Forschung in der Raketentechnik Ins All und wieder zurück
Stand: 25.09.2025 07:27 Uhr
Werden Raketen ins All geschossen, bleiben sie meist auch da. Dabei könnten diese in der Theorie auch zurückfliegen. Wie das funktionieren könnte und wie Europa in der Raumfahrt unabhängiger wird, darüber diskutieren Fachleute.
Seit Dienstag tauschen sich Expertinnen und Experten auf dem Deutschen Luft- und Raumfahrtkongress in Augsburg aus. Ein Thema: Wie lassen sich Raketen oder Teile davon wiederverwenden? Vor allem geht es um Trägersysteme, die Nutzlast wie Satelliten in eine Erdumlaufbahn bringen.
Wiederverwendbare Raketen sollen die Raumfahrt kostengünstiger und umweltverträglicher machen und speziell die europäische Raumfahrt konkurrenzfähiger und unabhängiger vom US-amerikanischen Unternehmen SpaceX. Von ihm stammt die bisher einzige Trägerrakete, die Falcon 9, bei der Teile wieder landen und wiederverwendet werden können.
Horizontal oder vertikal landen?
Die Physikern Anke Pagels-Kerp vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) kritisiert ihre eigene Branche. Für sie ist es „absolut unökonomisch und unökologisch, Dinge einmal zu benutzen und wegzuschmeißen.“ Das DLR entwickelt zurzeit zwei verschiedene Systeme wiederverwendbarer Raketen.
Beide repräsentieren eines der technischen Prinzipien. Das eine, ReFEx, landet horizontal, also wie ein Flugzeug. So wie seinerzeit das Space Shuttle, dessen Konzept jedoch zu aufwendig, wartungsintensiv und auch technisch anfällig war. Die andere Möglichkeit ist senkrecht, also vertikal zu landen. Dazu entwickelt das DLR das System Callisto.
Diese illustrative Darstellung zeigt die vertikal landende und startende Raketenstufe Callisto.
Vertikales Landen mit schwappendem Treibstoff
Vertikal zu landen ist allerdings nicht einfach. Hier hat SpaceX mit der Falcon 9 einen technologischen Vorsprung. Für das senkrechte Landen benötigt die Rakete mehr Treibstoff, da der Antrieb nicht nur beim Start Schub, sondern bei der Landung auch Bremsschub erzeugen muss.
Der Treibstoff jedoch „schwappt im Tank“, so Pagels-Kerp. Bei der Landung wird zudem die Schwerkraft durch den Sinkflug verringert, „dann schwappt der Treibstoff nicht nur links und rechts, sondern der blubbert hoch“. Das führt dazu, dass die Rakete instabil wird. Sie muss ständig ausbalanciert und zugleich der Treibstoff in die Düsen gepresst werden.
Die senkrecht landende Rakete Callisto soll 2027 starten. Sie ist nur gut 13 Meter hoch und fungiert als „Demonstrator“ – also als Prototyp, der die Funktionsfähigkeit der Technik beweist. Das DLR will diese dann Unternehmen zur Verfügung stellen, um daraus dann einsatzfähige Transportsysteme zu bauen.
Starten wie eine Rakete, landen wie Flugzeug
Der zweite Demonstrator – ReFEx – startet zwar wie eine Rakete, landet aber wie ein Flugzeug. Dazu hat das oberste Raketen-Segment, also der Raumtransporter, kleine Flügel sowie größere, die ausklappbar sind. Zudem hat es auch ausklappbare Landebeine. ReFEx soll schon nächstes Jahr in Australien erstmals starten.
Schwerer mit weniger Nutzlast
Beide Varianten der „rückkehrfähigen“ Raketen sind schwerer als „Wegwerf“-Raketen. Bei horizontal landenden Raketen verursachen die Tragflächen und Landebeine das höhere Gewicht. Bei vertikal landenden ist es der zusätzliche Treibstoff – das können laut DLR bis zu 15 Prozent der gesamten Treibstoffmasse der ersten Raketen-Stufe sein. Das reduziert die Nutzlast. Aber, so Pagels-Kerp, das sei nicht so gravierend, da moderne Satelliten viel kleiner und leichter seien als früher.
Die Raumfahrtingenieurin Chiara Manfletti von der Technischen Universität München favorisiert das Konzept der vertikal landenden Trägersysteme. Diese seien günstiger zu konstruieren als die horizontal landenden Raketen und könnten falls nötig auch große Lasten transportieren: „Wenn ich einen Satelliten hochschicken muss, der eine große Masse hat, dann kann ich den gesamten Treibstoff verwenden, um den Orbit zu erreichen.“ Eine Rückkehr der Rakete ist dann allerdings ausgeschlossen.
Klimafreundlicher und weniger Weltraumschrott
Horizontal landende Systeme wiederum haben den Vorteil, keinen Treibstoff für die Rückkehr zu benötigen. Laut DLR legen Untersuchungen nahe, dass gerade Verbrennungsrückstände in der oberen Atmosphäre besonders klimaschädlich sind.
Beide Arten der wiederverwendbaren Raketen können zudem dafür sorgen, dass sich vor allem in den niedrigen Erdumlaufbahnen weniger Weltraumschrott von ausgebrannten Raketen-Stufen ansammelt. Dort ist der Platz jetzt schon knapp, und die niedrigen Orbits sind besonders für Internet- und Navigationssatelliten begehrt.
Lohnen sich nur bei häufigem Einsatz
Trotz der hohen Kosten für Entwicklung, Infrastruktur und Wartung der Rückkehr-Raketen glauben die Expertinnen, dass sie sich finanziell lohnen. Aber nur, so Chiara Manfletti, wenn sie auch oft fliegen. Die USA und China setzen für ihre staatlichen Satelliten-Projekte die Raketen ihrer heimischen Raumfahrt ein. Das führe dazu, dass die Unternehmen für kommerzielle Kunden günstige Preise anbieten können.
Europa, so Manfletti, mache es genau andersherum: Günstige Preise für die Staaten und hohe Preise für kommerzielle Kunden. Damit sei die europäische Raumfahrt nicht konkurrenzfähig. Die Folge: Ihre eigenen Raketen fliegen zu wenig. Das müsse sich ändern: Die europäischen Staaten müssten ihrerseits ausschließlich europäische Trägersysteme beauftragen, quasi subventionieren. Dann wäre Europa unabhängig von anderen Staaten. Erst dann würden sich auch wiederverwendbare Raketen lohnen.