Sommerpause und Konjunkturschwäche lassen die Arbeitslosigkeit in Deutschland so hoch steigen wie seit vielen Jahren nicht mehr. Die Zahl der Arbeitslosen erhöht sich im August im Vergleich zum Vormonat um 46.000 auf 3,025 Millionen Menschen. Das seien 153.000 mehr als im August 2024, teilte die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg mit. Die Arbeitslosenquote stieg im Vergleich zum Juli um 0,1 Prozentpunkte auf 6,4 Prozent.
„Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor von der wirtschaftlichen Flaute der vergangenen Jahre geprägt“, sagte die Vorstandsvorsitzende Andrea Nahles. „Es gibt allerdings auch erste Anzeichen einer Stabilisierung.“ Nahles verweist insbesondere auf die Kurzarbeit, die seit Jahresbeginn rückläufig ist. Die Kurzarbeit wird oft als Krisenindikator herangezogen. Auch verwies die BA-Chefin auf den Stellenmarkt. Die Situation sei dort zwar seit langem nicht gut, immer weniger Stellen würden angezeigt, im August jedoch habe man ein leichtes Plus registriert. Andrea Nahles sprach von einem “zarten Pflänzchen“ einer Stabilisierung des Arbeitsmarktes.
Arbeitslosenquote ist in Bremen und Berlin am höchsten
Die Arbeitslosenzahlen steigen in der Regel über den Sommer, weil Unternehmen vor den Ferien weniger einstellen und Ausbildungsverhältnisse enden. Die August-Zahlen waren aber zuletzt vor 15 Jahren so hoch. Über der Grenze von drei Millionen lag die Zahl der Arbeitslosen zum letzten Mal im Februar 2015.
Im bundesweiten Vergleich lag die Arbeitslosenquote in den Stadtstaaten Bremen (11,8 Prozent) und Berlin (10,5) weiterhin am höchsten, in den südlichen Bundesländern Bayern (4,2) und Baden-Württemberg (4,7) am niedrigsten. Die Bundesagentur griff für die Statistik auf Datenmaterial zurück, das bis zum 13. August vorlag.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht trotz des neuen Höchststands bei der Arbeitslosigkeit erste Lichtblicke. Für das Arbeitsmarktbarometer befragen die Fachleute monatlich alle Arbeitsagenturen nach ihren Erwartungen für die nächsten drei Monate. Im August erwarteten sie erstmals seit drei Jahren, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit ein Ende hat. Auch die Beschäftigung könnte demnach wieder Fahrt aufnehmen.
Ökonom erwartet negative Folgen für Konjunktur
Ifo-Präsident Clemens Fuest erwartet angesichts der erstmals seit einem Jahrzehnt überschrittenen Marke von drei Millionen Arbeitslosen negative Folgen für die Konjunktur. „Der private Konsum ist derzeit schon verhalten, obwohl die verfügbaren Einkommen schneller wachsen als die Konsumentenpreise“, sagte der Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Viele Haushalte sparten mehr, weil sie sich Sorgen um die Zukunft machten. „Das wird bei schlechten Nachrichten vom Arbeitsmarkt wie der Überschreitung der Schwelle von drei Millionen Arbeitslosen zunehmen.“
Fuest führt die schlechte Lage am Arbeitsmarkt auf widrige Rahmenbedingungen in Deutschland zurück. „Viele Unternehmen bauen derzeit Arbeitskräfte ab – teils weil ihre Produkte sich nicht gut verkaufen, teils weil sie trotz wachsender Arbeitslosigkeit nicht die richtigen Fachkräfte finden oder weil sie entschieden haben, ihre Produktion ins Ausland zu verlegen“, sagte der Ökonom.
Im Vergleich zu vielen konkurrierenden Standorten habe Deutschland sehr hohe Bürokratie- und Regulierungslasten sowie hohe Steuern und Abgaben. Auch der wachsende Protektionismus im Welthandel belaste. Er führe dazu, dass es für viele Firmen attraktiver sei, in den Ländern zu produzieren, in die früher exportiert worden sei.
Fuest rät der Bundesregierung zum Gegensteuern. „Die Politik muss zeigen, dass sie nicht nur in der Lage ist, Schulden aufzunehmen, sondern auch, Strukturreformen durchzuführen, die schwierig und konfliktträchtig sind“, sagte der Ifo-Präsident. Letzteres sei deutlich anspruchsvoller. „Wenn das gelingt, werden die privaten Investitionen in Deutschland wieder steigen, und dadurch werden auch neue Jobs entstehen.“