Die Hauptstadt der Daten wird zum Risiko für Digitalisierung und Wirtschaftswachstum: „Wenn Frankfurt Kapazitäten fehlen oder regulativ ausgebremst wird, droht Deutschland im digitalen Wettbewerb zurückzufallen“, heißt es in einer Studie zur Internetwirtschaft in Deutschland, die ihr Verband Eco am Dienstag veröffentlicht hat.
Die Studie prognostiziert der Branche ein kräftiges Wachstum: Der Gesamtumsatz soll von 251 Milliarden Euro im vergangenen Jahr bis 2030 auf rund 390 Milliarden Euro steigen. Der Hauptanteil entfällt auf den Onlinehandel sowie digitale Geschäftsmodelle wie Streaming, Gaming oder IoT-Dienste. Das Geschäftsfeld E-Commerce bleibt das umsatzstärkste innerhalb der Internetwirtschaft und trug 95 Milliarden Euro zum Gesamtumsatz bei. Die Anbieter von Gaming, Streaming und Co. liegen aktuell bei fast 90 Milliarden Gesamtumsatz. Für beide Sektoren sagt die Studie zehn Prozent Wachstum in den nächsten fünf Jahren voraus.
Doch ohne digitale Infrastruktur in Form von Mobilfunk, Glasfaser und Rechenzentren funktionieren diese Dienstleistungen ebenso wenig wie Datenclouds und KI-Anwendungen, die derzeit als die großen Wachstumstreiber gesehen werden.
13 Milliarden Euro im Jahr sind noch nicht genug
Für sie soll der Bedarf an installierter IT-Leistung bis 2030 von 2,4 Gigawatt (Stand 2024) auf etwa 3,7 Gigawatt wachsen. Und das könnte noch zu wenig sein: Vertreter von Industrie, Cloud- und Telekommunikationsanbietern rechneten sogar mit einem Lastzuwachs um das Drei- bis Fünffache, berichten die Studien-Autoren von der Unternehmensberatung Arthur D. Little.
Spätestens dann seien die 13 Milliarden Euro an Investitionen, die derzeit jährlich in Bau und Ausstattung neuer Rechenzentren fließen, viel zu wenig: „Bleibt es beim heutigen Ausbautempo, entsteht bereits ab 2028 eine strukturelle Lücke von mindestens einem Gigawatt“, rechnen die Autoren vor.
Es müssten dringend strukturelle und rechtliche Bedingungen geschaffen werden, um den Aufbau weiterer Rechenzentren zu beschleunigen – und zwar besonders jenseits von Frankfurt: Ein Drittel der deutschen Rechenzentrumsleistung konzentriere sich in Rhein-Main, „ein Ausfall oder Wachstumsstopp dort hätte landesweit spürbare Folgen“. Schon in den vergangenen zwei Jahren sie die Branche langsamer gewachsen als angenommen, vor allem der Mangel an Flächen, die beschränkte Verfügbarkeit von Strom setzten dem Wachstum Grenzen.
Hinzu kämen politische Vorgaben wie etwa die Ansiedlungsbeschränkungen, die die Stadt Frankfurt eingeführt hat. Dabei übersteige gerade dort die Nachfrage das Angebot an zusätzlichen Kapazitäten. Neue Rechenzentren vermieteten sich den Managern zufolge doppelt so schnell als noch vor drei Jahren. Eine stärkere Verteilung der Datacenter-Infrastruktur sei nötig, „um dieses Klumpenrisiko zu reduzieren“.
Rückstände beim Glasfaserausbau
Ohne entsprechende politische Weichenstellungen für die gesamte digitale Infrastruktur im Land sei zu erwarten, dass Rechenlasten ins Ausland verlagert werden. Das würde die digitale Souveränität Deutschlands gefährden, warnt der eco-Verband. Er bemängelt auch einen schleppenden Glasfaserausbau, eine zögerliche Digitalisierung im Mittelstand und fehlende Plattformkompetenz verantwortlich.
Der Vorstandsvorsitzende des eco-Verbandes, Oliver Süme, warnte, ohne entschlossenes politisches Handeln könnte der Wachstumsboom ins Leere laufen. „KI und Automatisierung lassen die Nachfrage nach Rechenleistung und schnellen Netzen explodieren. Die aktuellen Bedingungen am Standort Deutschland erlauben es uns aber gar nicht, die entsprechenden Kapazitäten zeitgerecht dem Markt zur Verfügung zu stellen.“ Dies habe auch mit politischen Versäumnissen zu tun, sagte Süme.
Konkret fordert der Verband von der Politik, den Zugang zu bbezahlbarem, grundlastfähigem Strom sicherzustellen. Die hohen Industriestrompreise in Deutschland lägen mit rund 23 Cent pro Kilowattstunde 25 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Dies stelle ein gravierendes Standortproblem dar und mindere die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Betreiber.