
Rechtliche Lücken Braucht Deutschland einen Identitätsklau-Paragrafen?
Stand: 23.10.2025 14:50 Uhr
Betroffene von Identitätsdiebstahl müssen oft erhebliche Folgen tragen, ohne dass der Missbrauch der eigenen Identität rechtlich ausreichend geahndet wird. Bayern fordert nun einen neuen Straftatbestand.
Die Tirolerin Nicola Thaler kann es nicht fassen, als vor einem Jahr plötzlich die Polizei vor ihrer Wohnung steht. Sie soll Gelder unterschlagen haben. Auf Grund einer Ermittlungsanordnung aus Deutschland durchsuchen Beamte ihre Wohnung. „Die Polizei hat die ganzen Ordner durchsucht, die ganzen USB-Sticks, den Computer, meine Handys, alle elektronischen Geräte mitgenommen.“
Sie habe danach schlaflose Nächte und auch Angstzustände gehabt, denn „man wusste ja nicht, was passiert jetzt, werde ich jetzt eingesperrt?“, so Thaler.
Identitätsmissbrauch und seine Folgen
Später kommt heraus, dass irgendwer Nicola Thaler mit einem gefälschten Pass als Gesellschafterin ins Handelsregister einer Firma eintragen lassen hat. Das ist der Startpunkt ihres Identitätsmissbrauchs. Seit Januar 2024 gerät sie drei Mal in die Mühlen der Justiz.
Zuletzt wirft man ihr Finanzbetrug vor: „Es geht um sehr viel Geld, im letzten Fall sind es jetzt zwei Millionen“, so Thaler. Der Münchner Rechtsanwalt Marc Maisch berät sie. „Man muss strafrechtlich gesehen beweisen, dass man unschuldig ist“, sagt der Anwalt. Täter wurden bisher nicht ermittelt.
Täter nicht wegen Identitätsdiebstahl strafbar
Die Täter haben sich offenbar eine Kopie des Reisepasses von Nicola Thaler erschlichen. Das kann geahndet werden, etwa als Verstoß gegen das Datenschutzrecht, als Datenhehlerei, als Ausspähen oder Abfangen von Daten. Auch betrügerische Handlungen unter ihrem Namen sind strafbar, im Fall Thaler angeblicher Betrug, Steuerhinterziehung und Diebstahl.
Doch für den Missbrauch ihrer Identität gibt es keinen eigenen Paragrafen im deutschen Strafrecht. Die Übernahme der Identität von Nicola Thaler durch Kriminelle in Hamburg mit all den sich daraus ergebenden Gefährdungen für ihren Persönlichkeitsschutz ist bisher nicht strafbar.
Neuer Straftatbestand Identitätsmissbrauch?
Der bayerische Staatsminister Georg Eisenreich will bei der am 7. November in Leipzig beginnenden Justizministerkonferenz die Einführung eines neuen Straftatbestands zum Schutz vor Identitätsmissbrauch einbringen.
Das Strafrecht müsse auch bei Identitätsmissbrauch auf der Höhe der Zeit sein, so der CSU-Politiker im Interview mit dem BR: „Das Strafgesetzbuch bietet keinen ausreichenden Schutz vor Verletzungen der Persönlichkeitsrechte durch Missbrauch einer fremden Identität und den daraus folgenden Schäden.“ Jetzt sei der Bundesgesetzgeber gefragt.
Die Schweiz hat den Identitätsmissbrauch am 1. September 2023 als neuen Straftatbestand bereits eingeführt. Im Art. 179decies StGB heißt es: „Wer die Identität einer anderen Person ohne deren Einwilligung verwendet, um dieser zu schaden oder um sich oder einem Dritten einen unrechtmäßigen Vorteil zu verschaffen, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft.“
Bisher kaum Schutz für Opfer
Rechtsanwalt Marc Maisch rät Opfern, unbedingt selbst Anzeige zu erstatten und eine Aussage zu machen. Da man bei der Polizei nicht lügen dürfe, verleihe so eine Aussage der eigenen Darstellung Glaubwürdigkeit, so Maisch. „Denn dann würde man sich ja sonst selber strafbar machen. Mit einer Strafanzeige kann man beweisen, dass man bestimmte Dinge, E-Mail-Adressen nicht angelegt hat oder bestimmte Dinge nicht gekauft hat.“
Nicola Thaler hat Angst, dass die Identitätsdiebe wieder zuschlagen. „Ich hätte ganz gerne ein Dokument, das mir bescheinigt, dass ich ein Opfer von Identitätsdiebstahl bin. Und, dass nicht wieder die Polizei vor der Haustür steht.“ Doch so ein Dokument gibt es nicht.