Russland
Die Indoktrination beginnt jetzt schon im Kindergarten
Russische Schulkinder sollen schon seit drei Jahren in einem neuen Schulfach die Liebe zum Vaterland und patriotische Werte lernen. Auf Anregung von Präsident Putin soll dieser Unterricht nun auch schon in den Kindergärten stattfinden.
„Gespräche über Wichtiges“ nennt sich das Fach, in dem in den russischen Schulen Patriotismus vermittelt werden soll. Mit Beginn des neuen Schuljahres am 1. September soll die staatliche Propaganda auch in den Kindergärten Einzug halten. Die Ziele sind dabei klar: ein einheitliches Geschichtsbild und ein klares Feindbild. Noch ist es ein Pilotprojekt in einigen Regionen – unter anderem in den besetzten Teilen der Ukraine.
Inhalt
Warum geht die Propaganda in die Kindergärten?
Das Erziehungsministerium hat sich ganz bewusst die Kindergärten ausgesucht, weil das für die Kinder ein prägendes Alter ist. Der russische Pädagoge Dima Zicer, der zurzeit in Vilnius in Litauen lebt, sagt dazu: Im Alter bis sechs oder sieben Jahren hätten Kinder noch volles Vertrauen in Erwachsene. Deshalb werde die Propaganda dort auch hundertprozentig ankommen.
Dort haben Forscher untersucht, welche Folgen die Propaganda der deutschen Nazis hatte. Ergebnis: Die allermeisten der damals Fünf- bis Sechsjährigen konnte diese Ideologie bis an ihr Lebensende nicht vollständig ablegen. Das in dieser Zeit Gelernte setze sich einfach fest. Und deswegen sei das ganz fatal, was da gerade in Russland passiere.
Was sind die Inhalte, die vermittelt werden sollen?
In dem neuen Schulfach, den „Gesprächen über Wichtiges“, geht es um eigentlich alle wesentlichen Bausteine der putinschen Propaganda. Das beginnt mit den angeblich typisch russischen Werten, also etwa der traditionellen Familie. Dazu gehört dann aber auch, gegen Europa und freie Gesellschaften zu wettern. Die Gemeinschaft steht im Mittelpunkt, nicht das Individuum. Dann sind es bestimmte geschichtliche Ereignisse. Ganz wichtig ist dabei der Sieg über den Faschismus 1945.
Dann gibt es auch Unterrichtseinheiten zu den technologischen Fortschritten in Russland. Zum Beispiel rühmt man sich, den einzigen atombetriebenen Eisbrecher zu haben. Immer wieder ist natürlich auch die Ukraine Thema. Da geht es dann um die Mär von den Nazis dort, vor denen man Russland bewahren müsse. Das Ganze wird altersgerecht abgestuft vermittelt.
Das Material dafür wird von einer staatlichen Behörde zur Verfügung gestellt, dem Institut für das Studium von Kindheit, Familie und Erziehung. Da sind Videos dabei, die technisch hochklassig gedreht sind, teilweise mit Prominenten. In einem Video etwa zum Schuljahresabschluss im Mai dieses Jahres geht es um die Frage: Was ist Erfolg? Und da wird dann Andrej Kondraschow interviewt, der Generaldirektor der staatlichen Nachrichtenagentur TASS, der sagt: Das Wichtigste ist, die Heimat zu lieben. Wenn du die Heimat liebst, gelingt dir alles.
Diese Inhalte dürften auf fruchtbaren Boden fallen, denn laut einer Umfrage des Allrussischen Meinungsforschungszentrums betrachten sich fast 40 Prozent der Russen als „besonderes Volk“ mit spirituellen Werten und Patriotismus. Vor allem die Älteren denken so.
Wo wird der Kindergartenunterricht umgesetzt?
Derzeit handelt es sich noch um ein Pilotprojekt in verschiedenen Regionen Russlands, unter anderem in Moskau, aber auch in den russisch besetzten Teilen der Ukraine. Es soll darum gehen, eine Methodik auszuarbeiten und Pädagogen zu schulen. Ab 2026 soll das Ganze dann flächendeckend in den Kindergärten eingeführt werden. Spielerisch, aber doch mit denselben Themen wie auch in den Schulen: Liebe zur Heimat, Entwicklung moralischer Qualitäten, für Drei- bis Siebenjährige. Präsident Putin persönlich hatte diesen Vorschlag im vergangenen Jahr gemacht.
