CSU-Chef Markus Söder im Interview „Es kann nicht immer nur um Befindlichkeiten gehen“
Interview | Düsseldorf · Am Tag nach dem Koalitionsausschuss im Kanzleramt ist CSU-Chef Markus Söder nach NRW gereist, um die CDU im Kommunalwahlkampf zu unterstützen. Dabei machte er Station in unserer Redaktion in Heerdt und sprach über sein Verhältnis zu NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, die Sommerdepression der Koalition, und warum er mit der Migrationspolitik noch nicht zufrieden ist.
Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern und CSU-Chef, im Gespräch bei der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf.
Foto: Bretz, Andreas (abr)
Herr Söder, Sie sind derzeit viel unterwegs, erst Helgoland, nun Düsseldorf und Bocholt – hegen Sie doch bundespolitische Ambitionen?
Söder Ich bekomme viele Einladungen aus ganz Deutschland. Als Ministerpräsident des größten Flächenlandes freue ich mich, im bevölkerungsreichsten Bundesland zu Gast zu sein und die CDU im Kommunalwahlkampf zu unterstützen.
Es steckt also keine Strategie dahinter, Sie und die CSU noch bekannter zu machen?
Söder Das braucht es nicht, uns kennen schon die meisten. (lacht) Ich helfe gerne in Wahlkämpfen – es gibt auch schon Einladungen nach Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Ein CSU-Vorsitzender und bayerischer Ministerpräsident wirkt in Bayern, aber er hat eben auch Strahlkraft darüber hinaus.
Zwischen Sie und CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst passt also kein Blatt? Rund um die Frage der Unions-Kanzlerkandidatur hatte man da einen anderen Eindruck.
Söder Hendrik Wüst und ich kennen uns schon lange, wir arbeiten seit der Jungen Union sehr gut zusammen. Damals war er politisch noch recht knackig unterwegs, aber wir alle reifen über die Jahre. Er macht eine sehr gute Arbeit als Ministerpräsident. Ich wünsche mir generell, dass Bayern und NRW noch enger zusammenarbeiten. Dann können wir für beide Länder noch mehr erreichen. Wir sind die bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich stärksten Bundesländer. Ohne uns geht in Deutschland wenig.
So rhetorisch knackig wie Sie unterwegs sind – dagegen ist Hendrik Wüst recht ruhig. Etwa mit Blick auf die Grünen.
Söder Wir haben unterschiedliche Koalitionen, ich respektiere das. Aber ich verhehle nicht, dass das mit mir und den Grünen wohl keine große Liebe mehr wird. (lacht) Das ist sicherlich der größte Unterschied. Und das rheinische Temperament ist sicher ein anderes als das bayerische.
Sie hatten angeboten, mit der NRW-Dehoga für die Mehrwertsteuer-Senkung in der Gastronomie zu werben, auch um Wüst zu überzeugen. Steht das noch?
Söder Die Senkung der Gastrosteuer steht auch im Koalitionsvertrag der NRW-Regierung. Das ist gut so. Wir erleben ein unvergleichliches Gastrosterben in Deutschland. In Köln und Düsseldorf ebenso wie in Bayern. Wenn das so weitergeht, werden wir einen dramatischen Verlust von Innenstadtqualität haben. Das Ergebnis wird am Ende eine Verödung von Städten sein.
Und doch ist es auch eine Subvention für Fast-Food-Ketten. Zumal die Branche die Senkung nicht eins zu eins weitergeben will.
Söder Es hilft bereits enorm, wenn die Preise nicht weiter explodieren. Es ist einfach sozial ungerecht, wenn sich eine Familie einen Restaurantbesuch nicht mehr leisten kann und es nur noch Schicki-Micki-Läden oder ein Tankstellenkneipenwesen gibt. Eine funktionierende Gastronomie hat viel mit Lebensqualität und dem Zusammenhalt der Gesellschaft zu tun. Deshalb ist die verringerte Gastrosteuer ein Gewinn für alle.
Wie sehr schadet das teilweise Chaos in der Bundesregierung auch den Wahlkämpfern vor Ort?
