Herr Söder, in Deutschland hängen Millionen Arbeitsplätze an der Automobilindustrie, in Bayern sitzen BMW, Audi und viele Zulieferer. Was sagen die Ihnen, wie ernst ist die Lage?
Der Strukturwandel der Branche ist tiefgreifend. Wir haben uns in Deutschland allerdings auch nachhaltig selbst geschädigt. Der grüne Wirtschaftsminister hat über Nacht den Elektromobilitätsmarkt durch die eingestellte Förderprämie zerstört. Die Ladeinfrastruktur wurde nicht ordentlich ausgebaut. Und in Europa wird entschieden, den Verbrennungsmotor zu verbieten. Deswegen brauchen wir eine nationale Autostrategie. Das Auto darf nicht am Rande laufen, es muss in den Mittelpunkt der Politik kommen.
Wer ist „wir“? Ist das Brüssel, oder ist es die Regierung in Berlin, oder ist es unsere Gesellschaft, die sich verändert hat?
Das sind sehr stark die Grünen. Sie sind einfach gegen das Auto. Doch ohne Auto wird es schwer für den industriellen Standort, insbesondere mit dem hohen Zuliefereranteil. Die Autobranche ist immer noch die zentrale Lebensader der deutschen Wirtschaft.
Was befürchten Sie für den Automobilstandort Deutschland?
Ohne Gegenmaßnahmen wird es zu einem großen Verlust an Arbeitsplätzen kommen. Für unsere Exportindustrie sind die 15-Prozent-Zölle der USA eine extreme Belastung, gerade in einer Krise. Hinzu kommt die Aggressivität des chinesischen Marktes. Die Chinesen subventionieren ihre Autos und haben einen Trend erkannt, der in Europa so nicht gesehen wurde. Unsere Industrie hat sich stark mit dem Motor beschäftigt, dort wurde das Auto mit dem digitalen Interieur zum fahrenden Computer.
Wie sieht Ihr „Auto-Plan“ also aus?
Es muss als erstes das Verbrennerverbot weg. Da muss Europa dringend handeln. Es müssen die CO2-Strafzahlungen für die Flotten weg. Dann brauchen wir einen Industriestrompreis, um die Energiekosten weiter zu senken. Wir haben in Deutschland mehr als doppelt so hohe Industriestrompreise wie in den USA. Und wir brauchen einen Technologieschub für die Elektromobilität und das autonome Fahren, den wir in Bayern sogar mit einem Transformationsfonds finanziell begleiten.
Sie wollen Subventionen für das Auto?
Es geht um die Mobilität insgesamt. Wir haben uns in Deutschland zu einseitig auf die Bahn und den öffentlichen Personennahverkehr fixiert. Dafür geben wir enorm viel Geld aus.
Stimmt. In München werden 12 Milliarden Euro in eine zweite S-Bahn-Strecke gesteckt, die frühestens 2037 fertig sein wird. Dann fahren wahrscheinlich schon Robotaxis auf der Straße.
Das ist schon sinnvoll. Mit der zweiten Stammstrecke wird das Umland besser an die Landeshauptstadt angeschlossen. Ich betrachte Verkehrssysteme nie als alternativ, sondern immer als komplementär. Deswegen haben wir der Landeshauptstadt auch eine neue Idee vorgeschlagen. Überdachte Radwege auf Stelzen entlang der Straßen, das hätte das Miteinander von Rad und Auto erleichtert. Aber die Grünen lehnen das ab, weil sie lieber Straßen verengen oder sperren wollen.
Die Straßen werden aber überall enger gemacht, auch in München.
Das Auto ist kein Gegner. Es aus der Stadt völlig vertreiben zu wollen, ist Quatsch.
Wenn Sie die E-Mobilitätsprämie nicht durchbringen, denken Sie dann an steuerliche Anreize?
Deutschland und Europa sind ein Automarkt. Viele Politiker haben das ignoriert. Denken Sie nur an die letzte IAA. Der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz hat übers Joggen geredet. Andere über Radwege. Der einzige, der für das Auto gesprochen hat, war ich. Deswegen hoffe ich jetzt mit Bundeskanzler Friedrich Merz, dass von der IAA ein Riesensignal ausgeht, dass Deutschland hungrig aufs Auto ist, dass Deutschland ein Automarkt der Zukunft ist. Sonst werden wir in 20 Jahren nur noch chinesische Marken fahren.
Wenn man sich in China beispielsweise bei BYD umschaut, ist das schon beeindruckend. Da wohnen die Ingenieure auf dem Werksgelände, sie arbeiten zehn bis zwölf Stunden am Tag und wollen uns überholen. Ist die Antwort „mehr arbeiten“?
Wir müssen in Deutschland nicht mehr arbeiten, aber Leistung muss sich wieder lohnen. Wir brauchen auf keinen Fall eine Steuererhöhung, das ist ein völlig falsches Signal aus der SPD. Was wir in Deutschland brauchen, ist eine andere Arbeitsmoral. Viele möchten am liebsten nur noch Teilzeit oder Homeoffice. Wenn wir aber unseren Wohlstand halten wollen, müssen wir auch wieder mehr dafür tun. Eine Fußballmannschaft, die nach 70 Minuten aufhört zu spielen, wird selten in der Verlängerung erfolgreich sein.
