Bundesforschungsministerin Dorothee Bär „Unsere Sicherheit wird auch im All verteidigt“
Interview | Berlin · Im Interview erklärt Forschungsministerin Bär, warum Ausgaben in der Raumfahrt für sie wichtig sind und in welchem Bereich sie auf keinen Fall kürzen will. Außerdem verspricht sie eine Reform beim BAföG – und Investitionen in „geschlechtergerechte Verhütung“.
Forschungsministerin Bär (CSU): „Niemand möchte an Investitionen sparen.“
Foto: picture alliance/M. Popow/dpa
Frau Bär, hat das Grillfest von Union und SPD in dieser Woche zum besseren Klima in der Koalition beigetragen?
Dorothee Bär Es war ein sehr schöner gemeinsamer Abend. An den Tischen saßen wir in bunter Runde aus CDU, CSU und SPD. Im Kabinett ist die Stimmung ohnehin ausgesprochen gut. Mit vielen Kolleginnen und Kollegen arbeite ich ja schon seit Jahren in unterschiedlichen Funktionen zusammen – da kann von schlechter Stimmung innerhalb der Koalition keine Rede sein. Zugegeben: Die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause hätte glücklicher verlaufen können. Doch bereits beim Treffen von Union und SPD in Würzburg war die Atmosphäre spürbar gelöst.
Also würden Sie sagen, dass die Koalition für den „Herbst der Reformen“ bereit ist?
Bär Ich würde das gar nicht allein am Grillfest festmachen. Man spürt es auch im Bundestag: Wenn Rednerinnen und Redner der Union sprechen, klatscht inzwischen oft auch die SPD – das war zu Beginn noch nicht so selbstverständlich. Auch bei meiner Haushaltsrede in dieser Woche hatte ich den Eindruck, dass der Applaus der SPD dem der Union in nichts nachstand. Allen ist klar: Wir wollen Deutschland gemeinsam voranbringen.
Die Koalition muss in den kommenden Jahren viel Geld sparen. Welche Folgen hat das für den Bereich Forschung und Innovation?
Bär Niemand möchte an Investitionen sparen. Das heißt aber nicht, dass wir uns unsere Programme nicht auch noch einmal genau anschauen müssen. Der Haushalt für 2027 wird schwierig, das war uns schon bei den Sondierungsgesprächen klar. Wir müssen über Sozialausgaben reden und auch in den Gesundheits- und Pflegebereich schauen. Aber gerade, weil wir diese Herausforderungen spüren, müssen wir umgekehrt mehr Geld in die Forschung geben, um Wertschöpfung auszulösen.
Bär Wenn wir sehen, wie die Zahl der Krebserkrankungen bis zum Jahr 2030 ansteigen wird, dann wäre es töricht, beispielsweise an der Krebsforschung zu sparen. Wir haben hier das Programm „Nationale Dekade gegen Krebs“ in unserem Haus. Und in diesem Zusammenhang werde ich zwei neue Förderprogramme aufsetzen, um Spezifika bei Krebs weiter zu erforschen. Einsparungen habe ich hingegen beim Personal getroffen. Ich habe die Leitungsabteilung im Ministerium in einen Stab umgewandelt und alle drei Beauftragten im Haus abgeschafft. Aber bei Investitionen oder in der Gesundheitsforschung wäre es fatal, an der falschen Stelle zu sparen.
Wenn wir auf den Haushalt Ihres Ministeriums schauen, dann nimmt die Raumfahrt mit etwa zwei Milliarden Euro einen recht großen Posten ein. Warum ist dieser Bereich wichtig?
Bär Wenn man beobachtet, wie der Weltraum derzeit neu erschlossen wird, wird deutlich, wie entscheidend unsere Unabhängigkeit in diesem Bereich ist – nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Andernfalls sind wir darauf angewiesen, Daten entweder von autoritären Regimen oder von einzelnen Tech-Milliardären zu beziehen – sofern wir sie überhaupt erhalten. Gerade im militärischen Bereich zeigt sich, welch zentrale Rolle der Weltraum für unsere Sicherheit spielt. Man kann also sagen: Unsere Sicherheit wird auch im All verteidigt. Deshalb darf es nicht passieren, dass Europa außen vor bleibt – sei es bei der Erforschung des Mondes oder beim Umgang mit potenziellen Gefahren durch Asteroiden. Hinzu kommt, dass viele Technologien, die ursprünglich für die Raumfahrt entwickelt wurden, längst unseren Alltag verbessern.