Söder Wir haben in der Kürze der Zeit schon viel gemeinsam erreicht. Zum Beispiel das riesige Investitionsprogramm und den Einstieg in die Senkung der Unternehmenssteuern. Auch in der Migrationspolitik haben wir eine komplette Wende vollzogen. Aber nach drei Jahren Rezession wird nicht alles sofort wieder gut. Die Wirtschaft muss nun absolute Priorität haben.
Ihre Diagnose: Kommt die Koalition aus der von Ihnen beschriebenen „Sommerdepression“ heraus?
Söder Die Kommunikation beim Thema Stromsteuer war leider unglücklich, ebenso die überraschende Absage der Richterwahl. Deshalb waren die gemeinsamen Gespräche im Koalitionsausschuss und der Fraktionen in Würzburg sehr wichtig. Wir sind handlungsfähig und handlungswillig – und starten mit neuer Herbst-Kraft durch.
Kommt denn die Stromsteuersenkung für alle noch?
Söder Wir haben diese Woche im Kabinett massive Entlastungen bei den Energiekosten beschlossen – insgesamt sind das zweistellige Milliardenbeträge. Natürlich muss noch die Entlastung bei der Stromsteuer für alle zügig nachgeholt werden – vor allem für Mittelstand und Handwerk. Es kann nicht sein, dass Deutschland 17 Milliarden Euro für Wärmepumpen ausgibt, aber keine drei oder vier Milliarden für eine Stromsteuerentlastung hat.
Die AfD ist immer noch stark in den Umfragen, obwohl die Union den Bundeskanzler stellt. Werden Sie dem Problem also nicht Herr?
Söder Wir sind noch zu kurz an der Regierung für das, was viel zu lange passiert ist. Stichwort: Migration. Es wird wahrgenommen, dass schon jetzt weniger Menschen nach Deutschland kommen. Trotzdem sind noch viele im Land, die kein Aufenthaltsrecht haben. Im nächsten Schritt müssen konsequente Rückführungen und Abschiebungen folgen. Wer keine Duldung hat, muss auf Dauer das Land verlassen. Nach einem Bürgerkrieg wie in Syrien müssen Menschen perspektivisch auch wieder in ihr Heimatland zurückgehen, wenn sie in Deutschland nicht arbeiten.
Söder Wir alle wollen der Ukraine helfen. Aber nicht jeder versteht, warum Ukrainer bei uns Bürgergeld bekommen, obwohl sie noch gar nicht in die Sozialkassen einbezahlen konnten. Und es kann nicht sein, dass schwere Straftäter nach Afghanistan abgeschoben werden und dabei von einzelnen Bundesländern noch ein Handgeld von 1000 Euro bekommen. Wir in Bayern geben das gesetzlich vorgeschriebene Minimum von 100 Euro. Diesem Beispiel sollte man folgen.
Sollte der Krieg in der Ukraine irgendwann enden – was sind die Pläne für die Ukrainer, die bei uns sind?
Söder Ein Frieden ist derzeit nicht absehbar. Es ist daher legitim zu überlegen, wehrfähige Ukrainer in ihre Heimat zurückzusenden, um in ihrem eigenen Land für die Sicherheit zu sorgen. Zweitens: Das Bürgergeld führt dazu, dass wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern einen deutlich geringeren Anteil an Ukrainern haben, die in Arbeit sind. Das muss dringend geändert werden – nicht nur für neu ankommende Ukrainer.
Das ist Markus Söder
11 Bilder
Foto: dpa/Peter Kneffel
Sie sind also klar gegen mögliche Einsätze deutscher Soldaten in der Ukraine?
Söder Es ist für mich kaum vorstellbar, dass NATO-Truppen dort stationiert sind. Das würde Russland keinesfalls akzeptieren. Denn es wäre die Vorstufe des Beitritts der Ukraine in die NATO. Außerdem ist die Bundeswehr dafür nicht bereit. Sie ist auf Kante genäht, finanziell und personell. Deswegen braucht es wieder die Wehrpflicht. Daran wird letztlich kein Weg vorbeiführen.
