Stand: 19.11.2025 18:24 Uhr
Nach der Sprengstoffattacke auf eine Bahnstrecke spricht Polen von „Staatsterrorismus“ und schließt das russische Generalkonsulat in Danzig. In Zukunft will das Land Soldaten zur Bewachung der Infrastruktur einsetzen.
Als Reaktion auf den Sprengstoffanschlag auf eine strategisch wichtige Bahnstrecke schließt Polen das russische Generalkonsulat in Danzig (Gdansk). Er habe die Genehmigung für die diplomatische Niederlassung zurückgezogen, sagte Außenminister Radoslaw Sikorski. Polen werde als Antwort auf den Anschlag auch weitere Schritte „nicht diplomatischer Natur“ unternehmen.
Zu diesen Schritten gehört laut Verteidigungsministers Wladyslaw Kosiniak-Kamysz der Einsatz der polnischen Armee zur Bewachung der kritischen Infrastruktur. Im Rahmen der Operation „Horizont“ sollen sich 10.000 Soldaten gemeinsam mit Angehörigen anderer uniformierter Dienste an der Überwachung wichtiger Objekte beteiligen, um zukünftigen Sabotageakten entgegenzuwirken.
Die polnische Regierung beschuldigt russische Geheimdienste, hinter dem Sprengstoffanschlag auf die Bahnstrecke von Warschau nach Lublin zu stecken. In der Nähe der Ortschaft Mika rund hundert Kilometer südöstlich von Warschau waren am Wochenende bei einer Explosion die Gleise beschädigt worden. Weil ein Zugführer die Beschädigung bemerkte und meldete, wurde niemand verletzt. Die Bahnstrecke ist wichtig für Militärtransporte in die Ukraine, die sich seit Anfang 2022 gegen einen russischen Angriffskrieg wehrt.
Zwei Verdächtige offenbar in Belarus
Die Ermittler haben zwei Tatverdächtige im Visier. Die beiden ukrainischen Staatsbürger sollen im Auftrag Moskaus gehandelt und sich nach der Tat nach Belarus abgesetzt haben. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Männern Spionage für einen ausländischen Geheimdienst, Gefährdung des Verkehrs sowie den Einsatz von Sprengstoff vor, wie ein Sprecher der Behörde sagte. Im Falle einer Verurteilung droht ihnen lebenslange Haft.
Außenminister Sikorski sagte, man werde sich an die Regierung in Belarus mit einem Gesuch wenden, die beiden Tatverdächtigen auszuliefern. Große Hoffnungen, dass das von Machthaber Alexander Lukaschenko autoritär regierte Land der Bitte nachkomme, habe man nicht. Belarus ist ein enger Verbündeter Russlands.
Mittlerweile seien im Zusammenhang mit dem Anschlag mehrere andere Personen festgenommen worden, so die Staatsanwaltschaft. Diese seien aber nach bisherigen Ermittlungen nicht diejenigen, die ihn begangen haben.
„Absicht war, Menschen zu töten“
Dieser Vorfall sei eine bedeutende Eskalation im russischen Vorgehen, sagte Sikorski. „Sabotage ist, wenn Besitz beschädigt wird. Wenn die Absicht ist, Menschen zu töten, ist das keine Sabotage mehr, sondern Staatsterrorismus.“
Das russische Generalkonsulat war die letzte verbleibende Einrichtung dieser Art in Polen. Bereits im Mai hatte Polen nach Brandstiftungsvorwürfen gegen den russischen Geheimdienst das Generalkonsulat in Krakau schließen lassen. Das Generalkonsulat in Posen (Poznan) wurde aus dem gleichen Grund bereits 2024 geschlossen.
Engere Zusammenarbeit mit der Ukraine vereinbart
Sikorski betonte, Polen habe ähnlich wie andere EU-Länder, die von den Aktivitäten des russischen Geheimdienstes betroffen seien, nicht die Absicht, die russische Botschaft in Warschau zu schließen und die diplomatischen Beziehungen zu Moskau abzubrechen.
Der polnische Regierungschef Donald Tusk schrieb derweil auf der Plattform X, er habe mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine enge Zusammenarbeit der Geheimdienste sowie der Bahnunternehmen beider Länder vereinbart. „Ziel ist unter anderem die Identifizierung von Personen, die der Zusammenarbeit mit Russland verdächtigt werden, und die Verhinderung von Sabotageakten“, so Tusk.
Kreml weist Vorwürfe zurück: „Russophobie“ in Warschau
Die Führung in Moskau hat wiederholt bestritten, für Sabotageakte verantwortlich zu sein. Der Kreml weist auch im Fall der Bahnstrecke die Anschuldigung Polens zurück und wirft Warschau „Russophobie“ vor.
„Die Beziehungen zu Polen haben sich vollständig verschlechtert“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Er sprach von einem „völligen Verfall“ der Beziehungen zu Polen. Die Schließung des Generalkonsulats drücke den Wunsch der polnischen Führung aus, jegliche Möglichkeit konsularischer oder diplomatischer Beziehungen zunichtezumachen. Da könne man nur „sein Bedauern ausdrücken“. Peskow sagte, dies habe „nichts mit gesundem Menschenverstand zu tun“.
Als Reaktion will Russland nun die diplomatische und konsularische Präsenz Polens im Land reduzieren, kündigte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa an. Es handele sich um „spiegelgerechte“ Maßnahmen der russischen Seite, sagte sie der Moskauer Zeitung Kommersant.