Bär Ohne Satelliten gäbe es keine Navigationssysteme. Und selbst Dinge, die heute selbstverständlich erscheinen – vom Klettverschluss über Barcodes im Supermarkt bis hin zum Akkuschrauber im Haushalt – sind ursprünglich Entwicklungen aus der Raumfahrt. Auch im Gesundheitswesen spielt das All eine zentrale Rolle, denn ein Teil der medizinischen Forschung findet dort statt. Umso wichtiger ist es, dass künftig mehr Frauen ins All fliegen, da der weibliche Körper anders funktioniert als der männliche und wir dieses Wissen dringend in der Gesundheitsforschung brauchen.
Mit der Hightech Agenda wollen Sie Deutschland zum führenden Standort für neue Technologien machen. Gibt es schon einen Termin, wann es losgehen soll?
Bär Erste Gespräche haben bereits stattgefunden, unter anderem mit außeruniversitären Wissenschaftsorganisationen. Auch mit allen Landesministern bin ich dazu im Austausch. Ende Oktober starten wir mit einer großen Auftaktveranstaltung in die nächste Phase der Hightech Agenda Deutschland.
Vor einiger Zeit hatten wir die Diskussion um Harvard. Einige Wissenschaftler sagten, sie wollen die USA verlassen. Sind seitdem viele nach Deutschland gekommen?
Bär Die Nachfrage ist in der Tat groß. Wir haben uns bereits im Koalitionsvertrag zum „1.000-Köpfe-Programm“ bekannt – und das noch vor den entsprechenden US-Entscheidungen unter Präsident Trump. Heute sprechen wir sogar vom „1.000-Köpfe-Plus-Programm“, und stellen fest, dass das Interesse unsere ursprünglichen Erwartungen längst übertroffen hat. Dabei geht es nicht nur um US-amerikanische Forscherinnen und Forscher, die nach Deutschland kommen können, sondern genauso um Europäer, die Auslandserfahrung gesammelt haben und nun zurückkehren wollen, und exzellente Forscher weltweit. Im Juni habe ich in Japan erlebt, wie groß das Interesse an Deutschland als Forschungsstandort ist. Und vor einigen Wochen habe ich alle Botschafter in Berlin eingeladen und sie haben großes Interesse an dem Programm gezeigt. Auch im Gespräch mit Professorinnen, Professoren und Rektoren spüre ich: Die Nachfrage ist enorm, denn Deutschland gilt als sicherer Hafen für Wissenschaft. Unsere im Grundgesetz geschützte Wissenschaftsfreiheit ist dabei ein echtes Aushängeschild und ein starkes Argument im internationalen Wettbewerb um Talente.
Ein anderes Thema ist das Bildungssystem bei uns im Land. Sie haben gesagt, dass Sie das Image des BAföGs verbessern wollen. Wie?
Bär Am Image des BAföG hat sich seit meiner eigenen Studienzeit leider kaum etwas verbessert. Das Hauptproblem ist, wie so oft in Deutschland, die überbordende Bürokratie. Es ist nicht hinnehmbar, dass ein großer Teil der Anspruchsberechtigten das BAföG gar nicht beantragt, auch weil das Verfahren immer noch zu kompliziert und nicht niedrigschwellig genug ist. Besonders wichtig ist deshalb, dass das BAföG digitaler, einfacher und bekannter gemacht wird. Wir möchten das verstaubte Image aufbrechen und das Angebot interessanter machen. Wir denken all diese Aspekte bei der geplanten Reform des BAföG mit, die zum Wintersemester 2026/27 in Kraft treten soll. Unabhängig davon gibt es die Möglichkeit eines attraktiven und einkommensunabhängigen Bildungskredits. Wie im Koalitionsvertrag angekündigt, setzen wir uns für faire Konditionen ein und wollen ein Produkt mit Zinsbindung zu Verfügung stellen.