Braucht es auch Soldatinnen in der Wehrpflicht?
Söder Die erforderliche Zweitdrittel-Mehrheit im Bundestag für eine Verfassungsänderung wird dafür nicht erreichbar sein. Die Sperrminorität von Linksaußen und Rechtsaußen verhindert das.
Beim Koalitionstreffen ging es auch um einen Stahlgipfel und ein Dialogforum mit der Autoindustrie. Kommt da mehr heraus als schöne Bilder?
Söder Diese Gespräche dürfen kein Kaffeeklatsch sein. Es reicht nicht aus, sich nur zu treffen. Wir müssen ein industrielles Update machen, insbesondere nach den US-Zöllen. Das gilt auch für den Maschinenbau und die Chemie. Dafür braucht es eine andere Energiepolitik, vor allem einen Ausbau der Gaskraftwerke – besonders für unsere industriellen Zentren im Süden und Westen. Wir müssen uns ehrlich machen: Erneuerbare Energien sind gut, aber das alleine reicht nicht.
Sie und SPD-Chef Lars Klingbeil galten als „Team“ bei den Koalitionsverhandlungen, die Debatte um die Erhöhung der Reichensteuer hat zwischen Ihnen ziemliche Unterschiede offenbart. Wie belastbar ist das Verhältnis noch?
Söder Wir verstehen uns gut, haben aber unterschiedliche Auffassungen in der Steuerpolitik. Steuererhöhungen sind der falsche Weg. Wir müssen alles tun, um unsere Wirtschaft zu entlasten und Arbeitsplätze zu sichern. Ich habe mich sehr gefreut, dass Lars Klingbeil kürzlich erst die Agenda-Politik von Gerhard Schröder gelobt hat. Es wäre schön, wenn er dem Beispiel eines seiner größten Förderer folgen würde. Außerdem habe ich eine Brücke gebaut.
Lassen Sie uns raten: Die Erbschaftsteuer?
Söder Die Erbschaftsteuer ist eine reine Ländersteuer, die aber bundeseinheitlich gilt. Wir können uns da gerne auf regionale Hebesätze einigen. Die SPD-regierten Länder können die Erbschaftsteuer gerne erhöhen, wir in Bayern senken sie dann. Derzeit ist es so: Wenn ein Vater zwei Kinder hat, eines in München, eines in Dortmund, die jeweils ein Haus erben, ergeben sich aufgrund der unterschiedlichen Quadratmeterpreise völlig verschiedene Erbschaftsteuern. In München von fast 500.000 und im anderen Fall von ungefähr 25.000 Euro. Das ist einfach nicht gerecht.
Das ist aber ein vergiftetes Angebot. Sie haben doch gesagt, dass nicht jeder nur auf seine Belange schauen darf.
Söder Entweder wir entscheiden uns, wieder stärker zu werden, oder wir nehmen den Abstieg hin. Steuererhöhungen jedenfalls sind Gift für ein Land, das aus der Rezession herauskommen will. Mit uns wird es das nicht geben.
Was bieten Sie denn der SPD an, wenn diese sich bei Sozialreformen bewegt?
Söder Der Koalitionsvertrag ist die Bibel dieser Regierung. Der gilt. Wir haben uns in den Koalitionsverhandlungen beim Thema Mindestlohn bewegt. Beim Thema Bürgergeld haben wir ebenfalls klare Vereinbarungen. Wir gehen davon aus, dass Frau Bas das so umsetzen wird, wie wir es beschlossen haben. Wir dürfen aber auch nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, man braucht als Parteivorsitzender auch eine gewisse Beinfreiheit. Es kann nicht immer nur um Befindlichkeiten gehen, man darf auch mal seine Standpunkte formulieren. Wir haben am Montag das große politische Volksfest am Gillamoos in Niederbayern. Dort darf man auch den ein oder anderen wahrnehmbaren Satz von mir erwarten.
Aber wie Robert Habeck Sie derbleckt hat, das hat Ihnen wiederum nicht gefallen.
Söder Es war ein Abgang wie sein Regieren: Schwach.
