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Stand: 21.12.2025 16:18 Uhr
Mit der vorsorglichen Speicherung von IP-Adressen soll es Ermittlern erleichtert werden, Kriminalität im Internet aufzuklären. Was genau plant Bundesjustizministerin Hubig? Und welche Kritik gibt es? Ein Überblick.
Worum geht es?
Bei der Bekämpfung von Kriminalität im Netz fordern die Ermittlungsbehörden seit Langem Zugang zu mehr Daten. Nun will Bundesjustizministerin Stefanie Hubig Internetanbieter mit einem neuen Gesetz dazu verpflichten, digitale Spuren länger zu speichern.
Eine zentrale Rolle dabei spielen Internetprotokoll-Adressen – kurz IP-Adressen. Das sind Kombinationen aus Zahlen und Buchstaben, über die sich ein Internetanschluss eindeutig identifizieren lässt. IP-Adressen werden allerdings nur vorübergehend vergeben. Das bedeutet, dass sie sich anders als etwa ein Autokennzeichen oder eine Telefonnummer häufig ändern können.
Das stellt Ermittler vor die Herausforderung, dass eine IP-Adresse allein oft nicht für die Aufklärung einer Straftat ausreicht. Sie müssen auch wissen, welchem Internetanschluss die entspreche Adresse zum Zeitpunkt der Tat zugeordnet war. „Bei Kinderpornografie, Online-Betrug und strafbarem Hass im Netz gilt bisher: Täter kommen viel zu oft davon. Das wollen wir ändern“, sagte Hubig der Bild-Zeitung.
Was sieht der Gesetzentwurf vor?
IP-Adressen seien oft die einzigen Spuren, die Täter im digitalen Raum hinterlassen, heißt es aus dem Justizministerium. Internetanbieter sollen deshalb dazu verpflichtet werden, diese drei Monate lang vorsorglich zu speichern, wie aus einem Gesetzentwurf der Justizministerin hervorgeht, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Zuvor hatte die Bild darüber berichtet. Derzeit würden viele Anbieter diese Daten bereits nach wenigen Tagen löschen, heißt es aus dem Justizministerium.
„Die IP-Adressen-Speicherung kann den Ermittlern entscheidend helfen: Sie sorgt dafür, dass digitale Spuren auch später noch verfolgt werden können, wenn das für die Aufklärung einer Straftat erforderlich ist“, sagte die SPD-Politikerin der Zeitung. Gespeichert werden sollen laut dem Ministerium auch weitere Daten, die für eine eindeutige Zuordnung der IP-Adresse zu einem Anschlussinhaber nötig sind.
Ermittler könnten dann wie bisher auf diese Daten zugreifen, wenn ein konkreter Anfangsverdacht einer Straftat besteht und die Abfrage für die Aufklärung erforderlich ist. Eine Einschränkung auf bestimmte Straftaten sieht der aktuelle Gesetzentwurf nicht vor. Besonders relevant sei die IP-Adressen-Speicherung bei Kinderpornografie im Internet, Cyber-Betrug und Hasskriminalität im Netz, so das Justizministerium.
Nicht gespeichert werden sollen hingegen Standortdaten (wo sich ein Gerät mit Internetanschluss zu einem bestimmten Zeitpunkt befand) und sogenannte Verkehrsdaten (wer mit wem wie lange kommuniziert hat).
Welche Regeln galten bisher?
Die vorsorgliche Speicherung von Internetdaten ist umstritten und hat die Bundesregierung sowie die Gerichte in den vergangenen Jahren immer wieder beschäftigt. Wegen rechtlicher Unsicherheiten wird die alte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung seit 2017 nicht mehr genutzt.
In Zeiten der Ampel-Regierung scheiterte eine Neuregelung an Uneinigkeit unter den Koalitionspartnern. Besonders die FDP war gegen eine Pflicht zur Speicherung von IP-Adressen. Kritiker fürchten durch die Speicherung eine Aushöhlung von Grundrechten. Unter anderem geht es um die Frage, welche Rückschlüsse sich durch die Daten auf die Bewegungen einer Person ziehen lassen.
Die Möglichkeit solcher Bewegungsprofile war in der Vergangenheit einer der Gründe, warum die damaligen Regelungen als nicht grundrechtskonform beurteilt wurden, wie Jan-Peter Bartels aus dem ARD-Hauptstadtstudio berichtet. Er hält es deshalb für sehr wahrscheinlich, dass auch gegen ein entsprechendes neues Gesetzt geklagt wird. Im Bereich der IP-Adressen habe der Europäische Gerichtshof aber durchaus Möglichkeiten offengelassen.
Aus dem Justizministerium heißt es, die im Gesetzentwurf vorgesehene IP-Adressen-Speicherung sei „kein tiefer Grundrechtseingriff“ und wahre verfassungs- und europarechtliche Vorgaben. „Die Vertraulichkeit von Kommunikation bleibt strikt gewahrt. Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile sind ausgeschlossen“, sagte Hubig der Bild-Zeitung. Das Gesetz schaffe eine Lösung, die wirksam sei und gleichzeitig die Freiheit im Netz wahre.
Wie fallen die Reaktionen aus?
Während Teile der Opposition den Gesetzentwurf für falsch und rechtswidrig halten, wünscht man sich bei der Polizei sogar härtere Regeln. Ermittlungen bei Straftaten seien oft so umfangreich und international, dass drei Monate nicht ausreichten, sagte Andreas Roßkopf, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei für den Bereich Bundespolizei und Zoll. „Da sind monatelange Verfahren, Absprachen und Recherchen oftmals keine Seltenheit“, so Roßkopf in den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.
Die Grünen finden den Ansatz hingegen falsch. „Union und SPD planen offenkundig den Wiedereinstieg in die anlasslose Massenüberwachung im Internet“, warnte Rechtspolitiker Helge Limburg im Magazin Stern. Alle bisherigen Versuche, eine anlasslose flächendeckende Vorratsdatenspeicherung einzuführen, seien von Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof gekippt worden. „Anstatt erneut mit dem Kopf gegen dieselbe Wand zu rennen, sollten sich Union und SPD endlich auf wirksame Alternativen besinnen.“
Die Innenpolitik-Expertin der Linken, Clara Bünger, übte ebenfalls Kritik an dem Vorstoß: „Ich habe dabei ein massives Störgefühl: Ausgerechnet dort, wo es auf den Schutz von Grundrechten und die Vertraulichkeit der Kommunikation ankommt, wird anlasslos in der Breite gespeichert“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. „Das ist schleichende Grundrechtsaushöhlung und ein Generalverdacht gegen alle.“ Das Problem seien gar nicht fehlende Daten, sondern das Fehlen gut ausgebildeter Ermittlerinnen und Ermittler und digitaler Forensik.
Wie geht es weiter?
Der Gesetzentwurf ist in der Bundesregierung noch nicht abgestimmt. Die dreimonatige Speicherfrist ist aber eines der Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag von Union und SPD. Nach einem Beschluss der Bundesregierung müsste sich auch der Bundestag noch mit dem Thema befassen.
Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa








