Forschung Das Geheimnis der glücklichen Finnen
Stand: 15.12.2025 11:24 Uhr
Im Weltglücksbericht 2025 belegt Finnland den ersten Platz, zum achten Mal in Folge. Deutschland dagegen kam auf Rang 22. Glücksforscher können erklären, warum die Finnen glücklicher sind als die Deutschen.
Auch 2025 stand Finnland an Platz eins des World Happiness Reports. Schon zum achten Mal war das Land Spitzenreiter des Welt-Glücksberichts. Das liegt nicht gerade nahe: Die Suizidrate ist etwas höher als in Deutschland. Im Winter ist es lange kalt und dunkel und die Bedrohung durch Russland allgegenwärtig. Wie passt das zusammen mit dem Dauer-Abo auf Platz eins im Welt-Glücksbericht?
Die Glücksgleichung: Haben, Lieben, Sein
Der Magdeburger Soziologieprofessor Jan Delhey hat eine Gleichung entwickelt, auf der das individuelle Glück beruht: Haben + Lieben + Sein = Glück.
Unter „Haben“ versteht er das Materielle, etwa das Einkommen oder den Wohlstand. In die Kategorie „Lieben“ fallen sämtliche sozialen Beziehungen wie zur Familie oder Freunde. Zum „Sein“ gehört, ob jemand in seinem Leben einen Sinn sieht, das Leben aktiv gestaltet und welches Feedback er dafür von seiner Umgebung bekommt.
Finnland: Egalitäre Gesellschaft
Ein Vergleich zwischen Finnland und Deutschland, das im aktuellen World Happiness Report auf Platz 22 im Mittelfeld liegt, zeigt: Die Finnen „haben“ nicht mehr als die Deutschen. Das Durchschnittseinkommen ist sogar rund zehn Prozent niedriger. In Finnland liegt es bei 4.100 Euro pro Monat, in Deutschland bei 4.600 Euro.
Aber die finnische Gesellschaft ist egalitärer, also „gleicher“. Das gilt auch für das Einkommen. Arbeiter verdienen mehr als in Deutschland, Topmanager haben dagegen oft weniger und werden zudem auch noch höher besteuert. „Gleicher“ ist auch das Verhältnis in Partnerschaften: Finnische Väter verbringen mit ihren Kindern genau so viel Zeit wie die Mütter. Familien können auf eine Vielzahl von Betreuungsangeboten zurückgreifen.
Die finnische Gleichheit ist ein wichtiger Bestandteil der Lebenszufriedenheit, sagt der Philosoph und Glücksforscher Frank Martela von der Aalto Universität in Espoo. Das hat allerdings seinen Preis: Die Finnen zahlen höhere Steuern und Abgaben, etwa vier Prozent mehr als in Deutschland. Doch das nehmen 80 Prozent der finnischen Steuerzahler in Kauf.
Bildung: Mehr Chancengleichheit
Egalitär ist in Finnland auch das Bildungssystem: Alle Kinder besuchen neun Jahre lang zusammen die Grundschule. Individuelle Förderung und Unterstützung durch multiprofessionelle Teams mit Pädagogen, Therapeutinnen und Sozialarbeitern sind selbstverständlich.
In Finnland gibt es deutlich mehr Betreuungspersonal, das bei schulischen und psychischen Problemen hilft, sagt der Münchner Bildungsforscher Samuel Greiff. Das trage eindeutig zum finnischen Glück bei und habe auch Auswirkungen auf den Bildungserfolg: Bei den Ergebnissen der PISA-Studien liegt Finnland seit Jahren deutlich vor Deutschland.
Vertrauen und Natur
Dazu kommt die finnische Mentalität, etwa „Sisu“, die Widerstandsfähigkeit, die sich die Finnen selbst zuschreiben. Und Natur im Überfluss, endlose Wälder und rund 180.000 Seen. Die meisten Finnen haben ein Wochenendhäuschen im Grünen. Harte Winter lassen sich nur gut überstehen durch Gemeinschaft und Naturerlebnis mit Winter-Grillen, Eisbaden und Sauna.
