Stand: 07.09.2025 12:46 Uhr
Nach schweren Angriffen ist eines der wichtigsten Regierungsgebäude in Kiew in Brand geraten. Noch ist unklar, ob der Kreml gezielt den Sitz des Kabinetts ins Visier genommen hat. Mindestens vier Menschen wurden landesweit getötet.
Erneut hat Russland die Ukraine mit massiven Angriffen überzogen. Ukrainische Städte in nahezu allen Landesteilen seien mit Hunderten Kampfdrohnen und mit Marschflugkörpern unter Beschuss genommen worden, teilte die Ministerpräsidentin Yulia Svyrydenko mit. Wieder war eines der Hauptziele Kiew. In der Hauptstadt wurde Svyrydenko zufolge eines der wichtigsten Regierungsgebäude in Brand gesetzt. Einsatzkräfte versuchen derzeit, die Flammen am Gebäude des Kabinetts zu löschen.
Ob das russische Militär das Haus gezielt ins Visier genommen hat oder ob herabfallende Teile, beispielsweise von einer abgeschossenen Drohne, den Brand ausgelöst haben, ist noch unklar.
Tote in Kiew
Auch Wohngebäude wurden in der Nacht getroffen. Den örtlichen Behörden zufolge wurden in Kiew mindestens drei Menschen getötet, viele weitere Menschen verletzt. Bürgermeister Vitali Klitschko zufolge starben ein Kleinkind und eine junge Frau bei den Drohnenangriffen.
Zudem sei eine ältere Frau in einem Luftschutzraum ums Leben gekommen. Die Behörden untersuchen nun, ob sie an den Folgen eines Angriffs starb. Sie wird nicht unter den offiziellen Opferzahlen registriert.
Im westlichen Bezirk Swjatoschynskyj wurden laut Klitschko mehrere Stockwerke eines neunstöckigen Wohnhauses teilweise zerstört. Herabfallende Drohnentrümmer hätten zudem Brände in weiteren Wohngebäuden ausgelöst. Russland greife „absichtlich und bewusst zivile Ziele“ an, sagte der Chef der Militärverwaltung der Hauptstadt, Timur Tkatschenko.
Zwei weitere Tote in Sumy und Tschernihiw
In Saporischschja wurden laut Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr als 20 Häuser und ein Kindergarten beschädigt. Neben den getöteten Personen in Kiew seien zwei weitere Menschen landesweit gestorben. Eine Person sei in Safoniwka in der Region Sumy und ein Mensch in der Region Tschernihiw getötet worden, schrieb der Präsident auf der Plattform X.
Selenskyj sprach von „vorsätzlichen Verbrechen“, „obwohl echte Diplomatie längst hätte beginnen können“. Er kritisierte in diesem Zusammenhang auch die US-Regierung, die keine weiteren Sanktionen gegen Russland verhängt habe.
Ukraine meldet Angriffe mit mehr als 800 Drohnen
Weitere ukrainische Städte meldeten ebenfalls russische Angriffe. Insgesamt habe die russische Armee landesweit mit 805 Drohnen und 13 Raketen angegriffen, teilte die Luftwaffe mit. Im zentralukrainischen Krementschuk kam es nach Dutzenden Explosionen zu Stromausfällen, wie die Behörden mitteilten.
In Krywyj Rih in der Zentralukraine wurden Behörden zufolge die Verkehrs- und städtische Infrastruktur angegriffen. In der südlichen Schwarzmeerhafenstadt Odessa seien zivile Infrastruktur und Wohngebäude beschädigt worden. Unabhängig überprüfen lassen sich die ukrainischen Angaben derzeit nicht.
Von der Leyen: Kreml verhöhnt Diplomatie
Die Angriffe auf die Ukraine lösten im europäischen Ausland eine weitere Welle der Solidarität aus. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen warf dem Kreml vor, „Diplomatie zu verhöhnen, das Völkerrecht mit Füßen zu treten und wahllos zu töten“.
Der französische Präsident Emmanuel Macron schrieb auf der Plattform X: „Gemeinsam mit der Ukraine und unseren Partnern stehen wir für Frieden.“ Doch Russland verstricke sich immer tiefer in die Logik von Krieg und Terror.
Der lettische Präsident Edgars Rinkēvičs warf Russland vor, den Konflikt durch aggressive Angriffe auf die zivile Infrastruktur in der Ukraine weiter zu eskalieren. „Die Botschaft ist klar: Der Kreml will Krieg, nicht Frieden“, schrieb Rinkēvičs auf X und fügt hinzu, die Antwort müsse „mehr Waffen für die Ukraine und mehr Druck auf Russland sein“.
Moldaus Regierungschefin Maia Sandu sagte, Russland biete der Welt „Tonnen von Lügen und Tausende von Raketen, die wahllos Zivilisten töten“.
Polen entsendet Militärflugzeuge
Angesichts der Angriffe in der Westukraine versetzte das benachbarte Polen seine Luftwaffe in Bereitschaft, um die Sicherheit des eigenen Luftraums zu gewährleisten. „Polnische und verbündete Flugzeuge operieren in unserem Luftraum, während bodengestützte Luftverteidigungs- und Radaraufklärungssysteme in höchste Bereitschaft versetzt sind“, teilte das operative Kommando der polnischen Streitkräfte in der Nacht mit.
Russland spricht von „militärisch-industriellen“ Zielen
Das russische Verteidigungsministerium erklärte, die nächtlichen Angriffe hätten auf militärisch-industrielle Standorte und der Verkehrsinfrastruktur der Ukraine gezielt. Dazu gehörten Lagerhallen für Waffen und militärische Ausrüstung, Militärflughäfen und Orte, an denen unbemannte Luftfahrzeuge mit großer Reichweite gelagert und gestartet werden, heißt es in der Erklärung.
Ukraine greift erneut Ölpipeline Druschba an
Russland meldete ebenfalls Angriffe. Die Flugabwehr habe in der Nacht 69 ukrainische Drohnen zerstört, berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das Verteidigungsministerium. In der südlichen Schwarzmeerregion Krasnodar löste ein Drohnenangriff nach Angaben der örtlichen Behörden einen Brand in der Ölraffinerie Ilsky aus. Unabhängig überprüfen lassen sich die russischen Angaben derzeit nicht.
Die Ukraine selbst gibt an, erneut die russische Region Brjansk angegriffen zu haben. Ziel sei die Ölpipeline Druschba gewesen. Der Kommandeur der ukrainischen Drohnenstreitkräfte, Robert Browdi, teilte auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit, die Pipeline sei dabei durch einen Brand erheblich beschädigt worden. Auch diese Angaben lassen dich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Über die Transitleitung werden Ungarn und die Slowakei mit russischem Öl versorgt. Die Ukraine hatte die Pipeline bereits mehrfach attackiert, was zu Unterbrechungen der Lieferungen in die beiden EU-Staaten geführt hat. Im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Ländern sind die Slowakei und Ungarn weiterhin stark von russischem Öl abhängig, das sie über die Pipeline aus der Sowjetzeit beziehen. Beide Länder unterhalten trotz des Ukraine-Krieges und der EU-Sanktionen engere Beziehungen zu Russland.