analyse
Stand: 17.11.2025 14:48 Uhr
Nach dem Wochenende stehen Bundeskanzler Merz und sein Fraktionschef Spahn vor einem Scherbenhaufen. Die Parteijugend will den Rentenkompromiss seines Kabinetts nicht mittragen. Wie geht es jetzt weiter?
Friedrich Merz gibt sich zuversichtlich: „Ich wünsche mir, dass wir diese Diskussion zum Jahresende abgeschlossen haben“, sagte er heute beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung.
Hinter ihm liegt ein Deutschlandtag der Jungen Union (JU) voller Debatten. Eigentlich ist diese Veranstaltung ein Heimspiel für den Bundeskanzler und CDU-Parteichef Merz – aber nicht in diesem Jahr. Die Junge Union ist selbstbewusst wie nie und will nicht mehr Teil eines passiven Kanzler-Klatschvereins sein.
Merz hat laut JU nicht geliefert
Die JU klatscht am vergangenen Wochenende vor allem für sich selbst und ihre Führungspolitiker. Für die JU steht fest: Der Kanzler und die eigenen Minister haben bei ihrem Herzensprojekt – der Rente – nicht geliefert. Dass der Kanzler trotz Kritik der Jungen Union ohne neue Forderungen an den Koalitionspartner SPD in Rust anreist, nehmen die vor Kraft strotzenden Delegierten des Deutschlandtages als Affront war.
Sie wissen: Ohne die Stimmen ihrer 18 Abgeordneten kann das Gesetz im Bundestag nicht sicher verabschiedet werden. Schwarz-rot hat nur eine Mehrheit von 12 Stimmen. Merz widersteht der Versuchung, für den Zuspruch seiner Parteijugend die Koalitionspartner zu brüskieren. Der Applaus bleibt spärlich, der Kanzler wird auf offener Bühne angegangen.
Der Kompromiss, den keiner will
Der Kanzler versucht in Rust und auch im Bericht aus Berlin gestern Abend zu beschwichtigen. Sein Plädoyer: Die SPD musste bei den Themen Bürgergeld und Migration über ihre Schmerzgrenze hinaus Zugeständnisse an die Union machen, jetzt muss auch seine Partei etwas aushalten.
Sein Appell an die Parteijugend: bitte stimmt jetzt das Rentenpaket ab, ermöglicht uns die Aktiv- und der CSU die Mütterrente. Danach wird es eine Rentenkommission geben, die sowieso das deutsche Rentensystem vom Kopf auf die Füße stellen wird – ohne Tabus, so die Lesart des Kanzlers. Das könne auch in einem Begleittext oder einem Entschließungsantrag vermerkt werden, meint der Kanzler.
Doch weder dem Koalitionspartner SPD noch der Parteijugend ist nach Kompromissen auf Fußnotenbasis zumute. Merz findet bis zuletzt kaum Gehör und verliert immer mehr Unterstützer.
Dem Kanzler fehlt die Rückendeckung
CSU-Chef Söder pflichtet der Parteijugend bei und stellt Nachverhandlungen mit der SPD in Aussicht, obwohl diese das kategorisch ausschließt. JU-Vorsitzender Winkel wird nicht müde zu betonen, dass die Bundesregierung in dieser Frage keine Mehrheit im Bundestag habe. Immer mehr Unionsvertreter solidarisieren sich mit der Parteijugend und beschreiben deren Verweigerungshaltung als konstruktive Kritik.
Dass Merz das Gespräch und auch die Öffentlichkeit sucht, hat sein spontaner Auftritt im Bericht aus Berlin verdeutlicht. Seine Probleme bleiben ungelöst. Darum geht es auch in der neuen Folge des Podcasts Berlin Code aus dem ARD-Hauptstadtstudio.
Lage spitzt sich zu
Die Abstimmung über das Rentenpaket im Bundestag zu verschieben, kommt für die SPD nicht infrage. Die Sozialdemokraten drohen mit einem Bummelstreik, sollte die Union versuchen diesen Weg einzuschlagen. Sprich: keine Reformen, bis das Rentenpaket beschlossen ist.
Die Junge Union hat einstimmig auf ihrem Deutschlandtag beschlossen, dem Kanzler und der SPD beim Rentenniveau nicht klein beizugeben und reißt in ihrem Kampf gegen die eigene Parteispitze immer tiefere Gräben in die Reihen von CDU und CSU.
Was nun?
Spekulationen über eine mögliche Minderheitsregierung bei einem Platzen der schwarz-roten Koalition weist Merz klar zurück. Bei einer Minderheitsregierung der Union wären neben der SPD weiterhin die Grünen, die Linke und die AfD in der Opposition. Da die Union eine Zusammenarbeit mit AfD und Linke kategorisch ausschließt, blieben mit der SPD und den Grünen nur zwei potenzielle Kooperationspartner. „Das ist aus meiner Sicht ausgeschlossen, so etwas zu machen“, sagt Merz.
Zumindest hier steht der Kanzler nicht allein da. Auch CSU-Chef Markus Söder und die Parteijugend bekräftigen: Eine Regierung ohne feste Mehrheit sei nicht vorstellbar oder wünschenswert.
Doch klar ist auch: Wenn keine der Seiten einen Gesichtsverlust riskieren will, verliert die gesamte Koalition weiter an Glaubwürdigkeit. Ohne Unterstützung aus den eigenen Reihen steuert der Kanzler auf eine Vertrauensfrage zu.