Sie wollen bei der Krankheit ME/CFS eng mit Gesundheitsministerin Nina Warken zusammenarbeiten. Wie ist da der Stand?
Bär Viele Betroffene setzen große Hoffnung in unsere Arbeit, und ich setze alles daran, diese Erwartungen nicht zu enttäuschen. Die enge wöchentliche Abstimmung zwischen unseren Ministerien läuft sehr konstruktiv. Ein wichtiger Erfolg ist auch, dass wir zwei Millionen Euro zusätzlich für die Forschung erhalten haben. Dennoch dürfen wir uns nicht nur auf ME/CFS, Post Covid oder Long Covid beschränken, sondern müssen den Blick auf postinfektiöse Erkrankungen insgesamt und deren Erforschung richten – die Fallzahlen steigen hier kontinuierlich. Gemeinsam mit Bundesgesundheitsministerin Nina Warken werde ich dazu im November eine Veranstaltung organisieren, um die Forschung weiter voranzubringen.
Ein anderes Feld, das Ihnen am Herzen liegt, ist Frauengesundheit. Was ist Ihnen dabei wichtig?
Bär Als Unionsfraktion haben wir bereits in der vergangenen Legislaturperiode Veranstaltungen zum Thema Endometriose oder Menopause organisiert und Anträge in den Bundestag eingebracht – damals noch begleitet von viel Häme. Oft hieß es, die Wechseljahre beispielsweise seien reine Privatsache. Doch in Wahrheit betreffen diese Themen alle Frauen – und verursachen auch der Wirtschaft erhebliche Kosten. Wir dürfen Frauen mit diesen Erkrankungen nicht alleinlassen, zumal es nach wie vor zu wenig Forschung und zu wenig spezialisierte Zentren in Deutschland gibt. Immerhin konnten wir die Mittel für die Endometriose-Forschung inzwischen mehr als verdoppeln: Statt bislang 3,5 Millionen Euro stehen jetzt jährlich 8,5 Millionen Euro zur Verfügung – ein wichtiger Schritt, auch wenn es noch lange nicht ausreicht. Es ist erschreckend, wie wenig Aufmerksamkeit diese Krankheiten bis heute erhalten. 2026 steht unser Wissenschaftsjahr unter der Überschrift „Zukunft der Medizin“. Dort werden Prävention und insbesondere die Frauengesundheit Schwerpunkte sein, denn der weibliche Körper funktioniert anders. Trotzdem ist es immer noch so, dass beispielsweise in der Medikamentenforschung meist der männliche Körper als Referenz dient – das muss sich ändern.
Sie wollen auch einen Fokus auf geschlechtergerechte Verhütung legen. Soll es eines Tages die Pille für den Mann geben?
Bär Verhütung darf nicht allein Aufgabe der Frauen sein. Deshalb haben wir gezielt Mittel im Haushalt bereitgestellt, um in den kommenden Jahren die Entwicklung innovativer und gesundheitsschonender Verhütungsmittel für beide Geschlechter deutlich voranzubringen.
Sie haben neulich für Aufsehen gesorgt, weil Sie mit Dirndl ins Kabinett kamen. Warum ist es Ihnen in Ihrem Amt wichtig, Weiblichkeit zu betonen?
Bär Ich staune immer wieder, welche Aufregung dieses Thema auslöst. Um pünktlich zur Eröffnung unseres Ministeriums-Oktoberfests umgezogen zu sein, habe ich das Dirndl bereits im Kabinett getragen. In Berlin heißt es zwar, jeder könne vom Pyjama bis zum Ballkleid anziehen, was er wolle – das gilt aber offenbar nicht für Dirndl. (lacht)
Also würden Sie es wieder so machen?
Bär Ich würde es jederzeit wieder so machen, denn ich liebe Dirndl. Als Frau ist man darin immer passend gekleidet – und zugleich drückt es ein Stück Heimatverbundenheit aus. Genau das macht für mich den besonderen Reiz aus.
