Nach Kabinettsbeschluss Verfolgung von Cum-Cum-Deals länger möglich?
Stand: 08.08.2025 11:38 Uhr
Banken, Versicherer und Wertpapierfirmen sollen auch künftig Buchungsbelege zehn statt acht Jahre aufbewahren müssen. Das könnte auch gut für die Staatskasse sein – wenn Bund und Länder aktiv werden.
Der Kampf gegen illegale Cum-Cum-Geschäfte geht offenbar voran. Banken, Versicherungen und Wertpapierinstitute sollen Buchungsbelege auch künftig zehn Jahre lang aufbewahren müssen, so sieht es ein aktueller Kabinettsbeschluss vor. Eigentlich galt für Unternehmen, die unter Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen stehen, ab 2026 eine kürzere Frist von acht Jahren. Jetzt soll es bei zehn Jahren bleiben, um sicherzustellen, dass dubiose Aktienmodelle konsequenter verfolgt werden können.
Bei illegalen CumCum-Deals wurden, stark vereinfacht gesagt, Steuern erstattet, auf die allerdings kein Anspruch bestand. Der dadurch resultierende Schaden für den Staatshaushalt beläuft sich auf rund 28,5 Milliarden Euro.
Positive Reaktionen auf Verlängerung
Mit der Zustimmung zur Fristverlängerung folgte das Kabinett dem Vorschlag von Finanzminister Lars Klingbeil. Der SPD-Co-Chef will mit der Gesetzesänderung verhindern, dass Cum-Cum-Fälle aus Zeitgründen möglicherweise nicht mehr entdeckt werden. Der Kampf gegen Steuerhinterziehung sei ein Schwerpunkt seiner Arbeit, erklärte er und betonte weiter: „Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass wir hart gegen diejenigen vorgehen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern.“
Auch in der CDU/CSU-Fraktion stößt die Maßnahme auf Zustimmung. Für deren finanzpolitischen Sprecher Fritz Güntzler ist die „Bekämpfung von Steuerhinterziehung (…) für die Sicherung der Einnahmen und die Handlungsfähigkeit des Staates unerlässlich.“
Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen, begrüßt die Entscheidung. Sie sei aber nur ein wichtiger „Zwischenschritt zur weiteren Aufarbeitung des Cum-Cum-Steuerskandals. (…) Der Schaden durch Steuerhinterziehung ist mit ca. 125 Milliarden Euro im Jahr mehr als 2.000-mal höher als durch Hartz IV-Betrug von ca. 0,06 Milliarden Euro.“ Man müsse endlich davon wegkommen, Steuerbetrug als Kavaliersdelikt zu sehen.
Lobbyverein Finanzwende: „Etappensieg!“
Noch im Jahr 2024 hatte die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP die Verkürzung der Aufbewahrungsfrist von zehn auf acht Jahre beschlossen. Ziel war es, den Bürokratieabbau in Deutschland voranzutreiben. Für Banken, Versicherungen und Wertpapierinstitute sollte die Regelung ab 2026 gelten.
Unter anderem Finanzwende e.V. warnte vor den weitreichenden Folgen dieser Maßnahme. Anne Brorhilker, ehemalige Oberstaatsanwältin und Cum-Cum-Chefermittlerin ist heute Geschäftsführerin der Nichtregierungsorganisation. Brorhilker hatte die Frist-Verkürzung als eine „katastrophale Fehlentscheidung“ bezeichnet.
Ihre Kritik: Dadurch könnten Strafverfolgungen wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Cum-Cum-Geschäften verhindert werden. Die mögliche Rückkehr zu den ursprünglichen Aufbewahrungsfristen ist für sie ein Erfolg, der zeige: „anhaltende öffentliche Kritik wirkt. Der Kabinettsbeschluss ist ein wichtiger Etappensieg bei der Aufklärung von Cum-Cum. (…) Ohne diese Buchungsbelege – zentrale Beweismittel für Steuerbetrug – können Behörden weder erschlichene Steuern zurückfordern noch die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.“
„Mit dieser Korrektur des von uns als ‚Schreddergesetz‘ kritisierten Bürokratieentlastungsgesetzes IV sendet die Bundesregierung ein klares Signal an alle ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler“, erklärt Brorhilker.
Haushaltsloch füllen mit Cum-Cum-Geldern?
Deutschland müsse in die Zukunft investieren, Arbeitsplätze sichern und neue wirtschaftliche Stärke aufbauen. Das erklärte Bundesfinanzminister Klingbeil noch vor wenigen Tagen. Der Haushaltsentwurf für 2026 wurde bereits auf den Weg gebracht – mit neuen Schulden in Höhe 174,3 Milliarden Euro. Dafür soll unter anderem bei Sozialausgaben gespart werden.
Rund 28,5 Milliarden Euro könnten allein durch die Aufarbeitung der Cum-Cum-Deals zurück in die Staatskasse fließen, betont die ehemalige Chefermittlerin Brorhilker. Laut Bundesfinanzministerium sind derzeit 253 Verdachtsfälle mit einem Volumen von 7,3 Milliarden Euro in Bearbeitung. Bei 81 weiteren Fällen wurden die Steuerverfahren rechtskräftig abgeschlossen und Kapitalertragsteuer in Höhe von 226,7 Millionen Euro zurückgefordert.
Verdachtsfälle konsequenter verfolgen
Zwar hat das Kabinett der längeren Aufbewahrungsfrist zugestimmt. Doch nun müssen auch die Fraktionen im Bundestag und der Bundesrat die Gesetzesänderung billigen. Sei das erledigt, müsse die Arbeit weitergehen, fordert Anne Brorhilker, denn „mehr Zeit allein bringt die Milliarden an Schaden nicht zurück. Bund und Länder müssen sie jetzt auch konsequent nutzen (…) und Verdachtsfälle mit Priorität verfolgen“.
Laut Finanzministerium gibt es bereits verstärkt Anstrengungen bei der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Eine eingerichtete Sondereinheit des Bundeszentralamts für Steuern koordiniere unter anderem die Kommunikation in Arbeitsgruppen und ermögliche einen entsprechenden Erfahrungsaustausch zu Cum-Cum-Gestaltungen.
„Klingbeil muss die weiteren Schritte gehen“
Für Grünen-Politikerin Beck reicht das nicht aus. Sie sieht Lücken in der Unterstützung. Ihre Forderung: Bundesbetriebsprüferinnen und-prüfer sollten beispielsweise angewiesen werden, „Finanzinstitute im Hinblick auf Fälle schwerer Steuerhinterziehung, wie Cum-Cum mit höchster Priorität zu prüfen und hier verstärkt mit den Ländern zusammenarbeiten“. Bisher sei das noch nicht geschehen, so Beck.
Jetzt komme es jetzt drauf an, wie es weitergehe, meint auch Brorhilker: „Klingbeil hat seit seinem Amtsantritt mehrfach angekündigt, hart durchzugreifen und so Gerechtigkeit herstellen zu wollen. (…) Jetzt muss er auch die notwendigen weiteren Schritte gehen.“