Stand: 23.12.2025 13:30 Uhr
In der Türkei laufen Ermittlungen gegen mehr als 150 Schiedsrichter und rund 1.000 Fußballspieler. Der Vorwurf: illegale Wetten und Manipulation. Viele Spieler wurden gesperrt. Viertligist Agrispor hat nun ein Problem.
Letztes Spiel vor der Winterpause für den türkischen Viertligisten Agrispor: In dem kleinen Stadion im Nordosten der Türkei nahe der armenischen Grenze – die Region wird auch türkisch Sibirien genannt – geht es gegen die Mannschaft von Kapadokyaspor. Doch Agrispor hat ein Problem: 20 Spieler sind mittlerweile gesperrt. Der Wettskandal im türkischen Fußball hat auch die Provinz erreicht.
Die Mannschaft muss nun mit Jugend- und Leihspielern aufgefüllt werden, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Das angestrebte Ziel, der Aufstieg in die dritte Liga, ist in weite Ferne gerückt. Die Mannschaft liegt nach den Turbulenzen der letzten Wochen auf Platz elf, nur wenige Punkte von der Abstiegszone entfernt.
Erneut Spieler gesperrt
Zwei Tage vor dem Spiel: Mannschaftstraining im malerischen Ferdi Branslar Spor Salonu in Agri, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Es wird mittags kurz nach dem Freitagsgebet trainiert, da es sonst zu kalt ist. Vor kurzem wurde bekanntgegeben, dass drei weitere Spieler gesperrt werden, heißt es, für mindestens 45 Tage. Die Sperre der Stammkräfte eröffnet dem Nachwuchs ungeahnte Möglichkeiten.
Trainer Ahmet Özen steht fast vor einer fast unlösbaren Aufgabe: Er muss jetzt viele Spieler der U19-Mannschaft und aus dem Universitäts-Team in den Rest-Kader integrieren. Dass viele seine Spieler Sportwetten abgeschlossen haben, hätte nicht passieren dürfen, sagt er. Er betont aber auch, dass viele und auch er selbst nicht gewusst haben wollen, dass es ein Verbot gibt.
Trotzdem ist er stolz auf seine Rest-Truppe. Das Team habe in den letzten Wochen gelernt, mit den Widerständen gut umzugehen und mache jetzt das Beste daraus, sagt der Coach.
Klare Regeln gefordert
Beim Abschlusstraining ist auch der Vizepräsident des Vereins dabei. Tekin Yusan ist ein leidenschaftlicher Fußballfan. Für Yusan sind die Spielersperren ein harter Schlag, denn er hat den Kader monatelang geplant, mit dem Ziel, ein konkurrenzfähiges Team zu formen.
Nun steht er vor einem Scherbenhaufen. Er will, dass man zwischen allgemeinen Wetten und konkreten Spielmanipulationen unterscheidet. Da sieht Yusan beim Verband noch Nachholbedarf und fordert klare Regelungen für die Zukunft. Seinen Humor hat er dennoch nicht ganz verloren. Es gebe gerade mehr Personen im Management und Trainerstab als aktive Kicker, sagt er im ARD-Interview.
Mehr als 1.000 Spieler unter Verdacht
Der Wettskandal im türkischen Fußball erreicht immer neue Dimensionen. Nicht nur weit über 100 Schiedsrichter sollen laut dem Türkischen Fußballverband betroffen sein, sondern auch mehr als 1.000 Spieler aller Ligen, vom Nationalspieler bis hin zum Amateurkicker. Offenbar ist das Wetten auf Spiele aller Ligen ein Milliardengeschäft. Alle verdächtigen Spieler müssen sich nun vor dem Disziplinarausschuss des Verbandes verantworten und werden vorerst gesperrt. Auch der Weltfußballverband FIFA wurde eingeschaltet.
Der Ex-Schiedsrichter und bekannte Fernsehexperte Murat Fevzi Tanirli sieht den türkischen Fußballverband in der Pflicht. Es gebe im Gegensatz zu den großen europäischen Ligen großen Nachholbedarf bei der Schulung der Schiedsrichter. Und auch die Spieler müssten besser informiert werden, was erlaubt sei und was nicht. Generell fordert er einen neuen Verhaltenskodex. Kritisch sieht er, dass die türkische Süper Lig von einem großen Wettanbieter gesponsert werde.
Trainer fordert Zusammenhalt
Das Spiel in der malerischen Landschaft im Nordosten der Türkei in der Nähe des legendären biblischen Ararat Berges verläuft ohne Höhepunkte. Die neuformierte Mannschaft von Agrispor erreicht immerhin ein torloses Unentschieden, auch wenn der Gegner Tabellenletzter ist.
Wie es hier weitergeht? Unklar. Trainer Özen fordert nun Fans und die ganze Stadt auf, den Verein zu unterstützen. Man könne diese Situation nicht alleine bewältigen, sondern müsse zusammenhalten – und dann auch einmal über das ein oder andere schlechte Spiel hinwegsehen.
Das Zuschauerinteresse an diesem kalten Dezembersonntag ist aber überschaubar. In dem 10.000 Zuschauer fassenden Stadion haben sich nur ein paar hundert Fans versammelt.








