Dass Sean „Diddy“ Combs nicht mit den von der Verteidigung geforderten 13 oder 14 Monaten Haft davonkommen würde, war schon nach wenigen Minuten klar. „Selbst nach dem Prozess stellte Combs seine bewiesene Schuld lautstark in Frage. Er zeigte keine Reue“, gab der Vorsitzende Richter Arun Subramanian gleich zu Beginn der Anhörung am Freitag die Marschrichtung vor.
Als der Jurist vor der Verkündung des Strafmaßes zudem andeutete, die drei der insgesamt fünf Anklagepunkte, zu denen die Geschworenen den gefallenen Musikmogul Anfang Juli freigesprochen hatten, einfließen zu lassen, senkte „Diddy“ erschüttert den Kopf. Combs‘ Verteidiger Brian Steel blickte besorgt zum Richtertisch, rieb sich die Augen und schlug schließlich für einen kurzen Moment die Hände vor das Gesicht.
Verteidigung fuhr sämtliche Geschütze auf
Seit die Jury des Bundesgerichts in Manhattan seinen Mandanten vor drei Monaten in zwei Anklagepunkten wegen der Förderung von Prostitution für schuldig erklärte, hatten Steel und seine Kollegen Marc Agnifilo, Teny Geragos und Nicole Westmoreland nichts unversucht gelassen. Sie beantragten, Combs gegen Kaution vorerst aus dem Metropolitan Detention Center in Brooklyn zu entlassen, forderten die Aufhebung des Schuldspruchs und lancierten Meldungen über unmenschliche Haftbedingungen, Combs‘ Abkehr von Drogen sowie die angebliche Läuterung des Fünfundfünfzigjährigen.
Zuvor hatten Zeugen während des mehr als sechs Wochen langen Strafprozesses ausgesagt, wie der Gründer des Labels Bad Boy Records seine Lebensgefährtinnen, unter ihnen die Sängerin Casandra „Cassie“ Ventura, immer wieder schlug, zu Orgien mit männlichen Prostituierten zwang und mit Videos der sogenannten Freak-Offs unter Druck setzte. Der jahrelange Missbrauch wurde bekannt, als Ventura im Herbst 2023 eine Zivilklage in New York einreichte. Es folgten Ermittlungen, Razzien in Combs‘ Anwesen in Los Angeles und Miami sowie die Festnahme des „I’ll Be Missing You“-Sängers im September 2024.
Combs Kinder unterstützten ihren Vater
Wie erwartet fuhr die Verteidigung am Freitag sämtliche Geschütze auf, um „Diddy“ möglichst viele der durch das Gericht angeblich anvisierten etwa sieben Jahre Haft zu ersparen. Die Verteidigerin Westmoreland stellte ihn als afroamerikanischen Vorkämpfer in der Musikbranche dar, der andere inspiriert habe. „Nachdem Sean Combs herausgefunden hatte, wie man sich in der Branche bewegt, durften auch wir endlich mit am Tisch sitzen und bekamen eine Stimme“, sagte die schwarze Juristin unter Tränen.
Auch sechs seiner sieben Kinder versuchten, den Grammy-Preisträger in ein gutes Licht zu rücken. Der 34 Jahre alte Quincy Brown, Combs‘ ältester Sohn, beschrieb ihn als „einen neuen Menschen“, der eine zweite Chance verdient habe. Chance Combs, eine seiner Töchter, bat den Vorsitzenden Richter, ihren Vater nicht länger von der Familie zu trennen. „Er hat mir und meinen Schwestern versprochen, immer auf uns auszupassen“, sagte die Neunzehnjährige.
Anklägerin Slavik: “Gipfel der Anmaßung“
Die Bundesstaatsanwaltschaft, die einige Tage vor der Strafmaßverkündung mehr als elf Jahre Haft forderte, hatte die Verteidigung zuvor ins Schwitzen gebracht. Combs, ließ die Anklägerin Christy Slavik das Gericht wissen, sei sich so sicher, mit den schon im Gefängnis verbrachten etwa 13 Monaten davonzukommen, dass er für die nächsten Wochen Termine vereinbart habe. Für den 14. Oktober sei der erste Auftritt bei der Miami Foundation, einer Stiftung zur Unterstützung von ehemaligen Straftätern, geplant. Weitere vier Termine sollten bis Ende des Monats folgen. „Das ist der Gipfel der Anmaßung und das Gegenteil von Rechtsstaatlichkeit“, wetterte die Juristin. Combs habe seine jahrelangen Übergriffe heruntergespielt, sich zum Opfer stilisiert und weiterhin keine Verantwortung für seine Taten übernommen. „Die Öffentlichkeit muss vor seiner Gewalt geschützt werden.“
Combs zeigte späte Reue
Wie schon einige Tage vor der Verkündung des Strafmaßes durchgesickert war, wollte sich auch „Diddy“ äußern. Nach Bitten um Entschuldigung an seine Mutter Janice, seine Kinder und „people of color“ wandte er sich an seine ehemalige Lebensgefährtin Ventura. „Ich möchte Cassie für jeden emotionalen und körperlichen Schmerz, den ich ihr zugefügt habe, um Verzeihung bitten“, sagte Combs weinend. Einige Wochen vor seiner Verhaftung in einer Hotellobby in Manhattan war das Video einer Überwachungskamera eines Hotels in Los Angeles veröffentlicht worden, das zeigte, wie er die Sängerin verprügelte, trat und in eine Suite drängte. „Was ich getan habe, war abstoßend, beschämend und krank“, gab Combs zu.
Die Strafe fiel trotz der späten Reue härter aus, als von der Verteidigung erwartet. Nach fast sechs Stunden verurteilte der Vorsitzende Richter Subramanian den früheren Musikmogul zu vier Jahren und zwei Monaten Haft, Auflagen für fünf Jahre nach der Entlassung und der Zahlung von 500.000 Dollar. Da Combs schon mehr als 12 Monate im Gefängnis saß, kommt er voraussichtlich in etwa drei Jahren frei. „Ich weiß, dass sie sich gerade an einem Tiefpunkt befinden, Herr Combs. Aber sie haben schwere Verbrechen begangen, die für die betroffenen Frauen schwere Folgen haben“, sagte der Richter. Die Termine in Miami, die Combs für die kommenden Wochen geplant hatte, muss er wohl absagen.
