Parteien beraten nach NRW-Kommunalwahlen Ein Warnsignal für Berlin?
Stand: 15.09.2025 09:19 Uhr
Die CDU siegt bei den NRW-Kommunalwahlen klar – doch die AfD kann ihr Ergebnis fast verdreifachen. Mit Blick auf die wichtigen Landtagswahlen 2026 bereitet das auch in Berlin Sorge. CDU-Generalsekretär Linnemann sieht im Ergebnis einen Auftrag.
Nach der Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen setzen sich heute die Parteigremien auf Landes- und Bundesebene mit den Ergebnissen auseinander. Auch mit Blick auf die wichtigen Landtagswahlen im kommenden Jahr gibt es Beratungsbedarf in den Berliner Parteizentralen. Im März werden in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und im September in Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern neue Landesparlamente gewählt.
Vor allem das Erstarken der AfD löst bei den anderen Parteien Sorge aus. In NRW blieb die CDU trotz leichter Rückgänge im Vergleich zu 2020 zwar klar die stärkste Kraft. Die AfD verdreifachte ihr Ergebnis im bevölkerungsreichsten Bundesland aber fast, sie landete auf dem dritten Platz hinter der SPD.
Linnemann: „Müssen die Probleme lösen“
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zeigte sich mit dem Ergebnis seiner Partei zufrieden. „Wir sind die Kommunalpartei Nummer eins“, sagte er im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Mit Blick auf das gute Abschneiden der AfD betonte er, dass die CDU weiterhin „mehr als doppelt so groß“ sei.
„Wir müssen schlicht und einfach die Probleme lösen“, sagte Linnemann. „Der Staat muss seinem Ordnungsversprechen nachkommen.“ Den Bürgerinnen und Bürgern müsse „nicht nur objektiv sondern auch subjektiv“ Sicherheit gegeben werden, und der Staat müsse funktionieren. Die CDU habe bereits durch eine Senkung der Zahlen illegaler Migration Erfolge verzeichnet. Da müsse man nun bei anderen Themen weitermachen. Vorbild sei Dänemark: „Und da waren es nicht Christdemokraten, sondern Sozialdemokraten, die in Sachen Wirtschaft, Migration, Bildung vorangegangen sind, und jetzt sind die Populisten dort sehr klein.“
„Dieses Ergebnis muss uns zu denken geben, kann uns auch nicht ruhig schlafen lassen. Selbst meine Partei nicht, die diese Wahl so klar gewonnen hat“, sagte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) im Bericht aus Berlin. Man könne in NRW aber nicht von einer „Westwanderung der AfD“ sprechen, das sei „so undifferenziert nicht richtig“.
Vorläufiges Landesergebnis steht fest
Laut vorläufigem Landesergebnis erreichte die CDU in den Stadträten der kreisfreien Städte und in den Kreistagen 33,3 Prozent (2020: 34,3 Prozent). Die SPD kam auf 22,1 Prozent (2020: 24,3 Prozent), wie die Landeswahlleiterin mitteilte. Die AfD holte 14,5 Prozent (2020: 5,1 Prozent), die Grünen bekamen 13,5 Prozent (2020: 20,0 Prozent).
Zwar haben Kommunalwahlen eigene Gesetzmäßigkeiten, weil dabei lokale und regionale Themen beherrschend sind. Doch das Ergebnis in Nordrhein-Westfalen wurde auch im politischen Berlin aufmerksam verfolgt. Schließlich war es der erste politische Stimmungstest nach der Bundestagswahl im Februar – und das auch noch im bevölkerungsreichsten Bundesland. Die Ergebnisse dort decken sich weitgehend mit dem bundesweiten Umfragetrend der Parteien.
Drei Stichwahlen mit AfD-Beteiligung
In vielen Großstädten wie Aachen, Bonn, Bochum, Bielefeld, Düsseldorf, Dortmund, Duisburg, Essen, Köln und Münster gibt es am 28. September Stichwahlen um die Oberbürgermeister-Posten. In der größten NRW-Stadt Köln kommt es zu einer Stichwahl zwischen der Grünen-Landtagsvizepräsidentin Berivan Aymaz und dem SPD-Mann Torsten Burmester. In der Landeshauptstadt Düsseldorf lag Amtsinhaber Stephan Keller (CDU) vorn, muss aber in die Stichwahl gegen Clara Gerlach (Grüne).