Autohersteller wie Audi lassen ihre neuesten Fahrzeuge in China in drei Jahren entwickeln, an den heimischen Standorten werden derweil Ingenieure arbeitslos. Besorgt Sie das?
Unsere Kernstrategie ist Innovation, Innovation und noch mal Innovation. Der Freistaat Bayern hat in Europa mit den höchsten Forschungs- und Entwicklungsanteil, nur Schweden ist besser. Künstliche Intelligenz, Robotik, Quantencomputing, Fusionstechnologie, Raumfahrt und Bio- und Life-Science, da sind wir vorne. Wir investieren allein im Jahr 2025 neun Milliarden Euro in den Wissenschaftsbereich. Ganz neu ist der Bau des Max-Planck-Campus in Martinsried. Dort entsteht der innovativste Life-Science-Standort in Europa mit 2000 Arbeitsplätzen, Forschungszentren und einem Biocampus für Start-ups. 500 Millionen Euro steuert der Freistaat Bayern bei. Durch unsere Forschungsförderung entsteht ein Hebel. Weltkonzerne siedeln sich an, Start-ups schießen wie Pilze aus dem Boden. Wir sind auch hier jetzt die Nummer eins in Deutschland. Ich setze darauf, dass es im Bund auch zu einer Hightechagenda kommt.
Also doch noch mehr Subventionen?
Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck hielt große Subventionen für einzelne Unternehmen ja für eine gute Idee und ist auch hier gescheitert, siehe Northvolt. Unser Ansatz ist ein anderer. In Bayern schaffen wir Infrastruktur für Innovationen und Investitionen. Wir haben zum Beispiel eine Milliarde in die Hand genommen und die Luft- und Raumfahrt ausgebaut. Wir haben die besten Hochschulen in Deutschland und die größte Fakultät für Luft- und Raumfahrt in Europa mit zahlreichen Unternehmen in diesem Biotop. Das bringt wesentlich mehr als einzelne Subventionen.
Haben Sie den Eindruck, dass unsere Hochschulen stark genug aufgestellt sind in den technischen Berufen? Wie der NC zeigt, gibt es offenbar viele junge Leute, die lieber Psychologie als Maschinenbau studieren.
Geisteswissenschaften sind wichtig. Aber auch hier kann die Politik die richtigen Schwerpunkte setzen. In Nürnberg haben wir die erste Technische Universität gegründet, die sich allein auf KI fokussiert. Wir haben in Bayern mehr als 100 Lehrstühle für KI auf den Weg gebracht und 1000 Professuren für Hightech. So werden aus Hochschulen heraus Unternehmensgründungen organisiert und finanziert. Das wirkt im ganzen Land.
Welche Chance hat Deutschland, um etwa Wissenschaftler aus Amerika anzulocken, die sich unter der Trump-Administration nicht mehr wohlfühlen?
Wenn es um KI geht, dürfen wir nicht alte Fehler wiederholen und alles zu stark regulieren. Wissenschaftler brauchen in der KI maximale Freiheit. Man muss nicht einen radikal-libertären Ansatz der Amerikaner mitgehen, aber der überbürokratisch regulierte Ansatz in Europa schadet einem attraktiven Umfeld für Hochschulen und Unternehmen.
Kurzum: Wir brauchen wieder mehr Bereitschaft zu Technologie?
Wir brauchen wieder mehr Bereitschaft zu Technologie.
Und eine industrielle Basis?
Und eine industrielle Basis, selbstverständlich. Ohne Auto, Maschinenbau und Chemie ist Deutschland eine Dame ohne Unterleib.
Welches ist denn Ihr Lieblingsauto?
Das ist aktuell der BMW X7.
Tolle Autos, das finde nicht nur ich. Schauen Sie mal, wer die alles so fährt. Übrigens auch in Gegenden, wo Grün gewählt wird. Ich mag auch Cabrios und Sportwagen, aber in ein SUV passe ich mit meiner Länge einfach besser rein.
Ich mag BMW von klein an. Wobei auch Audi und MAN super Fahrzeuge sind. Mercedes-Benz war nie so meines, das waren eher rollende Wohnzimmer. Allerdings finde ich schade, dass sie keine Taxis mehr verkaufen wollen.
Welches war denn Ihr erstes Auto?
Das war ein alter, gebrauchter Peugeot 504. Mein Großvater war Peugeot-Händler. Deswegen habe ich schon etwas Benzin im Blut. Das erste Auto, das ich von meinem eigenen Geld gekauft habe, war ein marineblauer BMW 316i. Ich habe auch lange einen Smart gefahren. Da er ziemlich hoch ist, habe ich perfekt reingepasst. Mein schönster Lustkauf war ein alter Wrangler-Jeep, damit bin ich an den See oder ins Schwimmbad gefahren, ohne Türen, nur mit Ketten.
Das heißt also auch, Sie stehen zur IAA, wollen sie in München behalten und nicht mehr an Frankfurt zurückgeben?
Die IAA ist das Schaufenster der deutschen Autoindustrie in die Welt. Jetzt ist München der Standort. Ein super Platz, heute und in Zukunft. Auto und Bayern passt einfach.