Bundesforschungsministerin Dorothee Bär „Unsere Sicherheit wird auch im All verteidigt“
Interview | Berlin · Im Interview erklärt Forschungsministerin Bär, warum Ausgaben in der Raumfahrt für sie wichtig sind und in welchem Bereich sie auf keinen Fall kürzen will. Außerdem verspricht sie eine Reform beim BAföG – und Investitionen in „geschlechtergerechte Verhütung“.
Forschungsministerin Bär (CSU): „Niemand möchte an Investitionen sparen.“
Foto: picture alliance/M. Popow/dpa
Frau Bär, hat das Grillfest von Union und SPD in dieser Woche zum besseren Klima in der Koalition beigetragen?
Dorothee Bär Es war ein sehr schöner gemeinsamer Abend. An den Tischen saßen wir in bunter Runde aus CDU, CSU und SPD. Im Kabinett ist die Stimmung ohnehin ausgesprochen gut. Mit vielen Kolleginnen und Kollegen arbeite ich ja schon seit Jahren in unterschiedlichen Funktionen zusammen – da kann von schlechter Stimmung innerhalb der Koalition keine Rede sein. Zugegeben: Die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause hätte glücklicher verlaufen können. Doch bereits beim Treffen von Union und SPD in Würzburg war die Atmosphäre spürbar gelöst.
Also würden Sie sagen, dass die Koalition für den „Herbst der Reformen“ bereit ist?
Bär Ich würde das gar nicht allein am Grillfest festmachen. Man spürt es auch im Bundestag: Wenn Rednerinnen und Redner der Union sprechen, klatscht inzwischen oft auch die SPD – das war zu Beginn noch nicht so selbstverständlich. Auch bei meiner Haushaltsrede in dieser Woche hatte ich den Eindruck, dass der Applaus der SPD dem der Union in nichts nachstand. Allen ist klar: Wir wollen Deutschland gemeinsam voranbringen.
Die Koalition muss in den kommenden Jahren viel Geld sparen. Welche Folgen hat das für den Bereich Forschung und Innovation?
Bär Niemand möchte an Investitionen sparen. Das heißt aber nicht, dass wir uns unsere Programme nicht auch noch einmal genau anschauen müssen. Der Haushalt für 2027 wird schwierig, das war uns schon bei den Sondierungsgesprächen klar. Wir müssen über Sozialausgaben reden und auch in den Gesundheits- und Pflegebereich schauen. Aber gerade, weil wir diese Herausforderungen spüren, müssen wir umgekehrt mehr Geld in die Forschung geben, um Wertschöpfung auszulösen.
Bär Wenn wir sehen, wie die Zahl der Krebserkrankungen bis zum Jahr 2030 ansteigen wird, dann wäre es töricht, beispielsweise an der Krebsforschung zu sparen. Wir haben hier das Programm „Nationale Dekade gegen Krebs“ in unserem Haus. Und in diesem Zusammenhang werde ich zwei neue Förderprogramme aufsetzen, um Spezifika bei Krebs weiter zu erforschen. Einsparungen habe ich hingegen beim Personal getroffen. Ich habe die Leitungsabteilung im Ministerium in einen Stab umgewandelt und alle drei Beauftragten im Haus abgeschafft. Aber bei Investitionen oder in der Gesundheitsforschung wäre es fatal, an der falschen Stelle zu sparen.
Wenn wir auf den Haushalt Ihres Ministeriums schauen, dann nimmt die Raumfahrt mit etwa zwei Milliarden Euro einen recht großen Posten ein. Warum ist dieser Bereich wichtig?
Bär Wenn man beobachtet, wie der Weltraum derzeit neu erschlossen wird, wird deutlich, wie entscheidend unsere Unabhängigkeit in diesem Bereich ist – nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Andernfalls sind wir darauf angewiesen, Daten entweder von autoritären Regimen oder von einzelnen Tech-Milliardären zu beziehen – sofern wir sie überhaupt erhalten. Gerade im militärischen Bereich zeigt sich, welch zentrale Rolle der Weltraum für unsere Sicherheit spielt. Man kann also sagen: Unsere Sicherheit wird auch im All verteidigt. Deshalb darf es nicht passieren, dass Europa außen vor bleibt – sei es bei der Erforschung des Mondes oder beim Umgang mit potenziellen Gefahren durch Asteroiden. Hinzu kommt, dass viele Technologien, die ursprünglich für die Raumfahrt entwickelt wurden, längst unseren Alltag verbessern.
