Studie zur Karriere Wunderkinder werden selten Wundererwachsene
Stand: 18.12.2025 20:03 Uhr
Wunderkind Mozart und Golfer Woods sind Ausnahmen: Eine Studie zeigt, dass die meisten erwachsenen Spitzenperformer gar keine Wunderkinder waren. Vielfältige Interessen und langsame Entwicklung seien viel erfolgversprechender.
Die Frage, was echtes Talent ausmacht – sei es im Sport, in der Wissenschaft oder in der Musik – beschäftigt die Menschheit seit jeher. Ist es angeborene Begabung, eiserne Disziplin oder gezielte Frühförderung? Eine neue Meta-Studie im Fachjournal Science mit Daten von über 34.000 Profisportlern, Schachspielern, Musikern und Wissenschaftlern liefert klare Hinweise: Kinder, die früh herausragende Leistungen zeigen, erreichen selten als Erwachsene die Weltspitze. Stattdessen zeichnen sich jene aus, die in der Jugend solide, aber keineswegs sensationell talentiert waren.
Woods und Mozart als seltene Ausnahmen
Tiger Woods gewann schon mit drei Jahren die World Junior Championship und wurde später zum dominierenden Golfer seiner Epoche. Wolfgang Amadeus Mozart tourte bereits mit sechs Jahren durch Europa und schuf kurz vor seinem frühen Tod die „Zauberflöte“. Solche nahtlosen Übergänge von kindlicher zu erwachsener Exzellenz bleiben jedoch die Ausnahme, betont Arne Güllich, Erstautor und Sportwissenschaftler an der RPTU Kaiserslautern-Landau: „Man muss nicht in jungem Alter schon spitze sein, um im Erwachsenenalter spitze zu werden. Die meisten waren es nicht.“
Der unauffällige Aufstieg der Weltmeister
Die meisten Spitzenperformer folgen einem anderen Muster. Basketball-Legende Michael Jordan scheiterte beispielsweise zunächst am Elite-Team seiner Highschool, bevor er sich zum Superstar mauserte. Charles Darwin studierte Theologie, Geologie sowie Medizin und gelangte erst mit 50 Jahren zu seinem wissenschaftlichen Durchbruch.
Solche Beispiele gibt es auch im Schach: Viswanathan Anand, Fünfmaliger Weltmeister, war als Teenager national stark, aber kein globaler Sensationsfall, seinen ersten Weltmeistertitel erlangte er erst mit 37.
Vielfalt als Schlüssel zum Dauererfolg
Sportwissenschaftler Güllich sagt: Über alle untersuchten Disziplinen hinweg zeige sich, dass ein Schlüssel für langfristigen Erfolg auch eine „allmähliche Leistungsentwicklung und langjähriges Engagement in verschiedenen Disziplinen“ sei. Die Daten belegten: Wer drei Leidenschaften pflegt, steht später wahrscheinlicher an der Weltspitze.
Denn breite Interessen, so vermuten die Forschenden, könnten Vorteile mit sich bringen: Talente entdecken so im Laufe der Zeit ihre optimale Disziplin, schulen flexibles Denken und entgehen einseitigen Belastungen. Und „durch die Lernerfahrungen mit unterschiedlichen Lernaufgaben, verbessern wir unser Lernkapital für langfristiges Spezialisiertes Lernen auf sehr hohem Niveau über lange, lange Jahre“, erläutert der Studienautor. Das komme Spitzenperformern zugute.
Damit untermauert die Studie eine Beobachtung, die Christoph Mährlein, Präsident des Badischen Schachverbands aus der Praxis kennt: „Wirklich gute Leute haben umfassende Interessen. Musik ist oft ein Thema. Solche Begabungen sind häufig und werden dann auch gepflegt, damit sie nicht alle Brücken hinter sich abbrechen, sondern auch Felder haben, in denen sie Frustrationen mal ausgleichen können.“
Warum Wunderkinder scheitern
Zu frühes spezifisches Training könne Fallen wie Burnout, Monotoniefrust und fehlende Freizeit mit Freunden mit sich bringen, erklärt Güllich. In Sport und Musik könnten außerdem entwicklungsbedingte Ungleichheiten zu kurzzeitigen Wunderkindern führen: Zwischen zwei Kindern, die etwa an einem Wettbewerb für Zehnjährige teilnehmen, können viele Monate Entwicklungsunterschiede liegen, wenn ein Kind gerade erst zehn geworden ist und das andere schon vor elf Monaten.
Die Pubertät setze bei manchen mit elf ein, bei anderen erst mit 14 – mit hormonellen Prozessen, die leistungsförderlich oder hinderlich wirken können, wie Güllich beschreibt. Diese möglichen „Wunderkind-Effekte“ verschwinden aber mit dem Alter.
Die Lösung: Breit fördern statt aussortieren?
Die Daten belegen: Weltklasse-Athleten traten erst drei Jahre später in Förderprogramme ein als reine Nationaltalente. „Mit anderen Worten, frühe Teilnahme an Talentförderprogrammen korreliert negativ mit langfristiger Weltklasse“, präzisiert Güllich. Talentscouting beginnt aktuell je nach Sportart mit zwei Jahren, etwa beim Turnen, oder erst mit 14 beim Rudern.
Der Vorschlag des Studienautors geht daher eher in die Richtung breitere Förderung in Vereinen und Musikschulen statt frühen Aussortierens. Auch Christoph Mährlein vom Badischen Schachverband erzählt von aktuellen Diskussionen um die Praxis des frühen und harten Aussortierens in jungen Jahren, denn „wenn sich jemand entwickeln soll, dann braucht er auch ein gewisses Umfeld von Gleichaltrigen, die dann auch einen Sozialraum bieten, in dem er sich entwickeln kann.“
Thomas Kloth, Hauptgeschäftsführer des Landessportbunds Rheinland-Pfalz gibt zu bedenken, dass viele Vereine für Spitzensport jedoch einfach nicht ausgestattet seien: „Wir haben nicht ein wettkampfgerechtes Hallenbad, also kein einziges 50-Meter-Becken, das heißt unsere Beckenschwimmer haben gar keine andere Wahl, als irgendwann zu gehen.“
Karrieren profitierten hier von einem frühen Wechsel in professionelle Leistungszentren. Auch in der Vereinsausstattung schlummert also noch viel Potential für bessere und mehr Spitzenleister und Talente. Im Sport, aber sicherlich auch beim Schach oder in der Musik.









