Über den schlichten weißen Industriehallen im Darmstädter Westen liegt ein süßlicher Geruch, der irgendwo zwischen Apfelkompott, Eiscreme und Fruchtgummi changiert. Alles Lebensmittel, die oft Produkte aus den Hallen enthalten, die mit dem Namen Döhler und einem Globus mit grünen Apfelblättchen gekennzeichnet sind. Das Familienunternehmen mit weltweit mehr als 50 Produktionsstandorten sowie 75 Vertriebsbüros und Entwicklungszentren in mehr als 160 Ländern hat 10.000 Mitarbeiter, mehr als 1500 allein in Darmstadt, und ist dennoch wenig bekannt. Und das ist gewollt.
Man stelle sich ganz in den Dienst der Kunden aus der Lebensmittelindustrie, wie eine Sprecherin hervorhebt. Daher wird auch nicht gesagt, in welchen Lebensmitteln die Fruchtkonzentrate, Aromen und Farbstoffe aus der Döhler-Produktion stecken. Nur soviel: Sie seien beispielsweise in etwa der Hälfte aller Limonaden aus mittelständischer Produktion zu finden. Aber noch in einer Vielzahl anderer Produkte vom Fruchtsaft über Joghurt, Konfitüre bis zum Tee. In der Selbstdarstellung heißt es, man sei „ein globaler Hersteller, Vermarkter und Anbieter technologie-basierter natürlicher Ingredients, Ingredient Systeme und integrierter Lösungen für die Lebensmittel-, Getränke- und Ernährungsindustrie“. Alle Produkte würden aus natürlichen Rohstoffen gewonnen. Döhler stehe für Kompetenz in Sachen Ernährung. „Von Natur aus nachhaltig ist es unsere Aufgabe, die Welt gesünder zu ernähren“, lautet das Credo.

Und hier will das Unternehmen jetzt noch einen Schritt weiter gehen, mit einem Institut, das sich mit einem aktuellen Thema befasst und den Namen „Furure of Nutrition an Longevity Institute“ oder kurz FNL-Institute trägt. Longevity ist das Schlagwort der Zeit, auch deshalb, weil amerikanische Tech-Milliardäre alles daran setzen, möglichst lange zu leben und dabei fit und gesund zu sein.
Lebensmittel als Heilmittel
In dem Institut von Döhler geht es aber nicht um Blutwäsche und Kältetherapie für Superreiche, sondern darum, Menschen durch Lebensmittel länger gesund zu halten, wie der Institutsleiter Alexander Smerz sagt. Lebensmittel auch als Heilmittel einzusetzen ist das Ziel des promovierten Chemikers, der auch den Gesundheitsbereich bei Döhler leitet. „Schon immer wurde Nahrung auch als Medizin eingesetzt“, sagt er und verweist auf die traditionelle Chinesische Medizin (TCM) oder die indische Heilslehre des Ayurveda. Dabei würden Nahrungsmittel, Gewürze und Kräuter zur Bekämpfung von Krankheiten eingesetzt, darauf wolle man sich wieder besinnen.
Das passt zu den Wurzeln des Unternehmens Döhler. Dessen Keimzelle war eine Gewürzmühle, die Lorenz Döhler 1838 in Erfurt gründete und die Gewürzmischungen, „Spezereien“, herstellte und vertrieb. 1892 übernahm die Familie Gemmer das Unternehmen, das sich nach der eigenen Darstellung schon zu einem beachtlichen Industriebetrieb entwickelt hatte. In den Neunzehnhundertzwanzigerjahren wurde das Unternehmen, das den Namen der Gründer behalten hatte, unter Leo Gemmer zum Markenartikler mit „Döhler-Pudding“ und Backzutaten.
Nach der Enteignung im Osten zog die Familie Gemmer in den Westen und baute dort das Unternehmen in Frankfurt und Bad Wildungen wieder auf. Produziert wurden Aromen und Backhilfsmittel für das Bäcker- und Konditorenhandwerk sowie Aromen für die Süßwaren- und Spirituosenindustrie. 1952 kamen Grundstoffe und Aromen auf Fruchtsaftbasis für die Herstellung von Erfrischungsgetränken hinzu.
Von der Gewürzmühle zum Großunternehmen
Fünf Jahre später siedelte das Unternehmen mit damals 70 Beschäftigten und einem Umsatz von sechs Millionen D-Mark schließlich nach Darmstadt über. Zukäufe und die Expansion im Ausland prägten die Neunzigerjahre. 2001 kam beispielsweise Dinter im norddeutschen Alten Land hinzu und damit der Zugriff auf heimische Früchte wie Äpfel, Birnen und Beerenobst. Zudem wurde seit der Jahrtausendwende in Technologiezentren investiert und es kommen Jahr für Jahr weltweit neue Produktionsstandorte hinzu. Die Umsätze werden beim Mittelstandsforum Rheinhessen mit zwei Milliarden Euro angegeben. Auch eine Venture-Unit gehört inzwischen dazu, die in Start-ups mit Produkten wie Share, Just Spices oder Waterdrop investiert.
Doch auch Döhler und seine Kunden sehen sich einer zunehmend kritischeren Haltung gegenüber. Auf der einen Seite werden in den Medien selbst aus Naturprodukten erzeugte Aromen und Zusatzstoffe von Lebensmitteln aufs Korn genommen. Auf der anderen Seite zeigt sich beispielsweise in den Vereinigten Staaten schon die Folge der Abnehmspritze, die beispielsweise unter dem Namen Ozempic auf dem Markt ist. Berichten zufolge hat das inzwischen Auswirkungen auf das Konsumverhalten in den Supermärkten und damit auf die Lebensmittelproduzenten, die Umsätze verlieren.
Hier will Institutsleiter Smerz ansetzen und den Herstellern Zusatzstoffe anbieten, die beispielsweise aus Topinambur oder grünem Kaffee gewonnen werden. Damit könnten sie Limonaden, Shakes und anderes herstellen, sagte er bei der Präsentation des neuen Instituts. Die Stoffe könnten den Konsumenten helfen, den Glukosespiegel niedrig zu halten und so Heißhungerattacken zu vermeiden. So könnten sie länger gesund bleiben und den Jojo-Effekt nach dem Abnehmen vermeiden. „Durch Spitzenforschung und innovative Lösungen setzen wir uns dafür ein, die Langlebigkeit und das Wohlbefinden zu verbessern, indem wir jeden Aspekt der menschlichen Ernährung optimieren.“
Dazu arbeitet das Institut auch mit der Medizinerin Andrea Meier zusammen, die an der National-Universität von Singapur arbeitet und Mitbegründerin der dortigen Akademie for Health Longevity ist. Sie schilderte bei der Institutseröffnung anhand der Bilder von zwei gleichalten Mäusen, eine ganz ergraut und eine ganz jugendlich aussehend, welche Unterschiede sich durch Longevity-Methoden erzielen lassen – bei denen Ernährung allerdings nur einer von mehreren Bausteinen ist. Sie hob aber vor allem hervor, dass es insbesondere in Singapur darum gehe, eine alternde Bevölkerung möglichst lange fit und arbeitsfähig zu halten.