CSU-Chef Markus Söder im Interview „Es kann nicht immer nur um Befindlichkeiten gehen“
Interview | Düsseldorf · Am Tag nach dem Koalitionsausschuss im Kanzleramt ist CSU-Chef Markus Söder nach NRW gereist, um die CDU im Kommunalwahlkampf zu unterstützen. Dabei machte er Station in unserer Redaktion in Heerdt und sprach über sein Verhältnis zu NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, die Sommerdepression der Koalition, und warum er mit der Migrationspolitik noch nicht zufrieden ist.
Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern und CSU-Chef, im Gespräch bei der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf.
Foto: Bretz, Andreas (abr)
Herr Söder, Sie sind derzeit viel unterwegs, erst Helgoland, nun Düsseldorf und Bocholt – hegen Sie doch bundespolitische Ambitionen?
Söder Ich bekomme viele Einladungen aus ganz Deutschland. Als Ministerpräsident des größten Flächenlandes freue ich mich, im bevölkerungsreichsten Bundesland zu Gast zu sein und die CDU im Kommunalwahlkampf zu unterstützen.
Es steckt also keine Strategie dahinter, Sie und die CSU noch bekannter zu machen?
Söder Das braucht es nicht, uns kennen schon die meisten. (lacht) Ich helfe gerne in Wahlkämpfen – es gibt auch schon Einladungen nach Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Ein CSU-Vorsitzender und bayerischer Ministerpräsident wirkt in Bayern, aber er hat eben auch Strahlkraft darüber hinaus.
Zwischen Sie und CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst passt also kein Blatt? Rund um die Frage der Unions-Kanzlerkandidatur hatte man da einen anderen Eindruck.
Söder Hendrik Wüst und ich kennen uns schon lange, wir arbeiten seit der Jungen Union sehr gut zusammen. Damals war er politisch noch recht knackig unterwegs, aber wir alle reifen über die Jahre. Er macht eine sehr gute Arbeit als Ministerpräsident. Ich wünsche mir generell, dass Bayern und NRW noch enger zusammenarbeiten. Dann können wir für beide Länder noch mehr erreichen. Wir sind die bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich stärksten Bundesländer. Ohne uns geht in Deutschland wenig.
So rhetorisch knackig wie Sie unterwegs sind – dagegen ist Hendrik Wüst recht ruhig. Etwa mit Blick auf die Grünen.
Söder Wir haben unterschiedliche Koalitionen, ich respektiere das. Aber ich verhehle nicht, dass das mit mir und den Grünen wohl keine große Liebe mehr wird. (lacht) Das ist sicherlich der größte Unterschied. Und das rheinische Temperament ist sicher ein anderes als das bayerische.
Sie hatten angeboten, mit der NRW-Dehoga für die Mehrwertsteuer-Senkung in der Gastronomie zu werben, auch um Wüst zu überzeugen. Steht das noch?
Söder Die Senkung der Gastrosteuer steht auch im Koalitionsvertrag der NRW-Regierung. Das ist gut so. Wir erleben ein unvergleichliches Gastrosterben in Deutschland. In Köln und Düsseldorf ebenso wie in Bayern. Wenn das so weitergeht, werden wir einen dramatischen Verlust von Innenstadtqualität haben. Das Ergebnis wird am Ende eine Verödung von Städten sein.
Und doch ist es auch eine Subvention für Fast-Food-Ketten. Zumal die Branche die Senkung nicht eins zu eins weitergeben will.
Söder Es hilft bereits enorm, wenn die Preise nicht weiter explodieren. Es ist einfach sozial ungerecht, wenn sich eine Familie einen Restaurantbesuch nicht mehr leisten kann und es nur noch Schicki-Micki-Läden oder ein Tankstellenkneipenwesen gibt. Eine funktionierende Gastronomie hat viel mit Lebensqualität und dem Zusammenhalt der Gesellschaft zu tun. Deshalb ist die verringerte Gastrosteuer ein Gewinn für alle.
Wie sehr schadet das teilweise Chaos in der Bundesregierung auch den Wahlkämpfern vor Ort?
