nicht an seiner Forderung nach mehr Sicherheit, sondern ausdrücklich an seiner Wortwahl. „Kriminalität sollte man nie mit einem Gefühl begegnen, sondern immer mit belastbaren Zahlen“, so formulierte es Berlins Regierender Bürgermeister Wegner. Es sei wichtig, Täterkreise zu benennen, wo sich diese in den Statistiken zeigten: „Aber das zu pauschal zu sagen, halte ich für falsch.“
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir pflichtete Merz bei, dass es tatsächlich „unerträgliche Zustände“ in den Innenstädten gebe. Damit müsse man sich jetzt beschäftigen. „Wenn wir es nicht machen, dann ist es quasi ein Aufruf, AfD zu wählen“. Er fordere aber ausdrücklich, das Thema Migration sensibler zu behandeln und nicht zu pauschalisieren.
Das „Klügste in der Debatte“ habe der Regierende Bürgermeister von Berlin gesagt, so Özdemir im Bericht aus Berlin. Er habe auf den Punkt gebracht, was das eigentliche Problem sei: Kriminalität, Gewalt, Müll.
Integrationsbeauftragte: Das hilft den Falschen
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik, sagte, Migration dürfe nicht durch verkürzte oder populistische Schnellschüsse stigmatisiert werden. Das spalte die Gesellschaft noch mehr und helfe am Ende den Falschen, statt Lösungen zu fördern. Der Großteil der Menschen, die in den vergangenen Jahrzehnten nach Deutschland gekommen seien, sei gut integriert und habe eine hohe Identifikation mit dem Land. „Wir sollten aufpassen, dass wir das nicht zerstören“, mahnte die SPD-Politikerin.
CSU-Chef Markus Söder bezeichnete die Debatte hingegen als „Wortklauberei“. In vielen Städten gebe es Probleme. „An Hauptbahnhöfen, in Schwimmbädern, an manchen Marktplätzen ist dies natürlich für einen ganz großen Teil der Bevölkerung eine Herausforderung“, so der CSU-Parteichef, der sich seinerseits auch erneut klar von der AfD abgrenzte. Die AfD sei eine „rechtsextreme Kaderpartei“, sie sei autoritär, moskautreu und gehe von einem Freiheitsbegriff aus, der keine Minderheiten schütze. Für die CSU sei die AfD „der Systemfeind“.
Aktionsplan zur Abwehr hybrider Bedrohungen
Merz nahm nach der Klausurtagung noch zu einer Reihe weiterer Themen Stellung. Im Bereich der nationalen Sicherheit kündigte er einen Aktionsplan zur Abwehr hybrider Bedrohungen an, die unterhalb der Schwelle eines offenen militärischen Konflikts liegen. Der neu eingerichtete Nationale Sicherheitsrat der Bundesregierung werde sich in seiner konstituierenden Sitzung mit diesem umfassenden Plan befassen, der Maßnahmen gegen Spionage, Sabotage und Drohnenangriffe umfasst.
Die schwarz-rote Koalition rief der Kanzler zu weniger Streit auf. „Die Regierung muss Probleme lösen“, so Merz, sie dürfe nicht den Eindruck erwecken, dass sie zerstritten ist. Merz räumte dennoch Fehler ein. Nach einem erfolgreichen Koalitionsausschuss habe es „plötzlich“ eine Auseinandersetzung in der SPD-Fraktion zum Wehrdienstgesetz gegeben. So etwas dürfe sich nicht wiederholen. Er habe dazu mit Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) telefoniert. Man wolle sich in den nächsten Tagen zusammensetzen, um das Problem lösen, sagte Merz.