Was gibt es sonst noch für Propaganda-Maßnahmen?
Diese „Gespräche über Wichtiges“ an Schulen und Kindergärten sind nicht der einzige Weg, die Propaganda unter Kindern und Jugendlichen zu verbreiten. Da gibt vor allem auch noch die Junarmija, die Jugendorganisation der russischen Armee. Da werden nach russischen Angaben zurzeit 1,75 Millionen Kinder und Jugendliche an Waffen herangeführt.
Viele Schülerinnen und Schüler besuchen in der schulfreien Zeit Ferienlager. Dort sind dann oft Patriotismus und Platzpatronen angesagt. Bei den „Ferienspielen“ konnten Kinder militärische Schnupperstunden erleben. Das Ziel, die Nationale Widerstandskraft sollte geschult werden.
Was können Eltern und Pädagogen tun?
Grundsätzlich wird es immer schwieriger, Kinder vor der Propaganda zu schützen, auch wenn sich etwa in den Schulen nach drei Jahren längst nicht alle Lehrer daran halten, diese Vorgaben genau umzusetzen. Und auch in den Kindergärten, gerade wenn es kleinere Einrichtungen sind, ist es für die Erzieherinnen wohl noch möglich, diese Vorgaben einfach zu ignorieren.
Für Eltern, die merken, dass ihre Kinder dieser Propaganda wirklich massiv ausgesetzt sind, bleibe nur die Möglichkeit, ihre Kinder da rauszunehmen. Das machen auch einige, denn es gibt keine Kindergartenpflicht in Russland. Auch das Homeschooling ist erlaubt und es gibt eine steigende Nachfrage nach Privatlehrern. Aber das muss man sich finanziell leisten können.
Gesine Dornblüth, kg
Russland
Die Indoktrination beginnt jetzt schon im Kindergarten
Russische Schulkinder sollen schon seit drei Jahren in einem neuen Schulfach die Liebe zum Vaterland und patriotische Werte lernen. Auf Anregung von Präsident Putin soll dieser Unterricht nun auch schon in den Kindergärten stattfinden.
„Gespräche über Wichtiges“ nennt sich das Fach, in dem in den russischen Schulen Patriotismus vermittelt werden soll. Mit Beginn des neuen Schuljahres am 1. September soll die staatliche Propaganda auch in den Kindergärten Einzug halten. Die Ziele sind dabei klar: ein einheitliches Geschichtsbild und ein klares Feindbild. Noch ist es ein Pilotprojekt in einigen Regionen – unter anderem in den besetzten Teilen der Ukraine.
Inhalt
Warum geht die Propaganda in die Kindergärten?
Das Erziehungsministerium hat sich ganz bewusst die Kindergärten ausgesucht, weil das für die Kinder ein prägendes Alter ist. Der russische Pädagoge Dima Zicer, der zurzeit in Vilnius in Litauen lebt, sagt dazu: Im Alter bis sechs oder sieben Jahren hätten Kinder noch volles Vertrauen in Erwachsene. Deshalb werde die Propaganda dort auch hundertprozentig ankommen.
Dort haben Forscher untersucht, welche Folgen die Propaganda der deutschen Nazis hatte. Ergebnis: Die allermeisten der damals Fünf- bis Sechsjährigen konnte diese Ideologie bis an ihr Lebensende nicht vollständig ablegen. Das in dieser Zeit Gelernte setze sich einfach fest. Und deswegen sei das ganz fatal, was da gerade in Russland passiere.
Was sind die Inhalte, die vermittelt werden sollen?