Dieses Klischee der Freude an den einfachen Dingen sei nicht falsch, sagt Glücksforscher Frank Martela, aber: „Die Menschen in Finnland sind vor allem so glücklich, weil hier alles funktioniert. Das soziale Netz sorgt dafür, dass alle ein Auskommen haben. Der Staat kann die Menschen nicht glücklich machen, aber der Staat kann gute Rahmenbedingungen setzen. In Finnland ist das sehr gut gelungen.“
Glück kann man trainieren
Staatliche Rahmenbedingungen allein reichen aber nicht. Jeder muss selbst etwas für die Lebenszufriedenheit tun. Das kann Sport sein, ein Ehrenamt, Meditation, eine sinnstiftende Arbeit oder Gespräche mit Freunden. Bei jedem funktioniere etwas anderes, sagt die Trierer Neurowissenschaftlerin Michaela Brohm-Badry.
Entscheidend sei: „Glück lässt sich trainieren.“ Positive Gedanken verändern das Gehirn so nachhaltig, dass es quasi grundlegend glücklicher tickt, so Brohm-Badry: „Im Prinzip ist das ein Lernprozess, der mit Sport- oder Musiktraining vergleichbar ist.“ In einem Labor misst sie mit Hilfe der Elektroenzephalografie (EEG) die elektrische Aktivität des Gehirns bei Probanden: „Es ist faszinierend zu sehen, wie man mit positiven Gedanken das Gehirn neuroplastisch prägen kann. Aber, auch das hat eine Studie festgestellt: Man muss dranbleiben, wie bei jedem Training. Sonst ist der Effekt schnell verflogen.“
Gibt es Glücksgene?
Glücksgefühle entstehen durch Botenstoffe. Serotonin ist für das Wohlbefinden zuständig: Es regelt das Ruhebedürfnis, die Libido, den Appetit und das Schmerzempfinden. Oxytocin ist das sogenannte Kuschelhormon. Es wird freigesetzt bei Nähe und Vertrauen. Dopamin ist Teil des Belohnungssystems: Dopamin motiviert, treibt uns an. Endorphine sind körpereigene Schmerzmittel, die wie Opium zu einem “Rausch” führen können.
Jeder Mensch verarbeitet diese Botenstoffe unterschiedlich. Das Glücksempfinden wird zum Teil vererbt. Rund 40 Prozent stecken in den Genen. Aber es gebe kein finnisches oder skandinavisches Glücksgen, sagt die Amsterdamer Genforscherin Meike Bartels. Die „Genlotterie“ sei über alle Ländergrenzen sehr individuell. Mit dem Glück verhält es sich ähnlich wie mit anderen Begabungen wie etwa schnellem Laufen, meint sie: Dem einen fällt es leichter, der anderen schwerer. Außerdem seien rund 60 Prozent des Glücksempfindens sowieso Gen-unabhängig, also beeinflussbar.
Fazit: Glück braucht den richtigen Rahmen
Wenn wir vom finnischen Glück reden, dann geht es um die langfristige Lebenszufriedenheit. Mit Rahmenbedingungen wie Chancengleichheit, guter Bildung und Vertrauen in Staat und Gesellschaft. Das sind Faktoren, die auch in Deutschland gelten.
In deutschen „Glücksregionen“ wie etwa dem Landkreis Emmendigen in Baden-Württemberg sind die Bedingungen ähnlich wie in Finnland, sagt der Freiburger Glücksforscher Timon Renz: Gute Arbeits- und Bildungsbedingungen, ein ausgeprägtes Vereinsleben, Zusammenhalt und viel Natur. Wenn der Rahmen stimmt, so der Forscher, dann kann ich das individuelle Glück darin einpassen. Eigentlich ganz einfach.
Mehr zu diesem Thema sehen Sie in der Dokumentation ARD Wissen: „Was macht uns glücklich(er)?“ in der ARD-Mediathek.