Auch drei Stichwahlen mit AfD-Beteiligung gib es – in Gelsenkirchen, Duisburg und Hagen. Hier treten AfD-Kandidaten gegen SPD-Kandidaten (Gelsenkirchen, Duisburg) und einen CDU-Kandidaten (Hagen) an. Bei diesen drei Stichwahlen wollen sich CDU und SPD gemeinsam gegen die AfD-Kandidaten unterstützen, wie Wüst und SPD-Landesparteichefin Sarah Philipp im WDR ankündigten.
„Da, wo die CDU mit der AfD in der Stichwahl ist, da ist für mich als Sozialdemokratin ganz klar, wir unterstützen natürlich die CDU“, sagte Philipp. Das erwarte sie umgekehrt auch von der CDU. Wüst sagte, dass die CDU in der Frage glasklar aufgestellt sei. „Wenn jemand von der AfD in der Stichwahl ist und jemand von einer demokratischen Partei, dann wissen Demokraten, was zu tun ist.“
Ziemiak: Auch lokal keine Zusammenarbeit mit AfD
Der nordrhein-westfälische CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak betonte, dass es auch nach den Kommunalwahlen auf lokaler Ebene nicht zu einer Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD kommen werde. „Selbstverständlich, das ist doch ganz eindeutig“, sagte er im Deutschlandfunk und verwies auf den Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei. Mit Blick auf die Stichwahlen fügte er hinzu: „Und für uns als Demokraten ist klar: Wenn wir jetzt in diese Stichwahlen gehen, dass wir als Demokraten uns gegenseitig unterstützen.“ Das könne er zusagen und erwarte es auch von anderen. „Natürlich gilt die sogenannte Brandmauer, auch wenn ich dieses Wort nicht für besonders glücklich halte“, so Ziemiak.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sagte, in Westdeutschland und insbesondere in Nordrhein-Westfalen sei die AfD dort stark, wo früher die SPD stark gewesen sei. „Ein ganz interessantes Phänomen, dass Wähler von der SPD nahtlos zur AfD gehen.“ Er fügte an: „Die AfD zu bekämpfen ist nicht nur eine Frage der Union, sondern in Arbeiterstädten insbesondere eine Frage der SPD.“
Der Landeschef der Sozialdemokraten, Achim Post, sprach im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF von einem „schlechten Ergebnis für die SPD“. Es sei angesichts des Zuwachses der AfD aber auch ein schlechtes Ergebnis für die demokratische Mitte. „Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die AfD wieder kleiner wird.“ Das Ergebnis in Nordrhein-Westfalen müsse auch dazu dienen, dass in Bund und Land besser regiert werde, fuhr Post fort. Die Bundesregierung müsse wieder zum „Geist der Koalitionsverhandlungen“ zurückfinden und sich nicht mit „nebensächlichen Debatten“ aufhalten.
AfD: „Abstimmung über die Richtung des Landes“
AfD-Landeschef Martin Vincentz sagte am Sonntagabend: „Die ersten Auszählungen zeigen es deutlich: NRW möchte weniger ‚Weiter so‘ und mehr AfD – viel mehr.“ Die Kommunalwahl sei mehr als eine reine Abstimmung über Bürgermeister, Stadträte und Kreistage. Sie sei eine „Volksabstimmung über die Richtung unseres Landes“ gewesen.
Enttäuscht reagierten die SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas und Lars Klingbeil. „Es ist richtig, dass wir den Abwärtstrend nicht stoppen konnten“, sagte Bas im WDR. Dennoch seien die Werte kein Desaster, wie es ihrer Partei zuvor prognostiziert wurde. „Wir müssen uns natürlich fragen, wie wir aus diesem Tief wieder rauskommen.“ Das gute Ergebnis der AfD müsse allen demokratischen Parteien Sorge machen.
Nach Einschätzung von Unions-Fraktionschef Jens Spahn hingegen geben die Ergebnisse in NRW der schwarz-roten Koalition im Bund Rückenwind. Das Ergebnis sei Ansporn für eine ruhige pragmatische Arbeit. Zugleich warnte Spahn: „Der Zuwachs der extremen Rechten muss uns allen ein Weckruf sein: Armutsmigration, Sozialmissbrauch und zu oft gescheiterte Integration dürfen nicht tabuisiert werden.“
Enttäuschung herrscht bei den Grünen. „Bei der vergangenen Kommunalwahl hatten Zukunftsthemen Rückenwind, derzeit haben sie oft Gegenwind“, teilten die Grünen-Landesvorsitzenden Yazgülü Zeybek und Tim Achtermeyer mit. 2020 hatten die Grünen mit 20 Prozent ihr bestes Ergebnis bei einer Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen erzielt.