Stand: 10.11.2025 11:27 Uhr
In Neapel hat am Sonntag wieder die Erde gebebt. Ein kleineres Beben, das vor allem dort zu spüren war, wo unter der Erde die Phlegräischen Felder liegen. Sie gelten als Supervulkan. Wie würde eine Evakuierung im Ernstfall ablaufen?
Seit mehr als zwei Jahren erschüttern regelmäßig Erdbeben die Region westlich von Neapel. Deuten die Beben auf einen bevorstehenden Ausbruch hin? Die Alarmstufe gelb ist abermals bestätigt worden. Was passiert, wenn die Ampel auf rot schaltet, wird regelmäßig geübt. Denn dann müssen mehr als eine halbe Million Menschen evakuiert werden.
Der Ernstfall heißt: der Ausbruch der Phlegräischen Felder. Sie gelten als Supervulkan. Droht ein Ausbruch, heißt es: Bloß weg von hier. Innerhalb von 48 Stunden müssen dann die betroffenen Stadtteile von Neapel evakuiert werden.
Die Kommandozentrale bei der Evakuierungsübung
„Panik und Angst zu simulieren, ist nicht einfach“
Bei der jüngsten Übung ist der Sammelpunkt für die Bewohner des Quartiers Chiaia der Hafen. Schülerinnen und Schüler übernehmen die Rolle der Bewohner. Das Ganze hat ein bisschen was von Klassenausflug.
Keine leichte Aufgabe für den Zivilschutzmitarbeiter Giuseppe Scuotto, der die Klasse zum Hafen bringen soll. „Das ist sicherlich einer der kritischsten Aspekte dieser Übung. Stress, Panik und Angst zu simulieren, ist nicht einfach“, sagt er.
Betroffen wären rund 550.000 Menschen. Auch die Schülerin Sveva Aiardo. Sie sagt: „Ich wohne in Bagnoli, mitten in den Phlegräischen Feldern, da herrscht große Angst. Aber in Panik zu verfallen, macht es doch nur noch schlimmer.“
Mit der Gefahr leben
Die Schülerinnen und Schüler fahren in einen Bus Richtung Hafen. Der wird von der Polizei eskortiert, damit er überhaupt durch den dichten Stadtverkehr kommt. Im Ernstfall würde das Militär die Straßen Neapels absperren.
„Man versucht, mit der Gefahr zu leben“, sagt Übungsteilnehmerin Emanuela Lopez, „aber immer mit der Angst, dass es von einem Moment auf den anderen geschehen könnte.“
Das ist der gewünschte Nebeneffekt dieser Übung: die Bevölkerung zu sensibilisieren: Ihr lebt auf einem Vulkan. Und neben einem Vulkan. Im Jahr 79 brach der Vesuv aus und begrub das benachbarte Pompeji unter sich.
„Damals gab es keinen Zivilschutz, keine Möglichkeiten zur Überwachung des Vulkans und keine Notfallplanung“, sagt der Regionalchef des Zivilschutzes, Italo Giulvio. Italien sieht er heute besser gewappnet als damals beim Ausbruch des Vesuv. „Heute verfügen wir über all diese Mittel, und daher müssen wir sicherstellen, dass alle wissen und verstehen, welches Szenario die wissenschaftliche Gemeinschaft für dieses Gebiet als möglich einschätzt.“
Supervulkan bei Neapel
Die Phlegräischen Felder (ital: Campi Flegrei – brennende Felder) sind eine geologisch aktive Region westlich von Neapel.
Das unterirdische Vulkangebiet umfasst mehr als 150 Quadratkilometer, ein großer Teil davon liegt im Meer, ein weiterer Teil befindet sich unter den dicht bewohnten Vororten Neapels. Sie werden teils als Supervulkan eingestuft. Ihr bekanntester Krater ist die Solfatara von Pozzuoli.
Die gewaltigsten Ausbrüche in den Campi Flegrei fanden vor 40.000 und 15.000 Jahren statt, aber auch in den Jahrhunderten danach kam es immer wieder zu vulkanischen Aktivitäten.
Hohe seismische Aktivität
Die Phlegräischen Felder liegen unter der Erde und unter dem Meer. Sie sind deutlich aktiver als der benachbarte Vesuv. Ihr bekanntester Krater ist die Solfatara von Pozzuoli. Hier treten schwefelhaltige Dämpfe aus dem Boden. Das ist einer der Orte, der unter ständiger Beobachtung des Nationalen Instituts für Vulkanolgie steht.
„Die seismische Aktivität in dieser Gegend ist hoch. Jedes Mal, wenn ein Erdbeben mit einer Stärke über 1,5 auftritt, ruft mich die Leitstelle an. Es kommt also oft vor, dass ich wirklich nicht schlafe“, sagt die Direktorin des Instituts für Vulkanologie, Lucia Pappalardo.
Erde bebt regelmäßig seit mehr als zwei Jahren
Seit mehr als zwei Jahren bebt in und um Neapel regelmäßig die Erde. Ein Anzeichen dafür, dass der Vulkan in Bewegung ist. Weiteres Indiz: Das Bodenniveau steigt langsam, um zwei Zentimeter pro Monat. Deshalb gilt in der Region Alarmstufe gelb: erhöhte Wachsamkeit.
Pappalardo erklärt: „Auf orange würde man übergehen, wenn die Signale, darauf hindeuten würden, dass sich das Magma zu bewegen beginnt. Das heißt, dass es nicht mehr wie jetzt in sechs bis acht Kilometern Tiefe steckt, sondern anfängt, in Richtung Oberfläche aufzusteigen.“
Wenn die Alarmampel auf rot schaltet, dann heißt es: sofort evakuieren. Dieser Fall wird in Neapel geübt. Die Schülergruppe mit Giuseppe Scuotto trifft pünktlich am Sammelpunkt im Hafen ein. Der Mitarbeiter des Zivilschutzes von Neapel ist zufrieden. „Die Personen wurden registriert und sind jetzt bereit, an Bord der Schiffe zu gehen – es ist also alles nach Plan gelaufen.“
Der Plan sieht vor, dass dann zwei Schiffe den Hafen verlassen. Eines nach Sizilien, das andere nach Sardinien. Auch wenn es diesmal nur eine Übung war, Neapel scheint auf den Fall der Fälle vorbereitet.