Söder Wir haben in der Kürze der Zeit schon viel gemeinsam erreicht. Zum Beispiel das riesige Investitionsprogramm und den Einstieg in die Senkung der Unternehmenssteuern. Auch in der Migrationspolitik haben wir eine komplette Wende vollzogen. Aber nach drei Jahren Rezession wird nicht alles sofort wieder gut. Die Wirtschaft muss nun absolute Priorität haben.
Ihre Diagnose: Kommt die Koalition aus der von Ihnen beschriebenen „Sommerdepression“ heraus?
Söder Die Kommunikation beim Thema Stromsteuer war leider unglücklich, ebenso die überraschende Absage der Richterwahl. Deshalb waren die gemeinsamen Gespräche im Koalitionsausschuss und der Fraktionen in Würzburg sehr wichtig. Wir sind handlungsfähig und handlungswillig – und starten mit neuer Herbst-Kraft durch.
Kommt denn die Stromsteuersenkung für alle noch?
Söder Wir haben diese Woche im Kabinett massive Entlastungen bei den Energiekosten beschlossen – insgesamt sind das zweistellige Milliardenbeträge. Natürlich muss noch die Entlastung bei der Stromsteuer für alle zügig nachgeholt werden – vor allem für Mittelstand und Handwerk. Es kann nicht sein, dass Deutschland 17 Milliarden Euro für Wärmepumpen ausgibt, aber keine drei oder vier Milliarden für eine Stromsteuerentlastung hat.
Die AfD ist immer noch stark in den Umfragen, obwohl die Union den Bundeskanzler stellt. Werden Sie dem Problem also nicht Herr?
Söder Wir sind noch zu kurz an der Regierung für das, was viel zu lange passiert ist. Stichwort: Migration. Es wird wahrgenommen, dass schon jetzt weniger Menschen nach Deutschland kommen. Trotzdem sind noch viele im Land, die kein Aufenthaltsrecht haben. Im nächsten Schritt müssen konsequente Rückführungen und Abschiebungen folgen. Wer keine Duldung hat, muss auf Dauer das Land verlassen. Nach einem Bürgerkrieg wie in Syrien müssen Menschen perspektivisch auch wieder in ihr Heimatland zurückgehen, wenn sie in Deutschland nicht arbeiten.
Söder Wir alle wollen der Ukraine helfen. Aber nicht jeder versteht, warum Ukrainer bei uns Bürgergeld bekommen, obwohl sie noch gar nicht in die Sozialkassen einbezahlen konnten. Und es kann nicht sein, dass schwere Straftäter nach Afghanistan abgeschoben werden und dabei von einzelnen Bundesländern noch ein Handgeld von 1000 Euro bekommen. Wir in Bayern geben das gesetzlich vorgeschriebene Minimum von 100 Euro. Diesem Beispiel sollte man folgen.
Sollte der Krieg in der Ukraine irgendwann enden – was sind die Pläne für die Ukrainer, die bei uns sind?
Söder Ein Frieden ist derzeit nicht absehbar. Es ist daher legitim zu überlegen, wehrfähige Ukrainer in ihre Heimat zurückzusenden, um in ihrem eigenen Land für die Sicherheit zu sorgen. Zweitens: Das Bürgergeld führt dazu, dass wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern einen deutlich geringeren Anteil an Ukrainern haben, die in Arbeit sind. Das muss dringend geändert werden – nicht nur für neu ankommende Ukrainer.
Das ist Markus Söder
11 Bilder
Foto: dpa/Peter Kneffel
Sie sind also klar gegen mögliche Einsätze deutscher Soldaten in der Ukraine?
Söder Es ist für mich kaum vorstellbar, dass NATO-Truppen dort stationiert sind. Das würde Russland keinesfalls akzeptieren. Denn es wäre die Vorstufe des Beitritts der Ukraine in die NATO. Außerdem ist die Bundeswehr dafür nicht bereit. Sie ist auf Kante genäht, finanziell und personell. Deswegen braucht es wieder die Wehrpflicht. Daran wird letztlich kein Weg vorbeiführen.