In dem neuen Schulfach, den „Gesprächen über Wichtiges“, geht es um eigentlich alle wesentlichen Bausteine der putinschen Propaganda. Das beginnt mit den angeblich typisch russischen Werten, also etwa der traditionellen Familie. Dazu gehört dann aber auch, gegen Europa und freie Gesellschaften zu wettern. Die Gemeinschaft steht im Mittelpunkt, nicht das Individuum. Dann sind es bestimmte geschichtliche Ereignisse. Ganz wichtig ist dabei der Sieg über den Faschismus 1945.
Dann gibt es auch Unterrichtseinheiten zu den technologischen Fortschritten in Russland. Zum Beispiel rühmt man sich, den einzigen atombetriebenen Eisbrecher zu haben. Immer wieder ist natürlich auch die Ukraine Thema. Da geht es dann um die Mär von den Nazis dort, vor denen man Russland bewahren müsse. Das Ganze wird altersgerecht abgestuft vermittelt.
Das Material dafür wird von einer staatlichen Behörde zur Verfügung gestellt, dem Institut für das Studium von Kindheit, Familie und Erziehung. Da sind Videos dabei, die technisch hochklassig gedreht sind, teilweise mit Prominenten. In einem Video etwa zum Schuljahresabschluss im Mai dieses Jahres geht es um die Frage: Was ist Erfolg? Und da wird dann Andrej Kondraschow interviewt, der Generaldirektor der staatlichen Nachrichtenagentur TASS, der sagt: Das Wichtigste ist, die Heimat zu lieben. Wenn du die Heimat liebst, gelingt dir alles.
Diese Inhalte dürften auf fruchtbaren Boden fallen, denn laut einer Umfrage des Allrussischen Meinungsforschungszentrums betrachten sich fast 40 Prozent der Russen als „besonderes Volk“ mit spirituellen Werten und Patriotismus. Vor allem die Älteren denken so.
Wo wird der Kindergartenunterricht umgesetzt?
Derzeit handelt es sich noch um ein Pilotprojekt in verschiedenen Regionen Russlands, unter anderem in Moskau, aber auch in den russisch besetzten Teilen der Ukraine. Es soll darum gehen, eine Methodik auszuarbeiten und Pädagogen zu schulen. Ab 2026 soll das Ganze dann flächendeckend in den Kindergärten eingeführt werden. Spielerisch, aber doch mit denselben Themen wie auch in den Schulen: Liebe zur Heimat, Entwicklung moralischer Qualitäten, für Drei- bis Siebenjährige. Präsident Putin persönlich hatte diesen Vorschlag im vergangenen Jahr gemacht.
Was gibt es sonst noch für Propaganda-Maßnahmen?
Diese „Gespräche über Wichtiges“ an Schulen und Kindergärten sind nicht der einzige Weg, die Propaganda unter Kindern und Jugendlichen zu verbreiten. Da gibt vor allem auch noch die Junarmija, die Jugendorganisation der russischen Armee. Da werden nach russischen Angaben zurzeit 1,75 Millionen Kinder und Jugendliche an Waffen herangeführt.
Viele Schülerinnen und Schüler besuchen in der schulfreien Zeit Ferienlager. Dort sind dann oft Patriotismus und Platzpatronen angesagt. Bei den „Ferienspielen“ konnten Kinder militärische Schnupperstunden erleben. Das Ziel, die Nationale Widerstandskraft sollte geschult werden.
Was können Eltern und Pädagogen tun?
Grundsätzlich wird es immer schwieriger, Kinder vor der Propaganda zu schützen, auch wenn sich etwa in den Schulen nach drei Jahren längst nicht alle Lehrer daran halten, diese Vorgaben genau umzusetzen. Und auch in den Kindergärten, gerade wenn es kleinere Einrichtungen sind, ist es für die Erzieherinnen wohl noch möglich, diese Vorgaben einfach zu ignorieren.
Für Eltern, die merken, dass ihre Kinder dieser Propaganda wirklich massiv ausgesetzt sind, bleibe nur die Möglichkeit, ihre Kinder da rauszunehmen. Das machen auch einige, denn es gibt keine Kindergartenpflicht in Russland. Auch das Homeschooling ist erlaubt und es gibt eine steigende Nachfrage nach Privatlehrern. Aber das muss man sich finanziell leisten können.
Gesine Dornblüth, kg