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Depressionen: Viele junge Menschen suchen Rat beim KI-Coach

Suedpole. by Suedpole.
23:33:35 20. Dezember 2025
in Gesundheit
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Depressionen: Viele junge Menschen suchen Rat beim KI-Coach

Eine Schülerin sitzt auf dem Boden und bedient ein Tablet.

Deutschland-Barometer Depressionen Viele junge Menschen suchen Rat beim KI-Coach

Stand: 25.11.2025 11:30 Uhr

Sie haben Tag und Nacht Sprechstunde: KI-Coaches. Immer öfter arbeiten sie als „Psychotherapeuten“ für Menschen mit Depressionen. Das ergab das 9. Deutschland-Barometer Depressionen.

„Hallo – Hast du Zeit für ein Gespräch über Depressionen?“ – „Natürlich habe ich Zeit. Welche Fragen kann ich dir beantworten?“

So könnte ein Gespräch beginnen. Das Gegenüber ist aber nicht Dr. Müller oder Psychotherapeutin Frau Prof. Hansen. Das Gegenüber ist eine KI und heißt Gemini, ChatGPT, Copilot oder auch Google-Assistant. Die Hälfte der betroffenen Jugendlichen nutzen sie als Gesundheits-Coach, bevor sie zum Arzt gehen, wenn sie überhaupt zum Arzt gehen. Denn vielleicht ist die KI ja sogar besser als über viele Jahre geschultes Fachpersonal? Sie hat immer Zeit und sie ist dort, wo Du bist. Zu Hause, im Park, im Zug, bei Freunden.

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Die Nachfrage ist riesig. Auf der Rangliste der Informationsquellen von Jugendlichen über die Krankheit Depressionen haben KI-Angebote Ärzte und Psychologen auf Platz 4 verwiesen und stehen jetzt an 2. Stelle. Ganz oben auf dem ersten Platz thronen Suchmaschinen wie Google oder Bing. Ganz am Ende, weit abgeschlagen – auf Platz 15 – Zeitungen und Zeitschriften.

Das zeigt das 9. Deutschlandbarometer Depressionen. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention befragt einmal im Jahr repräsentativ ausgewählte Personen. Sie möchte herausfinden, was die Deutschen über die Krankheit wissen, aber auch, wie viele Menschen unter Depressionen leiden. Außerdem gibt es jedes Jahr einen Schwerpunkt. In diesem Jahr „Soziale Medien“. Wo werden Informationen über die Krankheit gesucht?

„Wir wurden komplett überrascht“

Ulrich Hegerl ist Psychiater und Leiter der Stiftung. „Als wir vor einem Jahr über die Fragen für die Umfrage diskutiert haben, war der KI-Coach noch kein großes Thema.“ Hegerl wirkt einerseits besorgt, andererseits sieht er ein riesiges Potenzial. „Es gibt ja jetzt bereits digitale Psychotherapie-ähnliche Angebote, die wirklich gut sind.“ Damit spielt er etwa auf das kostenfreie Tool „ifightdepression“ an. Es hilft Menschen mit Depressionen, während sie auf eine Therapie warten, oder als Unterstützung im Alltag nach einer stationären Behandlung. Dieses Tool wird allerdings von Ärzten kontrolliert vergeben. Gespräche mit ChatGPT oder Gemini hingegen kann sich jeder selbst verordnen.

Therapieplätze sind rar

KI-Sitzungen können neutral sein – ohne Vorbehalte gegenüber den Patientinnen und Patienten, weil er oder sie die KI mit Sicherheit nicht an eine ungeliebte Person erinnert.

Ulrich Hegerl scheint fast ins Schwärmen zu kommen. Auch beim Thema Therapieplätze. Sie sind rar. Viele Patienten warten und warten, obwohl sie dringend behandelt werden müssen. Die KI hat immer Zeit. Aber Hegerl warnt davor, sich nicht allzu lange mit dem Computer oder dem Handy zu unterhalten. Bei einer schweren Depression sei es wichtig, leitlinienkonform behandelt zu werden.

„Depression ist eine schwere, oft auch lebensbedrohliche Erkrankung. Es ist eine Erkrankung des Gehirns, und wenn jemand die Diagnose hat, dann hat er eine im Schnitt um 10 Jahre reduzierte Lebenserwartung. Das heißt, es ist eine schwerere Erkrankung als Diabetes und viele andere Erkrankungen, und da ist natürlich eine Behandlung alleine mit einer KI der falsche Weg.“

Auch der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Klinikum Ingolstadt, Thomas Pollmächer, ist erstaunt über die Daten. „Das war ja vor Kurzem noch nicht so, und das ist ein besonders drastischer Anstieg“, sagt er, nachdem er sich die Ergebnisse des Deutschland-Barometers angeschaut hat. Da steht auch, dass sich Betroffene grundsätzlich erst einmal im Netz schlaumachen, bevor sie zum Arzt gehen. Einerseits freue er sich, dass sich die Leute informieren. Andererseits würde er dann aber oft auch mit vielen Falschinformationen konfrontiert.

„In der gesamten Medizin, aber auch in der Psychiatrie ist es so, dass vorinformierte Patientinnen und Patienten zum Arzt kommen – weniger um seine Einschätzung und sein fachliches Wissen in Anspruch zu nehmen, sondern eher um die schon vorgefasste Meinung bestätigt zu finden.“

Auf die Frage, was er von einem KI-Coach hält, reagiert er zurückhaltend. Dass z.B. ChatGPT und andere in der Ich-Form mit den Menschen reden, dürfe man nicht ernst nehmen: „…ich bin der Meinung, ich verstehe sehr gut, was du denkst, ich kann sehr gut nachfühlen, was du mir gerade erzählt hast. Das ist natürlich erheblich irreführend, weil dahinter niemand steht, der empathisch ist. Dass das trotzdem dazu führen kann, dass Menschen, die eine solche Pseudounterhaltung – möchte ich es mal nennen – führen, davon in gewisser Weise profitieren: Das spricht nicht dagegen, dass man sehr vorsichtig sein muss.“

Menschen zwischen 18 und 65 Jahren noch zurückhaltend

Im Gegensatz zu Jugendlichen steht bei Erwachsenen die KI erst an 9. Stelle der Beratungsliste. Ärzte und andere Gesundheitsfachkräfte noch auf Platz 2. Doch das werde sich bald ändern, vermutet Ulrich Hegerl. Es werde nicht lange dauern, bis auch die Älteren den KI-Coach zu Hause auf dem Sofa befragten. Die KI sei heute schon in Teilen brauchbar und habe immer Zeit. Man müsse nicht mal mehr das Haus verlassen. Deshalb werde es ein Schwerpunkt der Arbeit der Stiftung Deutsche Depressionshilfe sein, diese Entwicklung zu begleiten und, falls nötig, gegenzusteuern.

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