Automobilindustrie Warum die Politik am Verbrenner-Aus zweifelt
Stand: 09.09.2025 09:07 Uhr
Die kriselnde Autobranche will nicht allein auf E-Mobilität setzen, sie fordert Technologieoffenheit. In der Politik mehren sich die Stimmen, die das Verbrenner-Aus 2035 anzweifeln.
CSU-Chef Markus Söder inszeniert sich gerne als Anti-Habeck: als Kämpfer für die Wurst. Als Feind des Genderns. Und jetzt, pünktlich zum Start der Internationalen Automobilausstellung IAA in München, als Freund der Autolobby. „Weg mit dem einseitigen Verbrenner-Verbot. Ingenieure sollen entscheiden und nicht Bürokraten“, polterte er am Montag beim politischen Frühschoppen des Gillamoos-Volksfestes in Niederbayern. Bürokraten, sagt Söder; er meint: Politiker.
Die haben beschlossen, dass in der EU ab 2035 keine neuen Benziner und Diesel mehr auf den Markt kommen dürfen – eine Ausnahme bilden Autos, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden. In der kriselnden deutschen Autobranche herrscht Unmut. Sie fordert Technologieoffenheit. „Wir brauchen alle technischen Optionen, um den Weg der Klimaneutralität beschreiten zu können“, sagte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller. Damit meint sie auch Plug-in-Hybride.
Özdemir offen für Verschiebung der Ziele
BMW-Chef Oliver Zipse hält es mittlerweile sogar für unwahrscheinlich, dass das EU-Ziel 2035 noch umgesetzt wird. Seine Prognose im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: Mit dem Verbrenner-Aus würde die Autoindustrie um die Hälfte schrumpfen. Das ließen die Mitgliedstaaten nicht zu.
Nach Söder äußerte sich auch der baden-württembergische CDU-Chef Manuel Hagel und forderte von Kanzler Friedrich Merz, mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „Klartext“ über das Verbrenner-Aus zu sprechen. Das Aus müsse weg. „Es schadet der Innovation, schwächt unsere Industrie, gefährdet Tausende Arbeitsplätze und bringt unserem Klima nichts“, sagte der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg im nächsten Frühjahr, der Nachrichtenagentur dpa.
Tatsächlich zeigen sich selbst die Grünen mittlerweile gesprächsbereit – zumindest was das Datum angeht. „Am Ende ist nicht entscheidend, ob wir bei 2035 für Neufahrzeuge eine Punktlandung machen, es ein Jahr früher oder später schaffen. Entscheidend ist, der Pfad muss stimmen“, sagte Cem Özdemir, Grünen-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, beim Besuch des Audi-Werks in Neckarsulm.
Zurückhaltung bei der SPD
Wenn selbst manch Grüner offen für ein Aufweichen ist: Hat das Verbrenner-Aus dann noch eine Zukunft? Am Freitag ist ein Treffen in Brüssel mit Spitzenvertretern der Branche angesetzt. Und in Berlin plant die Bundesregierung für Oktober einen Autogipfel, auf dem das Thema ebenfalls aufkommen könnte.
Die SPD allerdings mahnt zur Zurückhaltung: „Was wir nicht gebrauchen können, ist Planungsunsicherheit“, sagte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch. Das Datum 2035 sei schließlich nicht vom Himmel gefallen. Wer daran rüttele, müsse sagen, wie das mit europäischem und nationalem Recht vereinbar sei.
„Wir sehen, dass wir beispielsweise im Mobilitätssektor die Klimaziele verfehlen, was dazu führen kann, dass wir über das ‚effort sharing‘ zu Milliarden Strafzahlungen verpflichtet werden. Das kann nicht im Interesse von verantwortungsbewussten Politikern sein“, so Miersch.
Kritik von Umweltschützern
Kritik an der aktuellen Debatte kommt auch von Klimaschützern. „Schon heute reichen die deutschen Maßnahmen nicht aus, um unsere Klimaziele einzuhalten“, beklagt Robin Kulpa von der Deutschen Umwelthilfe. „Wenn jetzt an der einzigen konkreten Klimaschutz-Maßnahme im Verkehr, dem Verbrenner-Aus, gesägt wird, dann ist Klimaneutralität nur noch ein Szenario für Sonntagsreden.“
Ähnlich sieht das Philipp Prein, Sprecher von Agora Verkehrswende: Er fordert statt neuer Ziele mehr Unterstützung aus der Politik. „Etwa mit Förderprogrammen für kleinere E-Autos, Anreizen für Elektrifizierung von gewerblichen Flotten und Erleichterung beim Preis von Fahrstrom.“
Von solchen gezielten Förderwünschen dürften die Koalitionspartner CDU und CSU allerdings nicht viel halten. Der Umgang mit der schwächelnden Autobranche wird die Regierung diesen Herbst weiter beschäftigen – und könnte zu einer weiteren Bewährungsprobe für den Koalitionsfrieden werden.