Bär Ohne Satelliten gäbe es keine Navigationssysteme. Und selbst Dinge, die heute selbstverständlich erscheinen – vom Klettverschluss über Barcodes im Supermarkt bis hin zum Akkuschrauber im Haushalt – sind ursprünglich Entwicklungen aus der Raumfahrt. Auch im Gesundheitswesen spielt das All eine zentrale Rolle, denn ein Teil der medizinischen Forschung findet dort statt. Umso wichtiger ist es, dass künftig mehr Frauen ins All fliegen, da der weibliche Körper anders funktioniert als der männliche und wir dieses Wissen dringend in der Gesundheitsforschung brauchen.
Mit der Hightech Agenda wollen Sie Deutschland zum führenden Standort für neue Technologien machen. Gibt es schon einen Termin, wann es losgehen soll?
Bär Erste Gespräche haben bereits stattgefunden, unter anderem mit außeruniversitären Wissenschaftsorganisationen. Auch mit allen Landesministern bin ich dazu im Austausch. Ende Oktober starten wir mit einer großen Auftaktveranstaltung in die nächste Phase der Hightech Agenda Deutschland.
Vor einiger Zeit hatten wir die Diskussion um Harvard. Einige Wissenschaftler sagten, sie wollen die USA verlassen. Sind seitdem viele nach Deutschland gekommen?
Bär Die Nachfrage ist in der Tat groß. Wir haben uns bereits im Koalitionsvertrag zum „1.000-Köpfe-Programm“ bekannt – und das noch vor den entsprechenden US-Entscheidungen unter Präsident Trump. Heute sprechen wir sogar vom „1.000-Köpfe-Plus-Programm“, und stellen fest, dass das Interesse unsere ursprünglichen Erwartungen längst übertroffen hat. Dabei geht es nicht nur um US-amerikanische Forscherinnen und Forscher, die nach Deutschland kommen können, sondern genauso um Europäer, die Auslandserfahrung gesammelt haben und nun zurückkehren wollen, und exzellente Forscher weltweit. Im Juni habe ich in Japan erlebt, wie groß das Interesse an Deutschland als Forschungsstandort ist. Und vor einigen Wochen habe ich alle Botschafter in Berlin eingeladen und sie haben großes Interesse an dem Programm gezeigt. Auch im Gespräch mit Professorinnen, Professoren und Rektoren spüre ich: Die Nachfrage ist enorm, denn Deutschland gilt als sicherer Hafen für Wissenschaft. Unsere im Grundgesetz geschützte Wissenschaftsfreiheit ist dabei ein echtes Aushängeschild und ein starkes Argument im internationalen Wettbewerb um Talente.
Ein anderes Thema ist das Bildungssystem bei uns im Land. Sie haben gesagt, dass Sie das Image des BAföGs verbessern wollen. Wie?
Bär Am Image des BAföG hat sich seit meiner eigenen Studienzeit leider kaum etwas verbessert. Das Hauptproblem ist, wie so oft in Deutschland, die überbordende Bürokratie. Es ist nicht hinnehmbar, dass ein großer Teil der Anspruchsberechtigten das BAföG gar nicht beantragt, auch weil das Verfahren immer noch zu kompliziert und nicht niedrigschwellig genug ist. Besonders wichtig ist deshalb, dass das BAföG digitaler, einfacher und bekannter gemacht wird. Wir möchten das verstaubte Image aufbrechen und das Angebot interessanter machen. Wir denken all diese Aspekte bei der geplanten Reform des BAföG mit, die zum Wintersemester 2026/27 in Kraft treten soll. Unabhängig davon gibt es die Möglichkeit eines attraktiven und einkommensunabhängigen Bildungskredits. Wie im Koalitionsvertrag angekündigt, setzen wir uns für faire Konditionen ein und wollen ein Produkt mit Zinsbindung zu Verfügung stellen.