Braucht es auch Soldatinnen in der Wehrpflicht?
Söder Die erforderliche Zweitdrittel-Mehrheit im Bundestag für eine Verfassungsänderung wird dafür nicht erreichbar sein. Die Sperrminorität von Linksaußen und Rechtsaußen verhindert das.
Beim Koalitionstreffen ging es auch um einen Stahlgipfel und ein Dialogforum mit der Autoindustrie. Kommt da mehr heraus als schöne Bilder?
Söder Diese Gespräche dürfen kein Kaffeeklatsch sein. Es reicht nicht aus, sich nur zu treffen. Wir müssen ein industrielles Update machen, insbesondere nach den US-Zöllen. Das gilt auch für den Maschinenbau und die Chemie. Dafür braucht es eine andere Energiepolitik, vor allem einen Ausbau der Gaskraftwerke – besonders für unsere industriellen Zentren im Süden und Westen. Wir müssen uns ehrlich machen: Erneuerbare Energien sind gut, aber das alleine reicht nicht.
Sie und SPD-Chef Lars Klingbeil galten als „Team“ bei den Koalitionsverhandlungen, die Debatte um die Erhöhung der Reichensteuer hat zwischen Ihnen ziemliche Unterschiede offenbart. Wie belastbar ist das Verhältnis noch?
Söder Wir verstehen uns gut, haben aber unterschiedliche Auffassungen in der Steuerpolitik. Steuererhöhungen sind der falsche Weg. Wir müssen alles tun, um unsere Wirtschaft zu entlasten und Arbeitsplätze zu sichern. Ich habe mich sehr gefreut, dass Lars Klingbeil kürzlich erst die Agenda-Politik von Gerhard Schröder gelobt hat. Es wäre schön, wenn er dem Beispiel eines seiner größten Förderer folgen würde. Außerdem habe ich eine Brücke gebaut.
Lassen Sie uns raten: Die Erbschaftsteuer?
Söder Die Erbschaftsteuer ist eine reine Ländersteuer, die aber bundeseinheitlich gilt. Wir können uns da gerne auf regionale Hebesätze einigen. Die SPD-regierten Länder können die Erbschaftsteuer gerne erhöhen, wir in Bayern senken sie dann. Derzeit ist es so: Wenn ein Vater zwei Kinder hat, eines in München, eines in Dortmund, die jeweils ein Haus erben, ergeben sich aufgrund der unterschiedlichen Quadratmeterpreise völlig verschiedene Erbschaftsteuern. In München von fast 500.000 und im anderen Fall von ungefähr 25.000 Euro. Das ist einfach nicht gerecht.
Das ist aber ein vergiftetes Angebot. Sie haben doch gesagt, dass nicht jeder nur auf seine Belange schauen darf.
Söder Entweder wir entscheiden uns, wieder stärker zu werden, oder wir nehmen den Abstieg hin. Steuererhöhungen jedenfalls sind Gift für ein Land, das aus der Rezession herauskommen will. Mit uns wird es das nicht geben.
Was bieten Sie denn der SPD an, wenn diese sich bei Sozialreformen bewegt?
Söder Der Koalitionsvertrag ist die Bibel dieser Regierung. Der gilt. Wir haben uns in den Koalitionsverhandlungen beim Thema Mindestlohn bewegt. Beim Thema Bürgergeld haben wir ebenfalls klare Vereinbarungen. Wir gehen davon aus, dass Frau Bas das so umsetzen wird, wie wir es beschlossen haben. Wir dürfen aber auch nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, man braucht als Parteivorsitzender auch eine gewisse Beinfreiheit. Es kann nicht immer nur um Befindlichkeiten gehen, man darf auch mal seine Standpunkte formulieren. Wir haben am Montag das große politische Volksfest am Gillamoos in Niederbayern. Dort darf man auch den ein oder anderen wahrnehmbaren Satz von mir erwarten.
Aber wie Robert Habeck Sie derbleckt hat, das hat Ihnen wiederum nicht gefallen.
Söder Es war ein Abgang wie sein Regieren: Schwach.