Im malerischen Schloss Ettersburg bei Weimar haben sich am Donnerstag die Regierungschefs der ostdeutschen Länder zu ihrer Konferenz versammelt. Vier Ministerpräsidenten und eine Ministerpräsidentin begrüßten dafür gleich zwei prominente Gäste aus Berlin: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).
Pistorius hatte kurzfristig beschlossen, sich mit den ostdeutschen Länderchefs auszutauschen. Die befürchten nämlich, dass der Osten bei der Verteilung der Milliarden, mit denen Deutschland angesichts der russischen Bedrohung möglichst schnell verteidigungsfähig gemacht werden soll, nicht ausreichend berücksichtigt wird. Thüringen und Sachsen warben deshalb vor dem Treffen dafür, dass ein angemessener Teil in den Osten fließen müsse.
Die klassischen Rüstungsunternehmen haben allerdings ihre Standorte im Westen. Es gebe aber etliche innovative Unternehmen, etwa im Bereich der Robotik oder Optik, die auf Aufträge warteten, sagte Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU). Der gestiegene Wehretat dürfe nicht nur in etablierte Strukturen fließen, sondern müsse auch Zukunftsinvestitionen möglich machen, forderte Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD). Das könne die Akzeptanz für die steigenden Rüstungsausgaben in Ostdeutschland erhöhen.
Erwartungen an den „Herbst der Reformen“
Die ist bisher wenig ausgeprägt, im Gegensatz zu pazifistischen Stimmungen und zur Russland-Sympathie. Von „verhärteten Diskursen“ sprach die Ostbeauftragte Elisabeth Kaiser (SPD). Michael Kretschmer, CDU-Regierungschef in Dresden, schlug sogar eine „Ostdeutschlandkomponente“ für Aufträge an den Rüstungssektor vor, eine Ostquote für die Zeitenwende.
Pistorius reagierte am Donnerstag ablehnend: Man wolle zwar „nach Lösungen suchen, wie wir der Rüstungsindustrie dabei helfen können, in Ostdeutschland Standorte aufzubauen“. Quoten sehe das Vergaberecht aber nicht vor, und sie „würden uns auch zeitlich in erhebliche Bedrängnis bringen“. Denn es sei die Hauptaufgabe, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands möglichst schnell herbeizuführen. Auch der Bundeskanzler sagte während der Pressekonferenz, dass die Unternehmen entscheiden würden, wo sie investieren. Es gebe aber „günstige Bedingungen“ in Ostdeutschland, die Bundesregierung werde die Unternehmen darauf hinweisen.
Das überwölbende Thema war der „Herbst der Reformen“, das bei einem Arbeitsessen mit dem Bundeskanzler erörtert wurde, der schnell zurück nach Berlin in den Bundestag musste. Die ostdeutschen Regierungschefs eint die Sorge, dass am Ende dieses Herbstes wenig Konkretes herauskommen könnte. „Der Herbst der Reformen muss ein Herbst der Entscheidungen werden“, hatte Voigt zuvor gefordert. Er und seine Ost-Kollegen wollen dafür Berlin in die Pflicht zu nehmen.
Das AfD-Hoch drückt auf die Stimmung
Voigt verlangte etwa, das Bürgergeld grundlegend zu verändern. „Das Bürgergeld, so wie es derzeit existiert, muss weg“, sagte er der Zeitung „Die Welt“. Er erinnerte daran, dass die Arbeitspflicht für Flüchtlinge zum ersten Mal in mehreren Thüringer Landkreisen eingeführt wurde und viele in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gebracht habe. Der Ministerpräsident von Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), mahnte eine rasche Senkung der Strompreise an.
Die Stimmung der ostdeutschen Länderchefs von CDU und SPD ist von der Konkurrenz mit der AfD geprägt. In Sachsen-Anhalt, wo nächstens Jahr gewählt wird, liegt die AfD laut der jüngsten Umfrage mit 39 Prozent zwölf Punkte vor der CDU. In Mecklenburg-Vorpommern, wo im Herbst 2026 ebenfalls gewählt wird, ergab eine Umfrage vom Donnerstag eine Zustimmung von 38 Prozent für die AfD, die SPD mit Ministerpräsidentin Manuela Schwesig käme nur auf 19 Prozent. Im Thüringer Landtag, wo die CDU in der Koalition mit dem BSW und der SPD nur die Hälfte der Sitze erreicht und für eine Mehrheit auf Stimmen der Linken angewiesen ist, hat die AfD eine Sperrminorität; in Sachsen regiert Kretschmer aufgrund der Stärke von AfD und BSW in einer Minderheitsregierung mit der SPD.
Auch diese besondere politische Situation werde in Berlin nicht ausreichend wahrgenommen, heißt es. „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die ostdeutsche Perspektive mitgenommen wird. Es braucht großen Einsatz dafür“, sagte Thüringens Staatskanzleichef Stefan Gruhner.