Sie wollen bei der Krankheit ME/CFS eng mit Gesundheitsministerin Nina Warken zusammenarbeiten. Wie ist da der Stand?
Bär Viele Betroffene setzen große Hoffnung in unsere Arbeit, und ich setze alles daran, diese Erwartungen nicht zu enttäuschen. Die enge wöchentliche Abstimmung zwischen unseren Ministerien läuft sehr konstruktiv. Ein wichtiger Erfolg ist auch, dass wir zwei Millionen Euro zusätzlich für die Forschung erhalten haben. Dennoch dürfen wir uns nicht nur auf ME/CFS, Post Covid oder Long Covid beschränken, sondern müssen den Blick auf postinfektiöse Erkrankungen insgesamt und deren Erforschung richten – die Fallzahlen steigen hier kontinuierlich. Gemeinsam mit Bundesgesundheitsministerin Nina Warken werde ich dazu im November eine Veranstaltung organisieren, um die Forschung weiter voranzubringen.
Ein anderes Feld, das Ihnen am Herzen liegt, ist Frauengesundheit. Was ist Ihnen dabei wichtig?
Bär Als Unionsfraktion haben wir bereits in der vergangenen Legislaturperiode Veranstaltungen zum Thema Endometriose oder Menopause organisiert und Anträge in den Bundestag eingebracht – damals noch begleitet von viel Häme. Oft hieß es, die Wechseljahre beispielsweise seien reine Privatsache. Doch in Wahrheit betreffen diese Themen alle Frauen – und verursachen auch der Wirtschaft erhebliche Kosten. Wir dürfen Frauen mit diesen Erkrankungen nicht alleinlassen, zumal es nach wie vor zu wenig Forschung und zu wenig spezialisierte Zentren in Deutschland gibt. Immerhin konnten wir die Mittel für die Endometriose-Forschung inzwischen mehr als verdoppeln: Statt bislang 3,5 Millionen Euro stehen jetzt jährlich 8,5 Millionen Euro zur Verfügung – ein wichtiger Schritt, auch wenn es noch lange nicht ausreicht. Es ist erschreckend, wie wenig Aufmerksamkeit diese Krankheiten bis heute erhalten. 2026 steht unser Wissenschaftsjahr unter der Überschrift „Zukunft der Medizin“. Dort werden Prävention und insbesondere die Frauengesundheit Schwerpunkte sein, denn der weibliche Körper funktioniert anders. Trotzdem ist es immer noch so, dass beispielsweise in der Medikamentenforschung meist der männliche Körper als Referenz dient – das muss sich ändern.
Sie wollen auch einen Fokus auf geschlechtergerechte Verhütung legen. Soll es eines Tages die Pille für den Mann geben?
Bär Verhütung darf nicht allein Aufgabe der Frauen sein. Deshalb haben wir gezielt Mittel im Haushalt bereitgestellt, um in den kommenden Jahren die Entwicklung innovativer und gesundheitsschonender Verhütungsmittel für beide Geschlechter deutlich voranzubringen.
Sie haben neulich für Aufsehen gesorgt, weil Sie mit Dirndl ins Kabinett kamen. Warum ist es Ihnen in Ihrem Amt wichtig, Weiblichkeit zu betonen?
Bär Ich staune immer wieder, welche Aufregung dieses Thema auslöst. Um pünktlich zur Eröffnung unseres Ministeriums-Oktoberfests umgezogen zu sein, habe ich das Dirndl bereits im Kabinett getragen. In Berlin heißt es zwar, jeder könne vom Pyjama bis zum Ballkleid anziehen, was er wolle – das gilt aber offenbar nicht für Dirndl. (lacht)
Also würden Sie es wieder so machen?
Bär Ich würde es jederzeit wieder so machen, denn ich liebe Dirndl. Als Frau ist man darin immer passend gekleidet – und zugleich drückt es ein Stück Heimatverbundenheit aus. Genau das macht für mich den besonderen Reiz aus.